Konjunktur:Bescheidenheit? War gestern!

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Erst der brutale Absturz, dann die rasche Erholung: Wie keine andere Branche war die Autoindustrie von der Krise betroffen. Jetzt zeigen sich die Unternehmen spendabel.

T. Fromm, S. Haas u. F. Heckenberger

Der Aufschwung kommt bei den Beschäftigten an. Viele Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie erhöhen die Löhne früher als geplant. Andere Firmen schütten eine Sonderzahlung aus. Damit geben Unternehmen ihren krisengeplagten Mitarbeitern wieder etwas zurück.

Die Krise scheint vorbei zu sein, etliche Unternehmen belohnen ihre Mitarbeiter mit vorgezogenen Lohnerhöhungen - so auch Audi. (Foto: obs)

Nicht zufällig sind es die Autohersteller und ihre Zulieferbetriebe, die sich bei vorgezogenen Lohnerhöhungen und Sonderzahlungen besonders spendabel zeigen. Wie keine andere Branche war die Autoindustrie von der Wirtschaftskrise betroffen, nirgendwo waren so viele Arbeitnehmer in Kurzarbeit, und nirgendwo kam nach der scharfen Krise so schnell der Aufschwung zurück - mit ausgelasteten Werken, neuen Exportrekorden und Milliardengewinnen.

Den Anfang machte schon im Oktober der Zulieferer Bosch; er zog die für April 2011 geplante Tariferhöhung in der Metallbranche von 2,7 Prozent auf Februar vor. Das hängt mit dem letzten Tarifabschluss zusammen. Darin wurde vereinbart, dass die für April geplante Lohnsteigerung zwei Monate früher oder später ausgezahlt werden kann - je nachdem wie es den Unternehmen geht. Weitere Zulieferer wie ZF Friedrichshafen und SKF Schweinfurt folgten dem Beispiel von Bosch, ebenso die Hersteller Audi und Porsche. Über die vorgezogene Tariferhöhung gebe es "bei der glänzenden Ertragslage von Porsche überhaupt keine Diskussion", rechtfertigte Porsche-Gesamtbetriebsratschef Uwe Hück den Schritt. Auch Siemens zieht die Tariferhöhung vor, wovon in Deutschland etwa 100.000 Beschäftigte profitieren. "Die Arbeitnehmer haben mitgeholfen, dass die Betriebe gut durch die Krise gekommen sind. Da ist es ein Gebot der Fairness, jetzt im beginnenden Aufschwung die Menschen daran zu beteiligten", sagte der Erste Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber.

Bei BMW wird die Tariferhöhung offenbar vorerst nicht vorgezogen. Allerdings hatte der Konzern bereits im Sommer eine Sonderzahlung von durchschnittlich 1000 Euro für die Mitarbeiter bekanntgegeben. Nicht als Erfolgsbeteiligung wollte man die Zahlung verstanden wissen, sondern als "Ausdruck der Wertschätzung für das Durchhaltevermögen in der Krise", erklärte BMW-Chef Norbert Reithofer. Beim Rivalen Daimler wird das Thema derzeit diskutiert. Die Mitarbeiter hätten "viel geleistet", dies werde man "zu gegebener Zeit angemessen honorieren", sagte Daimler-Finanzvorstand Bodo Uebber.

Auch Sonderzahlungen werden wieder üppiger verteilt. Bei Siemens sollen die weltweit 405.000 Mitarbeiter insgesamt 310 Millionen Euro an Prämien erhalten. Auch beim Spezialchemie-Unternehmen Lanxess gibt es eine Sonderzahlung von 20 Millionen Euro. "Weltweit haben unsere Mitarbeiter auf Teile ihres variablen Einkommens verzichtet und damit dem Konzern die Möglichkeit gegeben, im Krisenjahr 2009 Einsparungen zu erreichen. Es ist daher nur fair, wenn wir uns nun bei ihnen mit einer Einmalzahlung bedanken", sagte Lanxess-Vorstandschef Axel C. Heitmann. Der Chemiekonzern BASF zahlt seinen Mitarbeitern traditionell eine Erfolgsbeteiligung. Da das Unternehmen mit einem Spitzenjahr rechnet, dürfte der Bonus höher ausfallen. Auch Bayer und Merck verweisen auf ihre Beteiligungsprogramme.

Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), sagte: "Die Prämien sind ein Hinweis darauf, dass der Arbeitsmarkt in vielen Segmenten von einem Arbeitgeber- zu einem Arbeitnehmermarkt gekippt ist." Als Hauptgrund für die Zahlungsbereitschaft der Arbeitgeber sieht Möller den Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften, vor allem in der Metallbranche. Laut einer IAB-Studie lag der Anteil der schwer zu besetzenden Stellen Ende 2009 in dieser Branche bei 40 Prozent. Der Wert sei seitdem deutlich gestiegen. Besonders starke Firmen in starken Regionen schütteten nun Prämien aus oder zögen Tariferhöhungen vor. Aber auch Firmen, die jetzt einmalig Prämien ausschütteten, kämen langfristig nicht umhin, höhere Löhne zu zahlen. "Bei den Arbeitnehmern entsteht eine Erwartungshaltung und die Firmen müssen versuchen, die Abwanderung qualifizierter Arbeiter zu verhindern", sagte Möller.

© SZ vom 12.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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