Genfer Autosalon 2016:Automessen brauchen endlich ein neues Drehbuch

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Vor zwei Jahren zeigte auf dem Genfer Autosalon den Alfieri, die Konzeptstudie eines Sportwagens. Diesmal präsentieren die Italiener den Levante, ihr erstes SUV. (Foto: AFP)

Beim Genfer Salon geht es wie immer darum, große, teure und PS-starke Spritfresser zu beweihräuchern. Dabei sollte eigentlich der kleinste Elektrowagen gefeiert werden.

Kommentar von Thomas Fromm

Automessen sind von allen Messen wohl die mit dem größten Unterhaltungsfaktor. Es sind grelle und laute Showveranstaltungen, bei denen es oft gar nicht so sehr darum geht, was die Kunden in der nächsten Zeit kaufen wollen, sondern was sie nach Meinung der Konzerne kaufen sollten. Die Spielregeln sind klar: Je größer die Autos, je stärker die Motorisierung, je luxuriöser die Ausstattung, desto teurer wird das Ganze für den Autofahrer und desto mehr Gewinn bleibt unterm Strich für die Unternehmen hängen. Man muss den Menschen diese Autos nur entsprechend präsentieren.

Automessen sind daher, anders als vielleicht Handwerks- oder Baumaschinenmessen, ganz große Illusionskunst.

Herkömmliche Elektroautos passen, sofern sie nicht gerade aus Kalifornien kommen und Tesla heißen, nicht so richtig in dieses Show-Schema. Ihre Riesenbatterien haben eine geringe Reichweite, sie sind Ladenhüter, und es ist auch nicht so, dass sie für die Unternehmen Gewinnbringer wären. Im Gegenteil: Es kostet Milliarden, sie auf die Straße zu bringen, ohne dass diese Milliarden zurzeit zurückkämen.

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Insofern ist es erwartbar, wenn die Neuerscheinungen, welche die Konzerne in den nächsten Tagen bei der Automesse in Genf in die erste Reihe schieben, immer noch dem klassischen Muster entsprechen: groß, teuer, luxuriös - und viel PS.

It's showtime, baby!

Wer braucht eigentlich 1500 PS?

Maserati, diese sportlich-elegante Marke aus dem italienischen Modena, spielt das SUV-Spiel jetzt auch mit und feiert einen Luxus-Geländewagen mit dem Namen Levante. BMW lädt zur Weltpremiere eines Luxus-Siebeners, ein Zwölfzylinder mit 600 PS. Und die VW-Tochter Bugatti zeigt ein 1500-PS-Schlachtschiff mit dem Namen Chiron, der Konzernlyrik nach der "leistungsstärkste, schnellste, luxuriöseste und exklusivste Serien-Supersportwagen der Welt". Braucht man 1500 PS? Braucht man 600 PS? Muss ausgerechnet die alte Tante Maserati jetzt auch noch ins Gelände?

Natürlich nicht. Aber SUVs liegen im Trend, Benzin ist billig wie lange nicht, und Zwölfzylinder bringen mehr Geld als kleine Elektrovehikel. Also werden sie in Genf losziehen und eine alte Welt präsentieren, die es so eigentlich gar nicht mehr gibt. Man beschwört die Geister der Vergangenheit und weiß doch, dass sie eigentlich nicht mehr von dieser Welt sind. Eine Art Voodoo-Messe.

Nur: Was ist eigentlich noch von dieser Welt? Die Unternehmen tun sich schwer damit, diese Frage zu beantworten. Sie alle wissen, wo es hingehen soll: Ins Zeitalter der elektrischen Autos, der selbstfahrenden Fahrzeuge, der durchdigitalisierten Rechenzentren auf vier Rädern.

Nur ist momentan noch niemand so weit. Die Konzerne nicht, die Kunden nicht, die Infrastruktur zum Aufladen nicht, nicht einmal der Gesetzgeber weiß heute, was passieren soll, wenn solche Autopiloten fehlgeleitet in ein Haus rasen.

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Jahrelang waren die deutschen Automanager der Meinung, sie hätten mit dem Dieselmotor schon eine Art alternativen Antrieb im Programm. Je mehr Diesel, desto weniger Benziner, desto besser für die Kohlendioxid-Bilanz - die Rettung für große Autos. Von wegen, die Rechnung erwies sich als große Illusion. In den USA schummelte VW jahrelang im großen Stil, um die strengen Stickoxid-Auflagen einzuhalten. Seitdem können auch die anderen ihre Diesel-Päne in Übersee getrost begraben. Die Diesel-Fahrzeuge der Konkurrenten BMW und Daimler für die USA blieben in den ersten Wochen des Jahres weitgehend im Lager. Den Konzernen fehlt jetzt ein wichtiges Thema: Gerne hätte man die Geschichte vom deutschen Diesel-Motor noch ein paar Jahre lang erzählt. Aber sie klingt heute eben nicht mehr so gut wie vor September 2015, als die VW-Tricksereien aufflogen.

Der kleinste Elektrowagen sollte gefeiert werden

Und so kommt es jetzt zu interessanten Überschneidungen: Während die Vooodoo-Priester in Genf 16-Zylinder-Motoren mit 1500 PS beschwören, antichambrieren ihre Lobbyisten in Berlin und bitten um Kaufprämien für ihre Elektroautos. Angeblich sollen sich einige Ministerien schon mit der Industrie auf einen sogenannten Umweltbonus geeinigt haben. Demnach könnten Käufer von Elektrofahrzeugen schon ab dem 1. Juli mit einer staatlichen Prämie von 5000 Euro rechnen. Wenn die Autos schon nicht für die große Show taugen, dann wenigstens für einen Umweltbonus.

Vielleicht brauchen die Autokonzerne nicht nur neue Autos, sondern auch ein neues Drehbuch für ihre Messeauftritte. Nicht das spektakulärste Auto sollte gefeiert werden, sondern der kleinste Elektrowagen. Mit großer Show und grellem Glamour. Wäre mal was Neues.

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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