Volkswagen:Ein ominöser Brief bringt VW in Bedrängnis

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Wie früh war Ex-VW-Chef Martin Winterkorn über das Ausmaß des Diesel-Skandals informiert? (Foto: Sean Gallup)
  • EX-VW-Chef Martin Winterkorn wurde schon am 4. September über Abgasmanipulationen informiert - zwei Wochen, bevor diese öffentlich wurden.
  • Die Börsenaufsicht Bafin prüft nun, ob Volkswagen seine Anleger richtig und vor allem rechtzeitig über die Risiken der Dieselaffäre informierte.

Von Thomas Fromm

In der VW-Dieselaffäre steht nicht mehr die Frage im Vordergrund, ob der Autokonzern bei Abgasmessungen getrickst hat. Eine entsprechende Motor-Software hat er schon vor langer Zeit zugegeben. Vielmehr steht die Frage im Zentrum, wer wann von dieser Manipulation gewusst hatte - und dann wen darüber informierte. Hat am Ende auch Ex-Chef Martin Winterkorn davon gewusst, ohne die Sache öffentlich zu machen? Und wenn ja: Wurden den Anlegern hier wichtige Informationen vorenthalten? Wurde gegen das Wertpapierhandelsgesetz verstoßen, weil der Konzern seinen Informationspflichten nicht nachgekommen ist? Wurden kursrelevante Informationen zurückgehalten? Deshalb sind die Abläufe in den betreffenden Wochen so wichtig.

Zentrales Datum ist der 3. September 2015. Es ist der Tag, an dem VW-Manager mit Vertretern der kalifornischen Umweltbehörde Carb sprechen und einräumen: Ja, wir haben bei den Abgasmessungen von Dieselautos getrickst und manipuliert.

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Ein früher Brief an Winterkorn könnte noch schwerwiegende Folgen haben

In einem Brief, den ein Topmanager laut Bild am Sonntag am 4. September, also nur einen Tag später, an Winterkorn schrieb, heißt es demnach wörtlich: "In einem Gespräch am 3.9.2015 mit der Behörde Carb wurde das Defeat Device zugegeben." "Defeat Device", das ist die fragliche Software in den Dieselmotoren. Öffentlich wurde der Fall aber erst am 18. September, als die US-Umweltbehörde EPA erklärte, VW habe mit Vorsatz die Motoren in rund 500 000 Dieselfahrzeugen manipuliert. Kurz darauf, am 22. September, räumte VW den Einsatz der Software in elf Millionen Autos ein. Von einer halben Million auf elf Millionen Autos in wenigen Tagen - aus dem US-Skandal hatte sich in kurzer Zeit eine weltweite Affäre entwickelt.

Kurz darauf trat Winterkorn zurück.

Die Frage ist nun: Wenn Winterkorn schon am 4. September informiert war oder zumindest informiert hätte sein können - warum hat es dann so lange gedauert, bis der Fall nach außen kommuniziert wurde? Hat man etwas zurückgehalten? Oder musste man sich erst mal selbst ein Bild der Lage machen?

Hat VW seine Anleger richtig über die finanziellen Risiken informiert?

Für Anleger, die in den Tagen nach dem 18. September etliche Milliarden verloren haben, sind diese Fragen zentral, denn laut Wertpapierhandelsgesetz müssen Informationen, die große Relevanz für den Aktienkurs haben, sofort weitergegeben werden. Der interne Brief könnte für Winterkorn und VW also noch schwerwiegende Folgen haben - und äußerst teuer werden. Offen ist: Ging der Brief nur an Winterkorn? Aus Konzernkreisen ist zu hören, dass er wahrscheinlich der einzige Adressat war. Insider vermuten dagegen, seinerzeit am 4. September sei das Dokument möglicherweise an einen größeren VW-Verteilerkreis gegangen und nicht nur an Winterkorn. Dazu hätten neben dem Chef auch hochrangige Ingenieure und Manager gehört.

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Wer also wusste am 4. September von den Vorgängen in den USA? Und wer wusste zu diesem Zeitpunkt, was da auf den Konzern aus den USA zurollte? War Winterkorn die ganze Dimension des Vorgangs damals sofort bewusst? Oder hatte er diese erst nach dem 18. September erkannt - also dem Tag, an dem der Betrug über die US-Umweltbehörde EPA publik wurde.

Erst vor zwei Wochen berichtete Bild am Sonntag, Winterkorn sei bereits im Mai 2014 schriftlich von einem Mitarbeiter über die Probleme bei den US-Abgastests informiert worden. Auch hier wäre interessant zu wissen, was damals genau besprochen und wie darauf reagiert wurde.

Auch die Börsenaufsicht Bafin prüft gerade, ob Volkswagen seine Anleger richtig über die finanziellen Risiken der Dieselaffäre informiert hat. Im Konzern will man sich zum aktuellen Stand der Untersuchungen derzeit nicht äußern; man verweist auf den April, wenn VW seine Ermittlungsergebnisse aus den vergangenen Monaten vorlegen will.

Die Feierstimmung dürfte den Vorständen vergangen sein

Die neuesten Vorwürfe kommen kurz vor der Eröffnung des Genfer Autosalons und dürften auch dort wieder Gesprächsthema sein. Am Montagabend will VW in der Genfer Messe seinen traditionellen Konzernabend feiern; eine Gelegenheit, bei der der Konzernchef traditionell neue Modelle vorstellt und über seine Strategie spricht. Es ist der erste große Messe-Konzernabend dieser Art seit dem Rücktritt Winterkorns im vergangenen Jahr.

Eines hat sich in den vergangenen Wochen schon herumgesprochen: In diesem Jahr soll es unter dem neuen VW-Chef Matthias Müller kleiner, ruhiger und bescheidener zugehen als in den Jahren zuvor, als sich VW noch mit Tausenden Gästen, vielen Prominenten und großer Show selbst inszeniert hatte.

In Feierstimmung werden die Vorstände ohnehin nicht sein - angesichts der vielen Probleme weltweit

© SZ vom 29.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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