Junckers Investitionsprogramm:Ein paar Nullen zu viel

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  • EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker will die europäische Wirtschaft mit einem Investitionspaket in Höhe von 315 Milliarden Euro ankurbeln.
  • Die einzelnen Regierungen sollten dafür eine Liste erstellen, welche Projekte sie für förderungswürdig halten. Wie die Firma Alphakat darauf gelandet ist, weiß keiner.

Von Kirsten Bialdiga und Claus Hulverscheidt, Berlin/Ennigerloh

Es musste schnell gehen mit der von Brüssel erbetenen Liste, entsprechend hastig machten sich die Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums Anfang Dezember an die Arbeit. Insgesamt 315 Milliarden Euro sollen nach dem Willen des neuen EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker in den nächsten Jahren zusätzlich in Europa investiert werden, um den Kontinent aus dem Konjunkturmorast zu ziehen, in dem er seit Jahren steckt. Kommen soll das Geld von Privatinvestoren, der Europäischen Investitionsbank und aus dem EU-Budget. Die Regierungen mussten nur noch auflisten, welche Projekte sie für förderungswürdig erachten.

Insgesamt 58 Vorhaben im Umfang von 89 Milliarden Euro klaubten die Berliner Beamten zusammen, darunter vor allem Klassiker: der Neubau von Windparks, der Autobahnausbau, Schleusensanierungen. Und fünf Milliarden Euro für Alphakat.

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:Juncker will private Investoren nach Europa locken

Nicht nur in die Länder mit bestem Kredit-Ruf soll Geld fließen, sondern auch in andere Teile Europas: Kommissionschef Juncker will das mit Garantien erreichen. Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble haben Zweifel.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel, und Claus Hulverscheidt, Berlin

Technologie mit Potenzial

Alpha-wer? Fünf Milliarden? Christian Haupts, Chef der Remscheider Recenso GmbH, glaubte, sich verhört zu haben. "Das sind wohl ein paar Nullen zu viel", dachte er spontan. Die Alphakat GmbH hält die Patente an einem Verfahren, mit dem sich aus Hausmüll oder Kunststoff Diesel gewinnen lässt, Recenso setzt die Erfindung mit gerade einmal 16 Mitarbeitern in die Tat um. Das klappt so gut, dass die eigenen Gabelstapler schon mit dem selbstproduzierten Diesel fahren. Auch in Blockheizkraftwerken wäre er einsetzbar. Also wahrlich eine Technologie mit Potenzial.

Dennoch hatte die Politik lange Zeit kaum Interesse gezeigt. Ein Bundestagsabgeordneter aus Fehmarn schaute sich die Referenzanlage im münsterländischen Ennigerloh wenigstens an, auch ein Referent aus dem nordrhein-westfälischen Umweltministerium kam mal vorbei. Das war's. Immerhin spendierte das Land Fördergelder in Höhe von 1,6 Millionen Euro. Millionen wohlgemerkt, nicht Milliarden.

Aufregung hat sich gelohnt

Wie der Betrieb dennoch auf die Juncker-Liste kam, lässt sich angeblich nicht rekonstruieren. Im Wirtschaftsministerium heißt es, ein Mitarbeiter habe Millionen und Milliarden verwechselt. Es handelt sich allerdings wohl um einen Überzeugungstäter, denn anders als andere Posten ist die Alphakat-Eintragung mit einem regelrechten Werbetext versehen. Dass die Panne im Wirtschafts- und später im Finanzministerium keinem auffiel, spricht Bände: Es zeigt, welche Bedeutung die Bundesregierung dem Juncker-Plan beimisst.

Recenso-Chef Haupts wäre schon zufrieden, wenn er mit EU-Hilfe statt fünf Milliarden fünf oder 50 Millionen Euro an Investitionen zusammenbrächte. Ausgeben allerdings könnte er auch die fünf Milliarden - die Berliner Panne hat ihn ins Grübeln gebracht: Er könnte seine Anlagen auf Schiffe stellen, um die Kunststoffteppiche auf den Ozeanen zu beseitigen. Oder den Öl-Schlick aus den Häfen baggern und in Diesel verwandeln. Oder tausend neue Anlagen bauen. Oder, oder, oder. Noch viel wichtiger ist für ihn aber etwas anderes: Mit der Platzierung auf der Juncker-Liste, so sagt er, habe die Regierung gewissermaßen amtlich bescheinigt, "dass sie die Technologie als zukunftsweisend einschätzt". Allein dafür hat sich die Aufregung gelohnt.

© SZ vom 24.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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