IT-Konzern:Google will grün werden

Google-Datenzentrum

Blick in ein Google-Rechenzentrum in den USA. Die Energie für alle Rechenzentren des Konzerns kommt aus erneuerbaren Quellen.

(Foto: dpa)
  • IT-Konzerne geraten zunehmend ins Visier von Öko-Gruppierungen, weil ihr Energiebedarf so rapide ansteigt.
  • Ein einzelnes Rechenzentrum saugt so viel Energie aus dem Stromnetz wie Tausende Einfamilienhäuser. Zwei Prozent des weltweiten Energieverbrauchs gehen für IT drauf.
  • Der US-Konzern Google kündigt nun als einer der ersten Global Player den schnellen kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien an - und will damit auch Geld verdienen.

Von Markus Balser, Berlin

Es war der Schweizer Urs Hölzle, ein Google-Manager der ersten Stunde, der schon mal die Kohlen aus dem Feuer holte. Vor fünf Jahren warnte Hölzle in einer internen Memo die eigenen Leute eindringlich vor den Gefahren, die sich da zusammenbrauten. Denn das immer stärker an die Vorlieben der Nutzer angepasste Internet werde zu einer ernsthaften Bedrohung für den eigenen Konzern. Eine geballte Anstrengung bei sozialen Medien sei notwendig, forderte Hölzle. Er trat damit in die Fußstapfen von Bill Gates und dessen berühmtem Weckruf. Der hatte in den Neunzigerjahren gewarnt, Microsoft drohe das Internet-Geschäft zu verpassen.

In diesen Monaten liegt für Konzerne wie Google wieder eine ernste Bedrohung in der Luft. Denn auch in den Fabriken des 21. Jahrhunderts rauchen die Schonsteine. IT-Konzerne geraten deshalb zunehmend ins Visier von Öko-Gruppierungen. So hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace gerade Unternehmen wie Ebay, Amazon oder Oracle als Klimaproblem ausgemacht. Mit der Ausbreitung von Cloud- und Streaming-Diensten steige das umgeschlagene Datenvolumen explosiv an - jährlich um 20 Prozent. Und damit auch der Energiebedarf etwa für Rechenzentren. Dabei ist der schon jetzt gewaltig: Eine einzelne Anlage saugt so viel Energie aus dem Stromnetz wie Tausende Einfamilienhäuser. Schon zwei Prozent des globalen Energieverbrauchs gehen für IT drauf.

Bevor sich die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrieländer in den nächsten Tagen auf dem G-7-Gipfel in Elmau mit dem verschärften Kampf gegen den Klimawandel beschäftigten, kündigt der US-Konzern Google nun als einer der ersten Global Player den schnellen kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien an. "Ich gehe davon aus, dass wir unser Ziel 100 Prozent grünen Stroms in spätestens fünf Jahren erreichen", sagt Hölzle, Leiter der globalen Infrastruktur, der Süddeutschen Zeitung. Bislang hatte das Unternehmen offengelassen, wann die angestrebte Komplettumstellung erreicht wird.

Das Wachstum zu bändigen - diese Aufgabe hatte der Schweizer schon einmal. Hölzle war 1999 als achter Angestellter von seinen Bekannten aus dem Studium in Stanford, den Google-Gründern Larry Page und Sergey Brin, eingestellt worden, um die Firmenserver so richtig auf Vordermann zu bringen. "Wir waren 20 Leute und hatten plötzlich eine Million Suchanfragen pro Tag. Es ging darum, irgendwie die nächste Woche zu überleben", sagt Hölzle, der jetzt für die nächste Großbaustelle der Branche zuständig ist: die eigene Energiewende.

Urs Hölzle

"Ich gehe davon aus, dass wir unser Ziel 100 Prozent grünen Stroms in spätestens fünf Jahren erreichen. Wir wollen zeigen, dass der Umstieg kein Luxus ist, sondern eine praktikable Lösung."

Denn wieder geht es bei Konzernen wie Google um Wachstum, genauer um einen neuen Schub im globalen Datenverkehr mit dem Internet der Dinge. Zudem verbucht Google heute eine Milliarde Suchanfragen täglich - Tendenz noch immer steigend. Der Energieverbrauch wächst, der Konzern deckt aber weltweit erst 35 Prozent seines Bedarfs aus grünen Quellen. Die Folge: Ein Großteil der Klicks von Milliarden Nutzern wird bisher noch mit klimaschädlichen Energien gespeist. Google werde seine Ökostrom-Kapazitäten deutlich ausbauen, kündigt der Konzern nun an. "Wir wollen zeigen, dass der Umstieg kein Luxus ist, sondern eine praktikable Lösung", sagt Hölzle. Wegen der sinkenden Kosten vor allem in der Windkraft sei der Umstieg für die Industrie inzwischen aber auch "ökonomisch vertretbar".

Das gilt weit über die IT-Industrie hinaus als Wende und neues Signal. Kaum ein Konzern hat sich bislang ehrgeizigere Ziele gesetzt. Auch in der deutschen Wirtschaft ist der anfängliche Elan beim Umbau der eigenen Energieversorgung in den vergangenen Jahren vielerorts erlahmt. Dabei gilt Deutschland auch aus Google-Sicht beim Ökostrom als weltweit führend. Kalifornien liege beim Thema Energiewende fünf bis zehn Jahre hinter Deutschland zurück, sagt Hölzle. Das 100-Prozent-Ziel werde deshalb auch zuerst in Europa erreicht, wo Google bereits zwei Windparks in Schweden bauen lässt und derzeit drei Datenzentren in Finnland, Belgien und Irland betreibt. Ein weiteres entsteht gerade in Eemshaven in den Niederlanden. Nach dem Umstieg in Europa sollen auch die USA und Asien folgen. Insgesamt unterhalten die Kalifornier Rechenzentren an 13 Standorten weltweit, sechs davon in den USA.

Computer und Rechenzentren werden zwar sparsamer und effizienter. Doch der sinkende individuelle Energieverbrauch wird von anderen Effekten überlagert. Vor allem steigt das Datenvolumen wegen der wachsenden Digitalisierung so sprunghaft an, dass der Energiebedarf insgesamt weiter wächst. Zudem werden bis 2017 fast 50 Prozent mehr Menschen weltweit Zugang zum Internet bekommen. Viele Konzerne der IT-Branche haben trotz des steigenden Strombedarfs und des wachsenden öffentlichen Drucks bisher jedoch kaum umgesteuert. Bei führenden IT-Konzernen wie Ebay, IBM, Amazon Web Services oder Oracle liegt der Anteil fossiler Energien Greenpeace zufolge noch immer bei 75 bis 90 Prozent.

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