INSM:Wirtschaftslobby bezirzt Bundestag mit Voodoo

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Voodoo-Puppe des INSM: Zu Risiken und Nebenwirkungen von Lobbyismus befragen Sie Ihren Volksvertreter. (Foto: oh)

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft will die Abgeordneten im Bundestag mit schwarzer Magie bearbeiten. Sie schickte den Parlamentariern eine Voodoo-Puppe. Die warnt vor den geheimen Schmerzen, die Mindestlöhne und Frauenquote mit sich bringen. Oder so.

Von Bastian Brinkmann

Mit guten Vorsätzen für das neue Jahr ist es so eine Sache. Hinter jedem Versprechen kann ein Abgrund stecken. Das ist in etwa die Botschaft der aktuellen Lobbykampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, kurz INSM, die von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanziert wird. In der Kampagne lassen die Interessenvertreter deswegen die Puppen tanzen, genauer gesagt: die Voodoo-Puppen.

Alle Bundestagsabgeordneten und Hunderte weitere Menschen im politischen Berlin haben zum Jahresauftakt Post von der INSM bekommen. "Verfluchte Wahlversprechen" steht auf der Verpackung. Der Inhalt: eine Voodoo-Puppe und mehrere Nadeln. Fiese Nadeln. Sie tragen Fähnchen mit Themen, die die politische Diskussion im gerade angebrochenen Wahljahr prägen könnten: Frauenquote, Erbschaftsteuer, Vermögensteuer, Energiesubventionen, Zuschussrente, Mindestlohn. Themen, die bei der INSM offenbar Schaudern erregen.

Also griff die Lobbygruppe zur dunklen Magie. Doch was soll der Voodoo-Zauber genau bedeuten? Wer sticht hier wen? "Die Puppe steht für den Wähler an sich", klärt ein Sprecher der Kampagne auf. Die Nadeln sollen zeigen, dass manche "Wahlversprechen schmerzhafte Auswirkungen" haben könnten. Die Politik verschweige nämlich die schmerzhafte Seite des Mindestlohns.

Da hilft die INSM also samt kleinen Sticheleien nach. "Mit Wahlgeschenken spielt man nicht", gibt die Lobby den Empfängern der Voodoo-Puppe noch mit auf den Weg. Der Scherz kommt nicht überall gut an. Jan-Alexander Engels, Referent für Steuerpolitik der grünen Bundestagsabgeordneten Lisa Paus, kommentierte auf Twitter trocken: "irrer Neujahrsgruß".

Nicht zum ersten Mal fällt die Lobbyarbeit der INSM durch Peinlichkeiten auf. Besonders viel Echo rief vor Jahren ein Fall von Schleichwerbung hervor. Die Interessenvertreter hatten in der ARD-Vorabend-Seifenoper "Marienhof" geheime Werbung gekauft, die beispielsweise die Zeitarbeit in ein positives Licht rücken sollte. Ein Schauspieler bekam in der Sendung dann einen Job bei einer Zeitarbeitsfirma und fand das ganz toll ( hier ein PDF-Report von Lobbycontrol).

Zuletzt fiel auch der Blog auf der Website der INSM negativ auf. Eine Autorin kommentierte die Ankündigung der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen von Krisenstaaten kaufen zu wollen, unter der Überschrift "Willkommen in der EUdSSR". Diese skurrile Abkürzung stellt die EU mit der Sowjetunion gleich und ist ein beliebtes Schmähwort in der Szene von Rechtspopulisten und Verschwörungstheoretikern. In ernsthaften politischen Diskussionen taucht der Begriff nicht auf. Im Bundestag ist das Wort "EUdSSR" bisher nur in einer Rede gefallen, es kam aus dem Munde des fraktionslosen Rechtsrumplers Henry Nitzsche ( PDF), der 2009 aus dem Bundestag geflogen ist. Die Lobbyisten der INSM haben noch viel Arbeit vor sich.

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