Ein Traditionskonzern trennt sich von seinen Wurzeln: Thyssenkrupp lagert seine Stahlwerke in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Konkurrenten Tata Steel aus. Das hat der Aufsichtsrat am Freitag beschlossen, wie Thyssenkrupp am späten Abend bekannt gab. Zusammen wollen die beiden Konzerne Europas zweitgrößten Stahlhersteller schaffen, mit 48 000 Beschäftigten in Deutschland, Großbritannien und der Niederlande. Eine entsprechende Grundsatzvereinbarung hatten Thyssenkrupp und der indische Konzern bereits im Herbst unterschrieben, seitdem wurde hart verhandelt.
Mit der Fusion reagieren die Konzerne auf die schwierige Lage auf dem Stahlmarkt: Die Industrie stellt weltweit mehr Stahl her, als nachgefragt wird. Vor allem in China sind seit der Jahrtausendwende viele neue Werke entstanden. Der Stahlpreis schwankt seit Jahren; viele Werke sind schlecht ausgelastet. US-Präsident Donald Trump versucht derzeit, die amerikanische Stahlindustrie mit höheren Zöllen vom weltweiten Wettbewerb abzuschirmen. Dadurch landet in Europa noch mehr Importstahl an.
Thyssenkrupp:Investoren sind verärgert über den Kurs von Thyssenkrupp
Die Aktionäre streiten mit dem Vorstand, die Aktionäre streiten untereinander. Vielen geht der Umbau der Stahlwerksparte nicht schnell genug.
Thyssenkrupp und Tata hoffen auf Größenvorteile, wenn sie künftig gemeinsam Rohstoffe einkaufen. Die Konzerne wollen zudem doppelte Ausgaben sparen, etwa für Vertrieb, Forschung und Entwicklung. So könnten bis zu 4000 Stellen wegfallen, zur Hälfte in Deutschland.
Widerstand der Arbeitnehmer
Arbeitnehmervertreter leisteten lange Widerstand gegen die Fusion. Erst am Freitagnachmittag teilte der Betriebsrat von Tata mit, dass man die Pläne unterstütze. Thyssenkrupp hat der IG Metall bereits vor Weihnachten zugestanden, dass man bis 2026 keinen Stahlwerker betriebsbedingt kündigen und keine Standorte schließen werde. Die Arbeitnehmervertreter stellen zehn der 20 Sitze im Aufsichtsrat des Konzerns.
Die Fusionsverhandlungen zogen sich zudem hin, weil die Thyssenkrupp-Stahlwerke zuletzt ihren Gewinn steigerten, während es bei Tata bergab ging. Daher handelten die Essener einen höheren Anteil am Gemeinschaftsunternehmen für sich heraus: Falls die beiden Konzerne ihre gemeinsame Stahltochter an die Börse bringen, stehen Thyssenkrupp nun 55 statt 50 Prozent der Einnahmen zu.
Der Dax-Konzern will sich fortan auf Aufzüge und Rolltreppen, Autoteile, Großanlagen und U-Boote konzentrieren. Zudem hat Thyssenkrupp noch eine Metallhandelssparte. Der Konzern hofft künftig auf stabilere Gewinne und hat nach der Stahlfusion vier Milliarden Euro weniger Schulden. Mindestens sechs Jahre lang muss Thyssenkrupp nun an dem Gemeinschaftsunternehmen beteiligt bleiben, so die Vereinbarung mit den Stahlarbeitern. Gleichwohl können Teile der neuen Stahlfirma an die Börse gebracht werden.