Immobilien:Bau-Boom in Deutschlands Städten

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Eine Großbaustelle für Wohnungen in Berlin (Foto: dpa)
  • Die Bauämter genehmigen so viele neue Wohnungen wie zuletzt vor 18 Jahren.
  • Bei Einfamilienhäusern stagniert die Zahl der Genehmigungen. Gebaut werden sollen vor allem neue Wohnungen in Mehrfamilienhäusern.

Von Benedikt Müller

In Deutschland wird so viel gebaut wie zuletzt vor 18 Jahren. Im vergangenen Jahr haben die Bauämter 375 400 neue Wohnungen genehmigt, berichtet das Statistische Bundesamt. Das sind gut 21,6 Prozent mehr als im Vorjahr - und es ist die höchste Zahl seit dem Jahr 1999. Der Bauboom findet vor allem in den Städten statt. So genehmigten die Behörden im vergangenen Jahr bundesweit 173 400 neue Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Das sind gut 26 Prozent mehr als noch 2015. Die Zahl neu genehmigter Einfamilienhäuser stagniert dagegen.

Die Statistik spiegelt einen gesellschaftlichen Trend wider: Seit einigen Jahren ziehen deutlich mehr junge Menschen vom Land in die Großstädte, um ein Studium oder einen Job anzutreten. Auch Zuwanderer und Flüchtlinge sind vor allem in die Ballungsräume gezogen, weil sie dort die besten Integrationschancen sehen. In der Folge werden Wohnungen in den Städten immer knapper und teurer; im vergangenen Jahr sind die Angebotsmieten im Schnitt um 4,9 Prozent gestiegen. "Es braucht Zeit, bis sich das Wohnungsangebot im Neubau und Bestand der Nachfrage annähert und sich die Mietenentwicklung wieder beruhigt", sagt Harald Herrmann, Direktor des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).

Die Genehmigungsstatistik zeigt auch, dass die Städte künftig dichter bebaut sein werden. So wurden im vergangenen Jahr 52 300 neue Wohnungen an bestehenden Gebäuden genehmigt. Das sind knapp 29 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit ist gemeint, dass Eigentümer ihre Häuser anbauen, umbauen, aufstocken oder das Dachgeschoss ausbauen. So entstehen neue Wohnungen, ohne dass weitere Flächen versiegelt oder teure Grundstücke gekauft werden müssen.

Trotz des Baubooms dürften die Mietpreise in den Städten hoch bleiben. Denn Bauen in Deutschland ist teurer geworden, unter anderem wegen strenger Energieauflagen. "Der Wettbewerb um knappes Bauland und damit verbundene hohe Grundstückpreise sorgen für einen zusätzlichen Auftrieb", sagt Herrmann. Wer im vergangenen Jahr in eine Neubauwohnung gezogen ist, zahlte beispielsweise in München im Schnitt 17,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter; über alle Baujahre hinweg liegen die Angebotsmieten laut BBSR bei 15,65 Euro. Auch in Stuttgart wurden neue Mietwohnungen mit gut 14 Euro deutlich teurer angeboten als bestehende (knapp zwölf Euro).

Das liegt auch daran, dass unverändert knapp 48 Prozent der Geschosswohnungen als Eigentumswohnungen entstehen. Projektentwickler können neue Eigentumswohnungen zu immer höheren Preisen verkaufen, weil die Bauzinsen zurzeit historisch niedrig sind. Sowohl Privatleute als auch Profi-Anleger investieren mehr Geld in Immobilien, weil andere Anlagen kaum noch Zinsen bringen. Wenn die Käufer neue Eigentumswohnungen vermieten, müssen sie den hohen Preis mit entsprechenden Mieten wieder reinholen.

Hinzu kommt, dass genehmigte Wohnungen noch lange nicht gebaut sind. Bauunternehmen und Handwerker haben zurzeit so viele Aufträge wie seit 20 Jahren nicht; die Branche ist noch stärker ausgelastet als in den Boom-Jahren nach der Wiedervereinigung. Deshalb können Monate, gar Jahre vergehen, bis Bauherren ihre genehmigten Vorhaben umsetzen.

Zumal zum 1. Januar 2016 eine schärfere Energie-Einsparverordnung (EnEV) in Kraft getreten ist. Viele Bauherren haben ihre Anträge Ende 2015 eingereicht, um noch nach der alten EnEV bauen zu können. Im Laufe des vergangenen Jahres haben die Ämter diese Anträge bearbeitet, sodass die Genehmigungszahlen Anfang und Mitte 2016 besonders hoch ausfielen.

Deshalb erwarten Analysten, dass die Zahl der wirklich fertiggestellten Wohnungen erst in diesem Jahr die Marke von 300 000 Einheiten überschreiten wird. Die Bundesregierung schätzt allerdings, dass pro Jahr mindestens 350 000 neue Wohnungen nötig wären, um die Nachfrage in den Städten zu decken.

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