Höhere Ärzte-Honorare:Der Patient ist zweitrangig

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Die Mediziner fordern fünf Milliarden Euro mehr Geld. Forderungen nach höheren Honoraren rechtfertigen sie stets mit der Behauptung, davon profitierten die Patienten. Das ist Unsinn. Doch wer im Gegenzug das Wort von den gierigen Ärzten ins Feld führt, hat zu kurz gedacht.

Kommentar von Guido Bohsem

Fünf Milliarden Euro sind eine Menge Geld. Mit dieser Summe ließen sich 41 000 Kita-Plätze für unter Dreijährige einrichten sowie zehn Jahre lang unterhalten. Wollte man den Betrag in Beton und Asphalt investieren, könnte man eine vierspurige Autobahn von 416 Kilometern Länge bauen. Oder man könnte den Ärzten und Psychotherapeuten höhere Honorare zahlen. Genau einen solchen Zuwachs pro Jahr fordern sie nämlich. Immerhin, die Ärzte-Funktionäre wollen die Milliarden nicht auf einen Schlag. Mittelfristig aber soll das Geld schon kommen.

Wer jetzt gleich das Wort von den gierigen Ärzten ins Feld führt, hat zu kurz gedacht. Man muss diese gewaltige Forderung ein wenig relativieren. Obwohl es sich bei den Medizinern um Unternehmer handelt, müssen sie sich einmal im Jahr in einen Clinch mit den Krankenkassen begeben, der im Prinzip nichts anders ist als eine Tarifverhandlung.

Forsche Auftritte

Während die Ärzte die Rolle der Arbeitnehmer einnehmen, schlüpfen die Krankenkassen in die Rolle der Arbeitgeber. Diese für die stolze Ärzteschaft ungewohnte - manche denken sogar: erniedrigende - Rolle überspielen ihre Vertreter deshalb meistens mit besonders forschen Auftritten.

Dies gilt insbesondere fürs laufende Jahr. Schließlich muss sich Andreas Gassen als neuer Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erstmals in konkreten Verhandlungen bewähren und Ergebnisse liefern. Dieses Motiv kann man unappetitlich finden, es gehört aber zum Tarifgeschäft wie der weiße Kittel zum Mediziner. Was die Ärzte letztlich bekommen, wird jedenfalls deutlich geringer ausfallen als die erhofften fünf Milliarden Euro.

Insgesamt stehen die Chancen für eine vernünftige Anhebung der Honorare jedoch nicht schlecht. Im Gegensatz zu vielen anderen Verhandlungsrunden zuvor haben die Ärzte diesmal gute Argumente auf ihrer Seite. Da wäre zum einen die sehr gute Wirtschaftslage in Deutschland. Von ihr haben nicht zuletzt die Arbeitnehmer profitiert, und zwar in Form von deutlichen Gehaltssteigerungen. Und die stehen ohne Zweifel auch den Ärzten zu.

Die guten Zeiten werden nicht mehr halten

Zudem geht es den Krankenkassen so prächtig wie ewig nicht mehr. Sie schwimmen im Geld und haben deshalb auch keine zwingenden Argumente an der Hand, den Ärzten den Aufschlag zu verweigern. Jedoch deuten die Zeichen darauf hin, dass die guten Zeiten nicht mehr lange anhalten werden. Schon 2015 dürfte es wieder zu Defiziten im Gesundheitssystem kommen. Die Kassen warnen also zu Recht vor zu hohen Abschlüssen.

Wirklich ärgerlich ist, dass die Ärzte ihre Forderungen nach höheren Honoraren stets mit der Behauptung rechtfertigen, davon profitierten die Patienten. Das ist Unsinn und würde nur dann stimmen, wenn das zusätzliche Geld an konkrete Verbesserung der Behandlung geknüpft wäre, zum Beispiel höhere Anforderungen an die Qualität oder mehr Zuwendung. Das ist aber nicht der Fall. Nein, von den höheren Honoraren profitieren die Ärzte. Und das sollten sie auch einräumen.

© SZ vom 19.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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