Schuldenstreit:Warum Griechenland den Euro verlassen muss

Griechenland Grexit Euro

Die Rettungspolitik ist mit ideologischen Erwartungen überfrachtet.

(Foto: Getty Images)

Nach dem "Nein" der Griechen zum Sparpaket ist klar: Der Austritt aus dem Euro mag die teuerste Lösung sein - aber auch die sauberste.

Kommentar von Stefan Kornelius

Seit dem Jahr 2009 wird die Rettungspolitik für den Euro von einem Leitgedanken getragen: Wie lässt sich genug Zeit gewinnen, um das Schuldenproblem zu verstehen, volkswirtschaftlich zu lösen und dabei möglichst wenig Schaden anzurichten in der Euro-Zone? Es ist das beklagenswerte Ergebnis des griechischen Referendums, dass diese Strategie an jenem Land gescheitert ist, das die Turbulenzen ausgelöst hat.

Die Regierung von Antonis Samaras in ihrem letzten halben Jahr und nun die Regierung von Alexis Tsipras haben in Griechenland eine Kaskade von Fehlentscheidungen getroffen und die Rettungspolitik mit ideologischen Erwartungen überfrachtet. In dem bisweilen grotesk anmutenden Tanz um Papiere, Reformideen und Deutungen ist eine wechselseitige Verständnislosigkeit entstanden, die Europas Gestaltungsprinzip - den Kompromiss zum Wohle aller - ausgehebelt hat.

Es wird zu den politischen Mythen dieses Dramas gehören, dass es die Euro-Zone (minus Griechenland) und vor allem die deutsche Kanzlerin als Strippenzieherin gewesen sein sollen, die Griechenland aus dem Euro gedrängt und das Land mit maßlosen Reformerwartungen erdrückt haben. Das ist Unfug. Immer wieder hat diese Euro-Gruppe Erleichterungen angeboten, zuletzt die Senkung der Überschusserwartung auf ein Prozent. Selbst der Schuldenschnitt - stillschweigend immer Teil einer umfassenden Lösung - wäre in einem dritten Hilfspaket unumgänglich gewesen. Aber eben erst dann, nicht bereits bei der Auszahlung der letzten Tranche des zweiten Pakets, das verhandelt und unterschrieben war.

Für diese Taktung gab es vor allem politische Gründe mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen in Spanien und Portugal. Wenn der Internationale Währungsfonds jetzt so tut, als habe er den Schuldenschnitt schon immer im Programm gehabt, dann gilt auch diese Botschaft: Die Euro-Gruppe ist komplexer als - zum Beispiel - Ghana, dessen Währung zweimal neu erfunden werden konnte.

Nach dem Referendum sind die Lager nun erstarrt

Das Referendum und die zuletzt geradezu schrille Rhetorik der Regierung ("Terrorismus") lässt die Vermutung zurück, dass es Premier Tsipras nicht um eine gemeinsame Rettungsstrategie für den Euro, sondern um eine politische Neudefinition der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik ging. Darauf konnte sich niemand einlassen.

Nach dem Referendum sind die Lager nun erstarrt. Tsipras darf sich bestärkt fühlen und kann die Rettungslogik der 18 anderen Euro-Länder umso stärker ablehnen. Auf der anderen Seite ist der Spielraum dieser 18 Staaten ebenso aufgebraucht. Die politische Aufladung der vergangenen zwei Wochen zwingt auch Kanzlerin Angela Merkel, auf Mehrheiten zu achten. SPD-Chef Sigmar Gabriel tut das bereits. Demokratie gilt nicht nur in Griechenland.

In dieser Konfrontation braucht es nun ungeahnte Fantasie - oder ein Bekenntnis zum offenbar Unausweichlichen: Griechenland muss den Euro verlassen. Diese Zäsur hat sich niemand gewünscht. Politisch wie ökonomisch ist der Währungswechsel für Griechenland und für die anderen Euro-Staaten eine schwere Belastung. Jeder auch noch so faule Rettungskompromiss käme die Bürger vermutlich billiger - vorläufig. Langfristig aber würde die Umdeutung des Regelbuchs durch Athen zum Zerfall der Euro-Zone und zur Zerstörung der Währung führen.

Der Rücktritt von Varoufakis mag da segensreich wirken

Der Weg aus dem Euro ist kompliziert und mit schweren Turbulenzen verbunden. Griechenland wird nicht austreten wollen, sodass nur der Zusammenbruch des Zahlungssystems die Einführung einer Parallelwährung erzwingen kann. Es ist eine Tragödie, dass es am Ende die Europäische Zentralbank sein wird, die den Kollaps der Politik feststellen muss.

Der Rücktritt von Finanzminister Yanis Varoufakis mag da segensreich wirken. Ob sich daraus Verhandlungsspielraum ergibt, ist fraglich. Selten hat sich eine Regierung derart ideologisch verblendet den Regeln und Mehrheitsverhältnissen in Europa verweigert.

Die eigentliche Tragödie spielt sich nun auf den Straßen in Griechenland ab - bei den Rentnern, Schwachen, Kranken. Der Absturz wird das Land in eine tiefe Misere treiben. Die EU muss die Kraft aufbringen, Griechenland jenseits des Währungskonfliktes zu helfen. Dazu gehören die Garantie auf Mitgliedschaft in der EU und der Anspruch auf Strukturgelder.

Das wird aber nicht reichen. Nötig wäre ein großes Reformprogramm, damit der griechische Staat die Klientelwirtschaft überwindet und moderne wirtschaftliche und politische Strukturen aufbaut. Die bittere Wahrheit ist: Dieses Programm gab es. Die Mehrheit der Griechen hat es abgelehnt.

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