Geldwerkstatt:Einfach dem Markt folgen

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Einzelne Aktien zu kaufen, kann äußerst riskant sein. Wer sich nicht ständig mit Geld beschäftigen will, ist mit günstigen Fondsprodukten oft besser beraten. Bei der Auswahl gilt es jedoch einiges zu beachten.

Von Jan Willmroth

Für Aktionäre des Wolfsburger Autokonzerns Volkswagen war es ein hartes Jahr. Am 18. September jährt sich zum ersten Mal der Tag, an dem die Welt von den Diesel-Manipulationen erfuhr, die zum Desaster für Investoren gerieten: Binnen kurzer Zeit sackte die Aktie um 60 Prozent ab und erholte sich seitdem nur leicht. Die Kursentwicklung der VW-Aktie ist damit ein eindruckvolles Beispiel für die Risiken, denen sich Privatanleger aussetzen, wenn sie einzelne Aktien kaufen. Konzerne, die über Jahre hinweg erfolgreich waren, deren Aktie zu Recht beliebt war, werden von einem Skandal erwischt - und die Gewinne sind in wenigen Stunden futsch.

Es gibt zahlreiche Beispiele wie dieses, mit dem deutsche Sparer die große Abneigung gegen Aktien begründen könnten, die ihnen zugeschrieben wird. Nicht einmal jeder Zehnte in Deutschland hält nach einer Erhebung des Deutschen Aktieninstituts Anteile an Unternehmen. Der von der Privatwirtschaft getragene Verein beklagt in schöner Regelmäßigkeit, wie wenig ausgeprägt die "Aktienkultur" in Deutschland sei. Zwar ist die Zahl der Aktionäre wieder leicht gestiegen - aber so richtig Lust auf die Börse haben die Deutschen nicht.

Damit haben sie viel verpasst. Wer beispielsweise 1994 in europäische Aktien (gelistet im Index Eurostoxx 50) investierte und sie bis 2014 hielt, hat im Schnitt eine Rendite von 7,2 Prozent pro Jahr erzielt. Aus 10 000 Euro wären so 40 000 geworden. Das ist mit anderen Anlageklassen kaum zu schaffen. Mit einzelnen Papieren hätte ein Anleger in dem Beispiel eine noch viel höhere Rendite erzielen können. Zu den Eigenarten des Aktienmarkts gehört es nämlich, dass nur ganz wenige sehr gut laufende Aktien für einen großen Teil der Gewinne eines gesamten Index sorgen.

Aber wie findet man diese Gewinner? "Für Privatanleger ist das nicht zu schaffen", sagt der Mannheimer Professor für Finanzwirtschaft Manfred Weber, ein Experte auf dem Gebiet der Anlegerpsychologie. "Ein Depot aus einzelnen Aktien muss man sinnvoll zusammenstellen. Breit streuen, zum Beispiel mit 50 Aktien, aus unterschiedlichen Branchen und Ländern. Das kriegt man kaum hin." Weber rät deswegen dazu, sich nach Fondsprodukten umzuschauen. Am besten nach solchen, die möglichst breit gestreute Aktienindizes nachbilden.

Illustration: Lisa Bucher (Foto: Lisa Bucher)

Diese Fonds werden ETFs genannt, ausgeschrieben "Exchange Traded Funds", börsengehandelte Fonds. Mit ihnen können Anleger direkt in einen Index wie den Dax, den Eurostoxx oder - im Sinne der Risikostreuung noch besser - in einen weltweiten Aktienindex wie den MSCI World investieren. In den vergangenen Jahren sind die Kosten für diese Indexfonds weiter gesunken. Auf private Investoren kommen pro Fonds nur noch Kosten zwischen 0,25 und einem Prozent der Anlagesumme zu. Im Gegensatz zu aktiv verwalteten Investmentfonds ist das sehr günstig, und der Anleger kann mit einem ETF stets genau nachvollziehen, in welche Wertpapiere er investiert. "Man sieht kristallklar, was man da kauft", sagt Weber.

Ein wichtiger Vorteil von ETFs steckt bereits im Namen: Fondsanteile werden wie einzelne Aktien über die Börse gehandelt. Um sie zu kaufen, benötigen Anleger lediglich ein Depot bei einer Direktbank oder einem Online-Broker. Über ein Wertpapierkonto bei der Hausbank funktioniert es auch, das kostet in der Regel aber deutlich mehr. Die meisten Depot- und Direktbanken bieten inzwischen kostengünstig Sparpläne an. Sie funktionieren simpel: Ein Kunde wählt einen oder mehrere Fonds aus und trifft mit seiner Bank oder seinem Broker eine Sparvereinbarung. So investiert ein Anleger monatlich einen zuvor festgelegten Betrag, beispielsweise 200 Euro, und passt ihn bei Bedarf an. Fondssparpläne gehören zu den ganz wenigen Anlagemöglichkeiten, die für fast alle Sparer infrage kommen.

"Ein Sparplan ist Gold wert", sagt Marco Herrmann, Geschäftsführer der Münchner Vermögensverwaltung Fiduka. Für private Anleger sei es nämlich so gut wie unmöglich, immer den richtigen Zeitpunkt zum Kaufen oder Verkaufen zu finden. "Wer in regelmäßigen Abständen Fondsanteile kauft, verdient langfristig mehr", ist er überzeugt. Kurzfristige Schwankungen fallen so mit der Zeit nicht mehr ins Gewicht. Wichtig ist dabei, möglichst lange einzuzahlen und nur Geld zu verwenden, das man nicht kurzfristig braucht. Wer in einem Börsentief seine Anteile verkaufen muss, hat das Nachsehen.

Allerdings sollten ETF-Käufer bedenken, dass sie mit ihren Fondsanteilen immer knapp unter der Entwicklung eines Index bleiben, wegen der Gebühren. Und: Sie können niemals eine Rendite erzielen, die über der Entwicklung eines gesamten Marktes liegt. Das geht nur mit einzelnen Aktien und den entsprechenden Risiken - oder mit aktiv gemanagten Fonds. Immer wieder schaffen es Fondsmanager vereinzelt, eine Zeit lang besser abzuschneiden als ein zum Vergleich herangezogener Aktienindex. "Langfristig schafft das aber fast keiner", sagt Finanzmarkt-Professor Weber. Das sollten Anleger wissen, wenn sie in aktiv verwaltete Fonds investieren.

Niedrige Zinsen, hohe Unsicherheit - wie soll man da noch sein Geld investieren? In der "Geldwerkstatt" erklären wir aktuelle Fragen zur Geldanlage. (Foto: SZ-Grafik)

Solche klassischen Investmentfonds sind außerdem teurer als ETFs. Kostet ein Aktienfonds beispielsweise zwei Prozent Gebühren pro Jahr, erzielt der Anleger erst dann eine positive Rendite, wenn die Fondsanteile innerhalb eines Jahres um mehr als zwei Prozent im Wert steigen. Wer auf aktive Fondsmanager setzen will, kann das ebenfalls per Sparplan tun. Eine gute Alternative sind dazu spezielle Fondsbanken wie Ebase, die FIL Fondsbank oder die Fondsdepot Bank, bei denen sich Anteile mithilfe von Internet-Fondsvermittlern günstig handeln lassen.

Martin Weber rät auch deswegen zu Fonds, weil sie die Selbstkontrolle erleichtern: Hat man sich für ein paar Produkte entschieden und einen Sparplan abgeschlossen, erliegt man nicht mehr den Versuchungen des Marktes - und kauft oder verkauft Aktien nicht emotional. Marco Herrmann ist überzeugt: "Für die meisten Anleger ist Market Timing keine Alternative." Beim Versuch, den richtigen Zeitpunkt für den Ein-und Ausstieg zu treffen, scheitern die meisten.

Trotzdem kann es Freude machen, auf einzelne Unternehmen zu setzen, Bilanzen zu lesen, zu bewerten, wo es im Vergleich zu seiner Konkurrenz steht. Man muss es ja nicht gleich so machen wie der eine Kunde von Marco Herrmann, der mehr als 70 weltweite Aktien in seinem Depot hat und zu jeder ein Dossier pflegt. Aber in diese Richtung sollte es schon gehen: Sonst lässt man sich auf ein Glücksspiel ein.

© SZ vom 22.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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