Geldwäsche in Russland:Putins Mann für Dollars

Es geht um Betrug, Erpressung, Geldwäsche und Korruption: Die Staatsanwaltschaft Frankfurt erhebt Anklage gegen einen kriminellen Kreis um den Putin-Vertrauten Leonid Reiman. Auch die Commerzbank ist in den Fall verwickelt.

Klaus Ott

Die Szene, die aus einem Agentenfilm stammen könnte, spielt in einem Hotel in London. Nach einigem Geplauder über sein Leben ("Es war früher so ruhig und angenehm") und seine Gesundheit ("Meine Rückenschmerzen bringen mich um") kommt ein Investmentbanker zur Sache. Er erzählt einem Anwalt von dunklen Geschäften und bittet um Rat. Es geht um Betrug und Erpressung, um Geldwäsche und Korruption, und das alles in Russland.

Svyazinvest chairman Reiman talks to Reuters in Moscow

Sein Name taucht in den Ermittlungsunterlagen immer wieder auf: Leonid Reiman, 54, von 1999 bis 2008 Minister für Telekommunikation unter Präsident Wladimir Putin, dann bis 2010 Berater von Putins Nachfolger Dmitrij Medwedjew.

(Foto: REUTERS)

Die Machenschaften reichten bis in höchste Kreise, bis in die Regierung. Wer in der aufstrebenden Telefonbranche des Riesenreiches mitmischen wolle, müsse hohe "Gebühren" zahlen, mal via Zypern, mal über die Karibik. Aber nicht in bar, denn das sei zu gefährlich. Und vorsichtig müsse man sein. Telefone würden abgehört, und auch sonst werde ständig spioniert: "Sie sind überall, an jeder Ecke, in jedem Restaurant, in jedem Nachtklub."

Die Unterhaltung hat am 6. September 2004 stattgefunden und ist auf 51 eng beschriebenen Seiten Wort für Wort dokumentiert. Der Investmentbanker hat das Treffen heimlich auf Video aufgenommen und als Zeuge bei einem Verfahren in Zürich eingereicht, von wo aus eine Abschrift später zum Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden gelangte. Eine Sonderkommission des BKA wertete die Abschrift und andere Beweismittel für mutmaßlich kriminelle Transaktionen akribisch aus. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt nach jahrelangen Ermittlungen Anklage gegen mehrere Geschäftsleute, Anwälte und Ex-Banker wegen Geldwäsche erhoben.

In der Anklageschrift wird auf mehr als 100 Seiten im Detail beschrieben, wie viele Millionen Dollar aus Russland herausgeschafft und anschließend mit Hilfe von Mittelsmännern quer durch Europa transferiert und dann über die Bermudas wieder zurückgeflossen sein sollen. Die Frankfurter Strafverfolger kümmern sich unter anderem deshalb um die mutmaßliche Geldwäsche, weil auch die dort ansässige Commerzbank in den Fall verwickelt war.

In den Ermittlungsunterlagen taucht ein Name immer wieder auf: Leonid Reiman, 54, von 1999 bis 2008 Minister für Telekommunikation unter Präsident Wladimir Putin, dann bis 2010 Berater von Putins Nachfolger Dmitrij Medwedjew. In den neunziger Jahren war Reiman erst Vizechef der staatlichen Telefongesellschaft in St. Petersburg und dann Mitbegründer eines privaten Telekommunikationskonzerns gewesen. In einem BKA-Bericht ist der Verdacht notiert, eine Gruppe um Reiman habe in Russland einen Schaden von 440 Millionen Dollar verursacht. Der Putin-Vertraute habe sich bei der Privatisierung von Staatsbetrieben bereichert und mit dem illegal erworbenen Vermögen später Anteile an Telefon-Unternehmen gekauft. Über ein System von Scheinfirmen sei schmutziges Geld in vermeintlich sauberes verwandelt worden.

Welche Rolle spielte der Ex-Minister?

Reiman hat diese und weitere Vorwürfe stets zurückgewiesen. Und die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau hat schon vor fünf Jahren erklärt, man habe beim damaligen Minister keinen Amtsmissbrauch feststellen können und es deshalb abgelehnt, ein Strafverfahren gegen ihn einzuleiten. Doch nun wird der Fall in Frankfurt aufgerollt - und dort, sofern die Anklage zugelassen wird, vor Gericht verhandelt. Dabei wird bestimmt auch Reimans Rolle zur Sprache kommen, und vielleicht auch, warum in Deutschland nie gegen ihn ermittelt wurde. Weil es politisch nicht opportun war? Das Auswärtige Amt sagt, man sei in dieser Sache weder von der Frankfurter Staatsanwaltschaft kontaktiert worden noch habe man darum gebeten, von Ermittlungen gegen Reiman Abstand zu nehmen.

Die Zurückhaltung der deutschen Strafverfolger beim russischen Ex-Minister steht in merkwürdigem Kontrast zu den vorliegenden Erkenntnissen. Reimann sei "Begünstigter" von Treuhandgesellschaften, heißt es in diversen Unterlagen. Es bestehe der Verdacht, dass er sich "Staatsvermögen unter Wert verschafft" habe. Ein in die fragwürdigen Geldtransfers verwickelter Geschäftsmann aus Indien sagte aus, das über mehrere Jahre hinweg geschaffene System von Firmen und Investmentfonds habe einzig und allein den Zweck gehabt, von Reiman unrechtmäßig erworbenes Vermögen zu waschen und zu verbergen.

Eine der Gesellschaften soll eine Tiller International Ltd. mit Sitz in der Karibik gewesen sein. Tiller hat Reiman einmal, als der noch nicht Minister war, einen Brief geschickt. Der Inhalt des Schreibens: Man habe 1,04 Millionen US-Dollar auf ein Konto von Reiman bei einer Schweizer Bank überwiesen und bitte nun um eine Bestätigung, dass damit alle Verpflichtungen erfüllt seien. Reiman möge eine beigefügte Kopie unterschreiben und zurücksenden. Das nennt man einen perfekten Service.

Der Russe soll in den neunziger Jahren als Vizechef des staatlichen Telefonbetriebs in St. Petersburg Geld beiseite geschafft und sich damit heimlich bei neuen Unternehmen (Peterstar, Telecominvest) eingekauft haben. Das sei über Treuhandfirmen geschehen, von denen eine auf der Isle of Man sitze. Von einer dortigen Firma liegt ein Schriftstück bei den Akten, wonach Reiman der eigentliche Eigentümer sei und dass man sich nach dessen Wünschen richte. Wie schön.

Um Reimans Rolle war es auch bei eingangs erwähnten Treffen eines Investmentbankers mit einem Anwalt in London gegangen. Der ziemlich nervöse Banker fragte, was er denn tun solle, und bekam vom Anwalt den Tipp, vorsichtig zu sein. Der Banker, der sich wohl mehr erwartet hatte, bedankte sich mit den Worten, dieser Ratschlag sei ja sehr hilfreich.

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