Flüchtlinge in Deutschland:Sie wollen arbeiten

Tausende Flüchtlinge kommen derzeit jede Woche nach Deutschland. Viele von ihnen sind bestens ausgebildet. Doch Deutschland nutzt diese Chance nicht. Wir stellen sechs Menschen vor, die nichts lieber tun würden, als hier zu arbeiten.

Von Hans von der Hagen

Irgendwann ging es nicht mehr. Das Geld war eh schon knapp. Und dann kam diese seltsame Krankheit dazu. Kein Arzt in Armenien vermochte zu sagen, was die Frau von Artur Gogoryan hatte. Bezahlen musste er die Mediziner trotzdem, offiziell und unter der Hand auch noch. Wie es in Armenien so üblich ist. Als das Geld aus war, verkaufte Gogoryan seine Wohnung. Und überlegte, wie es weitergehen könnte. In Deutschland sollten die Ärzte besser sein. Er ging zur Botschaft in Eriwan beantragte ein Touristenvisum; seine Familie durfte mitkommen.

Nun ist er hier in Deutschland. 2013 stellte Gogoryan seinen Asylantrag. Nicht, weil er politisch verfolgt wurde, sondern aus humanitären Gründen. Weil seine Frau schwer krank ist. Die Familie lebt in der Nähe von Nürnberg. Ein 22 Quadratmeter großes Zimmer teilt sich Gogoryan mit seiner Frau und den beiden Kindern, acht und 18 Jahre alt. Er selbst ist 48 und macht das, was hierzulande knapp 180 000 weitere Menschen machen müssen, über deren Asylantrag noch nicht entschieden wurde: warten.

Flüchtlinge in Deutschland: Artur Gogoryan

Artur Gogoryan

(Foto: Daniel Hofer)

Das ist nicht leicht für einen wie Gogoryan. Schon zu Schulzeiten schraubte er alles auseinander, wo Elektronik drinsteckte. Später wurde er an der Universität Eriwan zum Radio-Ingenieur ausgebildet. Gogoryan sagt lieber Radio-Elektro-Ingenieur, damit deutlich wird, dass er Elektrotechniker ist. Die unterschiedlichen Berufsbezeichnungen in den einzelnen Staaten sind oft ein Problem.

Nach dem Studium war er bei einem Unternehmen beschäftigt, das Radargeräte an die Rote Armee lieferte. Alles lief gut, doch Anfang der 90er Jahre kollabierte mit der Sowjetunion auch die Industrie Armeniens. Gogoryan musste sich etwas Neues suchen. Nicht leicht in einem Land, das bereits durch das gewaltige Erdbeben 1988 erschüttert worden war, später in den Krieg um die Region Bergkarabach verwickelt war, unter Wirtschaftsblockade stand und nur einmal am Tag für eine Stunde Strom hatte. Trotzdem fand Gogoryan etwas: Er übernahm den Garantieservice für die Firma Sharp. Gogoryan erzählt das alles mit scheinbar großer Ruhe - trotz der Krankheit seiner Frau, der fehlenden Arbeit, des engen Zimmers.

Wo er gerne arbeiten würde? Bei Siemens oder Bosch als Ingenieur, der immerhin Russisch, Armenisch, Englisch, Deutsch und ein wenig Georgisch sprechen kann. Einen Monat lang hat er das in Nürnberg im Rahmen eines Praktikums gemacht. Anfangs hatte er Sorge, dass die modernen Elektrogeräte in Deutschland zu kompliziert seien. Doch das war kein Problem. Elektronik ist eine Weltsprache.

Und nun? Seit Januar hat sich zumindest auf dem Papier die Situation für Flüchtlinge deutlich verbessert. Drei Monate nach Einreichung des Asylantrags dürfen sie sich eine Arbeit suchen. Davor mussten sie ein Jahr lang warten. Eine Stelle bekommen Asylbewerber freilich nur dann, wenn kein Deutscher, kein EU-Bürger und auch kein anerkannter Flüchtling sie haben möchte. Seit jeher bemüht sich Deutschland darum, auf viele Neuankömmlinge möglichst abweisend zu wirken. Auch Gogoryan bekommt das zu spüren. Andererseits gibt es viele, die ihm weiterhelfen: Die Leute vom Projekt Bleib beim Integrationsrat in Nürnberg, von der Kirche - und auch die Ärzte, die mittlerweile feststellten, dass seine Frau an Neuromyelitis optica leidet. Das ist eine tückische Krankheit, die Multipler Sklerose ähnelt.

Ansonsten ist nach anderthalb Jahren in Deutschland noch immer alles offen. Ob er bleiben darf? Artur Gogoryan weiß es nicht. Immerhin: Seine Tochter studiert jetzt hier Wirtschaft. Die sei wie er, sagt Gogoryan: "Immer muss sie etwas machen."

Neben Artur Gogoryan erzählen fünf weitere Personen in kurzen Protokollen ihre Geschichte.

Der Zauber des Benz

Amanullah Azami, 37 Jahre, Afghanistan

Wenn es nicht früher so viele Mercedes Benz auf den Straßen von Kabul gegeben hätte, wäre ich wahrscheinlich nie nach Deutschland gekommen. Aber diese Autos haben mich fasziniert. Die funktionierten so gut und hielten so lange. Als ich erwachsen wurde, habe ich mich dann im Internet informiert: Was ist das für ein Land, wo solche Autos hergestellt werden. Alles, was ich las, gefiel mir. Dass es echte Freiheit in Deutschland geben sollte. Und keine Korruption wie in Afghanistan.

Aber da war Deutschland noch weit weg, zunächst hatte ich ganz andere Sachen vor. Zum Beispiel Medizin studieren. Mein ältester Bruder hatte als Kind Osteomyelitis, eine Entzündung des Knochenmarks. Das war schlimm: Zwei Jahre musste er im Krankenhaus bleiben, meine Eltern waren ständig dort. Irgendwann sagte mein Vater mal, er wünsche sich, dass meine Schwester oder ich Medizin studieren würden.

Sein Wunsch wurde doppelt erfüllt: Wir haben es beide gemacht. Meine Schwester wurden Frauenärztin und ich Kinderarzt. 2003 habe ich mein Studium in Kabul abgeschlossen. Anschließend arbeitete ich sechs Monate im Krankenhaus in Kabul und hatte gleich großes Glück: Ich bekam eine Stelle als Chef in einer Mutter-Kind-Klinik in Ghazni, einer Großstadt in Afghanistan.

Flüchtlinge in Deutschland: Amanullah Azami

Amanullah Azami

(Foto: Jessy Asmus)

In Städten wie Ghazni gibt es kaum Arbeit. Die Stadt ist unsicher und die Wirtschaft liegt am Boden. Die Not ist so groß, dass dort Krankheiten wie Marasmus und Kwashiorkor weit verbreitet sind, also typische Folgen von Mangelernährung. Nach zwei Jahren wurde es auch mir dort zu unsicher. Darum ging ich nach Kabul zurück, arbeitete aber nicht mehr als Arzt, weil das Gehalt zu schlecht war. Stattdessen wechselte ich in den Bereich Logistik und Beschaffung für Organisationen wie die Weltbank und zuletzt für das Gesundheitsministerium. Doch das Leben ist so gefährlich in Afghanistan.

Seit einem Jahr bin in nun in Deutschland, in Augsburg. Es ist gut hier, es herrscht wirklich Freiheit. Als ich auf dem Spielplatz meine Gebete verrichtet habe, hat sich keiner daran gestört. Niemand stellte Fragen, man hat mich einfach machen lassen. Es gibt funktionierende Sozialsysteme, die Arbeit ist sauberer und einfacher und noch nie bin ich mit Korruption konfrontiert worden. Vor kurzem habe ich bei der Ausländerbehörde eine Aufenthaltsgestattung für weitere sechs Monate bekommen.

Momentan wohne ich mit meiner Familie in einem Flüchtlingsheim. Natürlich ist das Leben im Wohnheim nicht immer leicht. Da kommen viele Leute, viele Kulturen und viele Sprachen zusammen. Ich möchte Deutsch lernen, aber die meisten dort können die Sprache nicht. Küche und Bad teilen wir mit vier weiteren Familien. In Afghanistan hatte ich ein eigenes Haus, alles war da. Darum fragen mich manchmal meine Kinder: "Warum haben wir kein Haus und kein Auto mehr? Warum muss man eine Stunde auf die Küche warten?" Ich habe ihnen geantwortet: "Habt Geduld, irgendwann wird es sicher besser."

Uns wird an vielen Stellen geholfen: Meiner Frau beim Sprachkurs an der Kolpingakademie, bei dem Integrationsprojekt Tür an Tür, und bei der Caritas. Wenn man neu in diesem Land ist, braucht man diese Unterstützung. Wo sind welche Ärzte? Welche Fahrscheine muss man kaufen? Es ist wirklich nicht einfach, den Fahrkartenautomaten zu bedienen. Es wäre eine große Hilfe, wenn Flüchtlinge all diese Information in ihrer Muttersprache erhielten. Dann müssten sie auch nicht so oft Strafe zahlen in den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Sich wieder wie ein Mensch fühlen

Fallah M., 35 Jahre, Iran

Im Iran herrschte an den Hochschulen lange Zeit eine besondere Freiheit. Es durfte mehr gesagt werden als anderswo. Aber als Ahmadinedschad Präsident wurde, war das vorbei. Sieben Jahre lang habe ich an der Islamic Azad Universität Mathematik unterrichtet. Einmal, während einer politischen Diskussion, wurde ich heimlich von zwei Studenten gefilmt, die für den Geheimdienst arbeiteten. Später kamen die zu mir und wollten mich erpressen. Ich sollte ihnen gute Noten geben - oder sie würden die Videos an den Geheimdienst weiterreichen. Ich bin nicht drauf eingegangen. Ich selbst musste meine Noten hart erarbeiten, ich war einer der drei besten Studenten in Isfahan - und die wollten sie geschenkt? Das geht doch nicht. Der Job an der Universität war mein ganzes Leben. Es ist toll, Dozent zu sein. Aber nach dieser Geschichte mit dem Video musste ich mich verstecken. Zeitweise wusste nur mein kleiner Bruder, wo ich war.

Nun bin ich in Deutschland und versuche, Asyl zu bekommen. Anfangs wurde ich in Hubmersberg untergebracht. Das ist in Mittelfranken, ganz klein. Nicht einmal ein Dorf, ein paar Häuser nur. Schön, aber das Ende der Welt.

Flüchtlinge in Deutschland: Fallah M.

Fallah M.

(Foto: Daniel Hofer)

Es ist ja klar, dass man als Flüchtling keinen Blankoscheck für ein gutes Leben hat. Aber im Winter war das wirklich Wahnsinn, total isoliert. Irgendwann haben wir protestiert. Wir sind doch junge Menschen, haben wir gesagt. Wir müssen doch Deutsch lernen, damit wir hier bleiben können. Aber wie soll man das dort machen?

Mittlerweile wohne ich in Behringersdorf im Landkreis Lauf bei Nürnberg, mit 30 anderen in einem Flüchtlingsheim. Drei Jahre bin ich nun hier. Ich habe Albträume aus Angst vor der Antwort vom Bundesamt für Migration. Ich schlafe seit langem nur noch mit Tabletten. Nie weiß man, was morgen passiert. Diese Angst ist schrecklich. Muss ich morgen wieder weg? Ich brauche fast ein Stunde, um eine Seite im Buch zu lesen. Drei Mal habe ich versucht, die Prüfung an der Universität für den Masterstudiengang Mathematik zu machen. Eigentlich ist die ganz leicht, aber ich konnte mich nicht konzentrieren.

Am schönsten war es, als ich Mathe für Behinderte unterrichten konnte. Da fühlte ich mich wieder als Mensch, es hat Spaß gemacht. Aber es war nur ein Kurs, zehn Stunden insgesamt. Was ich sonst probiert habe, hat in letzter Minute nie geklappt: die Aushilfsstelle bei dem Unternehmen Retterspitz, die Praktikumsstelle in einer Bank, die Arbeit bei Aldi. Manchmal denke ich, die Leute haben Angst vor Ausländern.

Siemens kümmert sich

Ilgar und Ilaha Alili, 32 und 29 Jahre, Aserbaidschan

Ilgar Alili: Wir kommen aus Baku. Es ist eigentlich eine schöne Stadt, das Leben kann gut dort sein. Aber nur, solange man still ist. Aserbaidschan tut zwar so, als habe es eine Demokratie, aber es ist ein autoritärer Staat. Wer zu viel sagt, wird beobachtet. Wer anprangert, dass die Menschenrechte nicht beachtet werden, landet rasch im Knast. Probleme bekommt auch, wer wie meine Frau und ich die Oppositionspartei Musavat unterstützt. Da wird genau ausgewertet, wer etwa bei Facebook Aufrufe zu Demonstrationen teilt und unterstützt.

Ich habe als Planungs-, Projekt und Vertriebsingenieur gearbeitet. Zuletzt war ich für die Arbeitssicherheit in einem Ölterminal in Baku zuständig. Baku ist Ölstadt.

Flüchtlinge in Deutschland: Ilgar Alili und Ilaha Alili mit ihren beiden Kindern.

Ilgar Alili und Ilaha Alili mit ihren beiden Kindern.

(Foto: Daniel Hofer)

Ilaha Alili: Und ich habe Biologie studiert, um an einer Schule zu unterrichten. Außerdem bin ich gelernte Krankenschwester. Aber weil ich nebenher auch noch politische Artikel in einer Online-Zeitung geschrieben habe, durfte ich nicht an einer staatlichen Schule arbeiten. Nur im städtischen Kindergarten.

Ilgar Alili: Seit 2013 sind wir in Deutschland. Ich darf gerade ein Praktikum bei Siemens machen. Das ist etwas Besonderes: Das Unternehmen hat extra Praktikumsplätze für Flüchtlinge angeboten.

Das Programm ist jetzt erst gestartet: Zwei Personen, eine Frau und ich, wurden bislang dafür eingestellt. Es gab wohl sehr viele Bewerbungen. Ich bin im Human Resources Department und kümmere mich dort um den Arbeitsschutz. Genau wie in Baku. Es läuft zwei Monate, aber ob es später eine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung gibt, weiß ich nicht.

Außerdem habe ich mich für drei Stellen als Konstrukteur beworben, aber noch keine Antwort bekommen. Ich kenne mich gut mit der Software AutoCAD aus, die für Industrie-Design gedacht ist.

Ilaha Alili: Wenn ich wählen dürfte, dann sähe mein Leben so aus: Jetzt zunächst als Krankenschwester arbeiten, später, wenn mein Deutsch noch besser ist, als Biologielehrerin. Aktuell besuche ich einen privaten Deutschkurs. Die Deutschkenntnisse werden nach Buchstaben unterteilt, jeder Flüchtling kennt die Abkürzungen: Als Krankenschwester bräuchte ich das Niveau B2, was schon sehr gut ist. C2 wäre muttersprachliches Niveau. Ich habe mich auch schon bei der Arbeitsagentur gemeldet, aber die darf mich als Asylbewerberin nicht vermitteln, sondern nur beraten. Immerhin: Von einem Kindergarten habe ich schon ein Angebot erhalten.

Ilgar Alihi: Jetzt leben wir zu viert in einem Zimmer in Nürnberg, es ist ein bisschen größer als 30 Quadratmeter. Wenn man nichts zu tun hat, wird man darin verrückt. Nie weiß man, was morgen passiert, ständig die ganzen Gedanken. Da hilft es auch nicht, mit den anderen Asylbewerbern im Heim zu wohnen: Untereinander gibt es keine Unterstützung.

Abhängigkeit von anderen ist schlimm

Karim G., 43 Jahre, Iran

Es mag seltsam für manche seltsam klingen, aber Datenbanken finde ich spannend. Daten großer Unternehmen oder Organisationen zu ordnen und systematisieren - das gefällt mir. Ich habe Informatik studiert. Geboren wurde ich in Teheran, dort bin ich auch aufwachsen. Aber meine Familie hat sich politisch engagiert, daher musste ich 1987 mit meinem Bruder das Land verlassen. Über die Türkei bin ich nach Deutschland gekommen. Hier lebe ich seit 2010, aber arbeiten durfte ich bislang nicht.

Einmal hatte ich eine Stelle gefunden, bei einer Recycling-Firma, in der Verwaltung. Die hätten mir sogar eine Wohnung gegeben, aber das Arbeitsamt hat es nicht erlaubt, denn Asylbewerber dürfen nur nachrangig arbeiten. Das heißt: Erst wenn ein Arbeitgeber nachweislich keinen Bürger aus der EU für die Stelle finden kann, darf ich sie haben. Aber diesen Nachweis erbrachte die Recycling-Firma nicht.

Flüchtlinge in Deutschland: Karim G.

Karim G.

(Foto: Daniel Hofer)

Nun suche ich wieder nach Wohnung und Arbeitsstelle. Ein großes Problem bei der Arbeitssuche ist, dass ich keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis habe. Ich bin qualifiziert, aber bislang hatte ich keinen Erfolg. Am liebsten würde ich im Computer-Servicebereich arbeiten: Datenbanken aufbauen, Betriebssysteme betreuen, Programme schreiben oder Webseiten bauen. Oder auch junge Leute in diesem Bereich ausbilden.

Diese Arbeitslosigkeit ist schlimm. Den ganzen Tag weiß ich nicht, was ich machen soll. Seit vier Jahren bin ich in einem Wohnheim untergebracht. Erst kürzlich habe ich die Erlaubnis bekommen, eine eigene Wohnung zu finden, aber ohne Arbeit ist das schwierig. Nun bin ich weiter auf das Geld der Behörden angewiesen. Nichts ist schlimmer, als von anderen abhängig zu sein.

Keiner versteht das Wort Stomatologe

Wasfy Taher-Hama-Rahman, 52 Jahre, Irak

Ich bin in meinem Leben viel umhergezogen. Nach dem Abitur in Bagdad, 1982, ging ich nach Serbien. Es gab damals ein Angebot, in Belgrad Medizin zu studieren.

Es war nicht leicht in Serbien. Zunächst musste ich Serbokroatisch lernen, wie man die Sprache damals nannte. Das dauerte schon sechs Monate, das Studium selbst weitere fünf Jahre, hinzu kamen sechs Monate praktische Ausbildung. Dann war ich Stomatologe, so nennen sie dort die Zahnärzte. Seltsames Wort, oder? Als ich hier sagte, ich sei ein Stomatologe, hat das kein Mensch verstanden.

In Bagdad kennt man das Wort auch nicht. Dorthin bin ich nach dem Studium zusammen mit meiner Frau gezogen. Ich hatte sie während des Studiums in Belgrad kennengelernt. In Bagdad habe ich zunächst zwei Jahre in einem großen Krankenhaus gearbeitet und anschließend meine eigene Praxis eröffnet. Von 1992 an hatte ich sie fast 20 Jahre. Doch immer gab es Krieg. Erst zwischen Iran und Irak, dann zwischen Irak und den USA wegen Kuwait. In der Heimat meiner Frau in Serbien gab es ebenfalls Krieg. Die letzten Jahre in Bagdad waren schlimm, aber wenn ich jetzt über Politik spräche, würde ich zwei Tage lang nicht mehr aufhören zu reden.

Flüchtlinge in Deutschland: Wasfy Taher-Hama-Rahman

Wasfy Taher-Hama-Rahman

(Foto: Jessy Asmus)

2011 bin ich nach Deutschland gekommen. Ich bin froh, dass Deutschland eine multikulturelle Gesellschaft hat. Hier können wir in Frieden leben und es gibt eine Chance auf eine bessere Zukunft. Aber auch der Beruf Zahnarzt ist nicht unbedingt willkommen. Als ich zum ersten Mal zum Jobcenter ging, interessierte es die nicht, dass ich Arzt bin. Die wollten mich möglichst rasch in irgendeine Stelle vermitteln - egal was.

Aber ich will natürlich als Zahnarzt arbeiten. Dafür brauche ich eine Zulassung, die Approbation. Ich habe zwar eine Berufserlaubnis, mit der dürfte ich allerdings nur Privatpatienten betreuen. Die Approbation bekomme ich erst, wenn ich die sogenannte Gleichwertigkeitsprüfung abgelegt habe. Die soll belegen, dass meine Ausbildung einer deutschen ebenbürtig ist. Um die Prüfung zu bestehen, muss ich in Berlin einen Vorbereitungskurs machen, der kostet 9200 Euro. Die Prüfung selbst kostet weitere 5000 Euro. Ich hoffe, dass das Jobcenter das übernimmt.

Ich habe gehört, dass in Deutschland Zahnärzte zwischen 5000 und 10.000 Euro verdienen. Da könnte ich die Kosten in wenigen Monaten zurückzahlen. Wenn alles klappt wie erhofft, könnte ich bis zum Jahresende Zahnarzt sein.

Derzeit wohne ich mit meiner Familie in einer Wohnung. Die Miete liegt bei 700 Euro monatlich und wird vom Jobcenter bezahlt. Als ich ankam, erhielt ich ein Taschengeld von 40 Euro im Monat plus Unterkunft und Essen. Mittlerweile bin ich anerkannter Flüchtling und Arbeitslosengeld II, also 360 Euro im Monat. Davon können wir nur leben, weil wir extrem sparsam sind. Wie es danach weitergeht, wissen wir nicht.

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