Fitch, Moody's und Standard & Poor's:EU beschließt neue Regeln für Rating-Agenturen

Die Regeln für Rating-Agenturen werden geändert, doch ihre Macht bleibt ungebrochen. Kritiker bemängeln, dass die neuen Regeln "nur ein bisschen besser" als die alten seien. Außerdem fehle ein echter Konkurrent zu den drei dominierenden US-Agenturen.

Von Cerstin Gammelin, Straßburg

Der für Finanzdienstleistungen zuständige Kommissar Michel Barnier betätigte sich am Mittwoch im Europäischen Parlament in Straßburg als Wahrsager. Kurz vor zwölf Uhr mittags erklärte der konservative Franzose, er gehe davon aus, dass die Europaabgeordneten in wenigen Minuten "nahezu einstimmig" dem Gesetzespaket zustimmen würden, dessen Paragrafen ab April 2013 Rating-Agenturen stärker an die Leine nehmen sollen.

Um kurz nach zwölf Uhr stimmten die Abgeordneten ab - und tatsächlich votierten beinahe 600 der 694 anwesenden Volksvertreter für die neuen Regeln. Und Barnier freute sich. Das Ziel, die Macht der großen Rating-Agenturen zu brechen, sei erreicht. "Wenn wir hartnäckig arbeiten, sind wir auch erfolgreich", sagte Barnier im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

Im Lager der parlamentarischen Opposition war die Freude weniger groß. Er habe nur mitgestimmt, weil die neuen Regeln "an einigen Stellen ein bisschen besser sind" als die bisherigen, sagte Sven Giegold, Finanzexperte der Grünen. An der Macht der großen Rating-Agenturen Moody's, Fitch oder Standard & Poor's und der starren Struktur des praktisch aufgeteilten Marktes änderten die Gesetze praktisch nichts. "95 Prozent des Marktes bleiben in der Hand von drei Unternehmen", kritisierte er. Und auch an deren geschätzter Umsatzrendite von 40 Prozent werde sich nichts ändern. Kommissar Barnier habe es gar nicht erst versucht, diese Umsatzrendite mit einer Sondersteuer zu belegen. Die Aktionäre verdienten weiterhin "goldene Nasen".

Die neuen Regeln gelten sowohl für die Bewertung von Staaten als auch Unternehmen. Danach dürfen Rating-Agenturen nur noch an mindestens zwei, höchstens aber an drei vorab bekannt gegebenen Terminen pro Jahr unaufgefordert europäische Staaten bewerten. Diese Termine sollen jeweils am Ende des ablaufenden Jahres für das kommende Jahr festgelegt werden. Zudem dürfen die Agenturen ihre Bewertungen erst dann veröffentlichen, wenn die europäischen Börsen geschlossen sind und mindestens eine Stunde vor Wiedereröffnung. Die Agenturen müssen die Kriterien ihrer Bewertung offenlegen.

Schutz vor Panik an den Märkten?

Giegold zufolge ist dieser Rating-Kalender "dehnbar angelegt". Die Agenturen erhalten zusätzlich das Recht, Staaten in bestimmten Situationen auf- und abwerten zu können. Damit sei nicht ausgeschlossen, dass sie auch künftig unmittelbar vor EU-Gipfeln kriselnde Staaten benoten und damit indirekt Rettungspläne beeinflussen könnten.

Neu ist auch, dass Agenturen künftig für Schäden, die sich aus falschen Bewertungen oder aus dem Verstoß gegen europäische Auflagen ergeben, etwa gegen den Kalender zur Veröffentlichung von Staaten-Ratings, verantwortlich gemacht werden können. Schadenersatz gibt es allerdings nur, wenn die Agenturen nachweislich grob fahrlässig handelten oder absichtlich falsche Noten vergaben. Dies muss vom Geschädigten nachgewiesen werden.

Das größte Manko sieht Giegold darin, dass die Kommission darauf verzichtet, eine europäische, unabhängige Rating-Stiftung aufzubauen - und damit einen echten Konkurrenten zu den drei dominierenden Agenturen. Zugleich habe Barnier nichts unternommen, die kleinen Agenturen zu fördern, die die restlichen fünf Prozent des Marktes ausmachen. Damit die kleinen Agenturen wachsen könnten, hätte Barnier verbindliche Zweitratings für Unternehmen oder Produkte vorschreiben können - jeweils von kleineren Konkurrenten. Damit hätten diese sich einen Ruf in der Branche erarbeiten können.

Zu den wenigen Verbesserungen gehören die Vorschriften, wonach die Rating-Agenturen nicht vollständig im Besitz der bewerteten Unternehmen oder ihrer Klienten sein dürfen. Dadurch soll Interessenkonflikten vorgebeugt werden. Neu ist zudem, dass neben den Buchstaben-Ratings wie AAA auch ein Zahlensystem eingeführt wird. Dieses soll etwa die Wahrscheinlichkeit angeben, mit der Firmen oder Staaten Verbindlichkeiten nicht bedienen können. Das soll vor Panik an den Märkten schützen - sagt Barnier.

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