Finanzpolitik:Europa schafft die Bankenunion

Die längsten Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen sind zu Ende: Europäisches Parlament und Mitgliedsstaaten haben sich endlich geeinigt, wie Banken einfacher abgewickelt, das Finanzsystem geschützt werden soll. Dafür sollen sie in wenigen Jahren 55 Milliarden Euro herausrücken.

Der Bundesfinanzminister findet große Worte. "Die Europäische Bankenunion ist das größte europäische Projekt seit Einführung des Euro", erklärt Wolfgang Schäuble (CDU) nach dem Ende des Konflikts mit dem EU-Parlament über die Abwicklung maroder Banken in Europa. "Dass wir innerhalb von einem Jahr in den zentralen Punkten zu einem Ergebnis gekommen sind, ist ein großer Fortschritt für Europa."

Das klingt fast schon ironisch, waren doch die Beratungen zwischen EU-Parlament, Mitgliedsländern und EU-Kommission nach Angaben von Parlamentariern die längsten, die es je gegeben hat. Erst an diesem Donnerstag nach einer Nachtsitzung hatten sich Unterhändler der drei Institutionen auf einen Kompromiss geeinigt: Auf die Finanzbranche kommen nun höhere Lasten zu.

Ziel der einheitlichen Abwicklungsregeln ist es, dass Steuerzahler künftig bei Bankpleiten weniger zur Kasse gebeten werden - stattdessen müssen Aktionäre, Gläubiger und Sparer mit hohen Einlagen in Banken mehr bluten. Diese Vorgaben sind neben der gemeinsamen Aufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank die zweite Säule der Bankenunion in Europa, mit der die Finanzbranche besser vor Krisen geschützt werden soll.

Der Abwicklungsfonds soll nun in acht statt wie bisher geplant in zehn Jahren von den Banken aufgebaut werden, heißt es in dem Kompromisspapier, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Das gilt sowohl für die Einzahlung als auch für die Vergemeinschaftung der Gelder. Zunächst zahlen die Banken ihre Abgaben in nationale "Kammern" des Fonds.

Die Geldhäuser müssen damit in kürzerer Zeit mehr schultern, um die angepeilte Summe von 55 Milliarden Euro aufzubringen. Wie genau sie die Gebühren ausgestalten, muss noch von der EU-Kommission und den EU-Finanzministern ausgehandelt werden.

Die drei Pfeiler der Bankenaufsicht

Die europäische Bankenunion soll auf drei Pfeilern gründen: der Bankenaufsicht, der Bankenabwicklung und der Einlagensicherung. Die zentrale Bankenaufsicht ("Single Supervisory Mechanism" / SSM) wird unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) am 4. November 2014 ihre Arbeit aufnehmen.

Die gemeinsamen Regeln zur Bankenabwicklung ("Single Resolution Mechanism" / SRM) sollen von 2016 an greifen, wenn europäische Banken saniert bzw. im Notfall geschlossen werden müssen. Der dritte Pfeiler der Einlagensicherung soll die Bankguthaben der Europäer grenzübergreifend schützen. Er muss noch verhandelt werden.

Streit hatte es lange Zeit vor allem darüber gegeben, wer am Ende die Entscheidung treffen soll, dass eine Bank schließen muss. Dem nun gefundenen Kompromiss zufolge soll ein solcher Prozess in erster Linie von der EZB-Aufsicht angestoßen werden.

Schließung innerhalb von 24 Stunden

Anschließend befasst sich das Steuerungsgremium des Fonds, das sogenannte Board, mit dem Fall. Die EU-Kommission kann das Votum des Boards billigen oder zurückweisen und soll zudem den Ministerrat informieren. Die Abwicklung soll innerhalb von 24 Stunden eingeleitet werden, wenn EU-Kommission und Mitgliedsländer keinen Einspruch erheben.

Kritiker hatten vorherige Vorschläge als zu kompliziert kritisiert, um im Krisenfall rasch einen tragfähigen Beschluss fassen zu können. Auf Druck der Parlamentarier werden nun die Entscheidungswege bei dem komplizierten Bankenabwicklungssystem vereinfacht. Problembanken könnten über ein Wochenende hinweg abgewickelt werden, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Der SPD-Politiker ist zufrieden. "Die Fraktionsvorsitzenden werden den Fraktionen empfehlen, diesen Kompromiss anzunehmen", sagte er in Brüssel. "Wir haben einen fairen Kompromiss erreicht zwischen Europaparlament und dem Rat."

Die Unterhändler standen unter Zeitdruck, weil das EU-Parlament die Beschlüsse noch verabschieden muss, bevor es Mitte April vor den Europawahlen ein letztes Mal tagt. Neben dem Parlament müssen auch die Mitgliedsländer dem nun gefundenen Kompromiss noch zustimmen.

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