Euro-Krise:An Spanien sollen die Wellen brechen

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Rettet Spanien, koste es, was es wolle: So lautet die Devise der Euro-Länder. Auf keinen Fall dürfe das Land unter den Rettungsschirm schlüpfen. Deshalb wird an einem geheimen Plan gearbeitet, um den Krisenstaat und damit die Währungsunion zu stabilisieren. Dazu sollen auch neue Instrumente der Rettungsfonds EFSF und ESM zum Einsatz kommen, die bislang noch nie benutzt wurden.

Cerstin Gammelin, Brüssel

Vor zwei Jahren wäre es ein absurdes Szenario im medialen Sommerloch gewesen. Jetzt ist es Ernst. Der Klub der 17 Euro-Länder kämpft um sein Überleben und um den Euro, die gemeinsame Währung. Die Euro-Länder und ihre Institutionen nutzen die normalerweise ruhigen Sommermonate, um eine gemeinsame Aktion vorzubereiten, die nicht schiefgehen darf.

"Spanien ist unser Bollwerk gegen die Märkte": Die Euro-Länder wollen das Land so stark wie möglich unterstützen, damit es es nicht vollständig unter den Rettungsschirm schlüpfen muss. (Foto: dpa)

Wann sie stattfindet, ist offen. Vielleicht in einigen Tagen, vielleicht in einigen Wochen. Sie soll vorher nicht angekündigt werden. Es soll eine Aktion sein, die praktisch auf Knopfdruck gestartet werden kann - wenn der Notfall da ist. Die Prominenz der Euro-Länder - Mario Draghi, Angela Merkel, François Hollande, Mario Monti und Jean-Claude Juncker - beschrieb sie in den vergangenen Tagen so: "Wir sind bereit, alles zu tun, um die Währungsunion zu stabilisieren." Übersetzt in den allgemeinen Sprachgebrauch heißt das "volle Feuerkraft für die Euro-Zone".

Hinter streng verschlossenen Türen erzählen hohe EU-Diplomaten, wie die Strategie aussieht. Ziel aller Maßnahmen: Der Domino-Effekt der Krise muss bei Spanien gestoppt werden. Das bedeutet, es darf keines der großen Euro-Länder komplett unter den Rettungsschirm schlüpfen. Auch die viertgrößte Volkswirtschaft der Gemeinschaft nicht. Spanien muss unter allen Umständen am Markt bleiben, seinen Haushalt aus eigener Kraft finanzieren.

Die Euro-Länder können Spanien über den Euro-Rettungsfonds EFSF Kredite für seine Banken geben oder auch Staatsanleihen aufkaufen lassen, um so die Zinskosten zu drücken. Aber es darf keinesfalls passieren, dass Spanien unter Kuratel gestellt werden muss wie zuvor Griechenland, Irland und Portugal. Und das aus einem simplen Grunde: "Wenn Spanien umfällt, ist Italien dran. Und Italien können wir nicht mehr retten. Und das wäre dann das Ende der Währungsgemeinschaft", sagt ein hoher EU- Diplomat.

"Spanien ist unser Bollwerk gegen die Märkte", heißt es am Montag in Brüssel. Der spanische Finanzminister Luis de Guindos formulierte es vor einigen Tagen so ähnlich. Spanien sei jetzt der "Wellenbrecher", um das dahinter liegende Euro-Land vor den Angriffen der Finanzmärkte zu schützen.

Den Wellenbrecher Spanien wollen die Euro-Länder nun so stark wie möglich unterstützen. Neben den Krediten von bis zu 100 Milliarden Euro als Hilfen für die Banken des Landes sind sie auch bereit, der Regierung in Madrid bei der Refinanzierung ihrer Staatsschulden unter die Arme zu greifen.

Sie würden dazu ein Instrument nutzen, das die beiden Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM bereithalten, das aber noch nie eingesetzt wurde. Dieses Instrument ist der Aufkauf von Staatsanleihen aus dem Markt heraus. Dabei kann der Fonds sowohl neue als auch bereits gehandelte Anleihen erwerben - natürlich nur unter bestimmten Voraussetzungen und gegen Auflagen.

Die Voraussetzungen sind im Falle Spaniens so gut wie erfüllt. Das Land hat die bereits erwähnten Bankenhilfen zugesichert bekommen, um seine Geldinstitute zu sanieren. Denn der Fonds darf nur die Anleihen eines Landes kaufen, dessen Bankensektor keine Probleme hat. Zweite Voraussetzung ist ein Gutachten der Europäischen Zentralbank. Die Notenbank muss der Euro-Gruppe, also den Euro-Finanzministern, mitteilen, ob sie es für sinnvoll hält, am Markt zu intervenieren. Dieses Gutachten ist erstellt.

Zudem hat die Europäische Zentralbank mit dem EFSF einen Vertrag unterzeichnet, in dem vereinbart ist, dass sie in seinem Namen und auf seine Rechnung Anleihen ersteht. In einigen Euro-Ländern bedürfen die Aufkäufe zudem des grünen Lichts durch das Parlament.

In Deutschland muss das sogenannte Neuner-Gremium zustimmen. Dieses besteht aus Haushaltspolitikern aller Fraktionen. Auf diese Weise soll Vertraulichkeit gewährleistet werden, denn die Aktionen der Europäischen Zentralbank finden im Geheimen, ohne vorherige Ankündigung statt. Anders als bei umfassenden Hilfsprogrammen oder dem kürzlich beschlossenen Paket für Spaniens Banken ist deshalb vereinbart, dass nicht das gesamte Plenum tagt. Ob die Neuner-Gruppe schon beraten hat, war am Montag nicht bekannt.

Ausgelöst wird der Aufkauf durch einen Antrag aus Spanien, der per E-Mail oder Telefax bei der Euro-Gruppe eingehen muss. Wie aus gut informierten Kreisen dazu verlautete, kann die Europäische Zentralbank "ungefähr zehn Minuten nach Eingang des Antrags am Markt tätig werden". Da der Erfolg der Aktion von strikter Geheimhaltung abhänge, sei vorgesehen, den Eingang des Antrags erst bekannt zu geben, "wenn alles vorbei ist".

Klappt der Einsatz dieses Instruments wie geplant, sehen die Euro-Retter noch ein großes Problem: Es ist das Volumen der Rettungsfonds. In dem provisorischen Fonds EFSF sind abzüglich der Bankenhilfen für Spanien noch rund 140 Milliarden Euro. Das ist zwar viel Geld.

Andererseits lehrt die Erfahrung der letzen Krisen-Monate, dass sehr schnell neue Unsicherheiten im Markt entstehen können, wenn darüber spekuliert wird, ob das Geld reicht. Um diese Diskussionen ein für allemal zu beenden, haben innerhalb der Euro-Länder und ihrer Institutionen nun erstmals ernsthaft Gespräche darüber begonnen, die Rettungsfonds mit einer Banklizenz auszustatten. Dann könnte sich der Fonds bei Bedarf Kredite bei der Europäischen Zentralbank besorgen. Bis dahin ist es ein langer Weg. Der EU-Vertrag müsste wahrscheinlich geändert werden. Aber eins ist sicher: Der Fonds hätte dann maximale Feuerkraft.

© SZ vom 31.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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