Entscheidung im Europäischen Parlament:Banken im Blick

Europäische Bankenaufsicht

Banken im Visier: ein Fernglas mit Blick auf das Frankfurter Finanzviertel.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Schon werden die Stellenanzeigen für Chef-Aufseher und Verwaltungsleute ausgeschrieben. Das Europäische Parlament macht den Weg frei für eine gemeinsame Aufsicht der Geldkonzerne. Ein erster Schritt - doch EU-Kommissar Rehn warnt vor einem "anhaltenden Mangel an Vertrauen rund um den Bankensektor".

Von Cerstin Gammelin, Vilnius, und Markus Zydra, Frankfurt

Es war beinahe eine Todeserfahrung für die westliche Welt. Vor fünf Jahren musste die drittgrößte Investmentbank der Welt, Lehman Brothers, Konkurs anmelden - die unerwartete Pleite drohte die Volkswirtschaften Amerikas und Europas in den Abgrund zu reißen. Seither mühen sich Amerikaner und Europäer, dafür zu sorgen, dass sich eine solche Krise nicht wiederholt. Aber es geht nur langsam voran.

EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn warnte deshalb am Donnerstag im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung davor, sich mit dem Erreichten zufriedenzugeben. "Die Krise ist nicht vom Himmel gefallen", sagte er. "Sie war das Ergebnis von falschem oder unterlassenem Handeln. Politiker und Banker haben Risiken unterschätzt oder ignoriert und zugelassen, dass Banken und Regierungen über ihre Verhältnisse leben", übte Rehn scharfe Kritik an den damals Verantwortlichen.

"Die Ursache der Krise war, zusammengefasst, ein Sieg der Hybris über die Klugheit", sagte Rehn. Europa dürfe deshalb "nie wieder so nachlässig sein". Nationale, europäische und internationale Politiker müssten "aufmerksam bleiben und dafür sorgen, dass die Erfahrung der Finanzkrise, die im September 2008 offen ausbrach, dort bleibt, wo sie hingehört: in den Geschichtsbüchern". Rehn begrüßte, dass das Europäische Parlament an diesem Donnerstag die gesetzlichen Grundlagen für die zentrale Aufsicht über Europas Banken verabschiedet hat. Dies sei ein wichtiger Schritt, gleichwohl "liegt noch viel Arbeit vor uns".

Zum 1. Januar 2014 soll ein Chef-Bankenaufseher seinen Job antreten

Damit wird die Europäische Zentralbank (EZB) voraussichtlich ab Herbst 2014 die Aufsicht über die rund 130 systemrelevanten Großbanken in der Euro-Zone übernehmen, die 85 Prozent der Bilanzsumme aller Institute in den 17 Euro-Staaten ausmachen. "Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer Bankenunion, die das Kernelement einer wahren Wirtschafts- und Währungsunion darstellt", sagte EZB-Präsident Mario Draghi am Donnerstag.

Die EZB betritt mit der Übernahme der Bankenaufsicht neues Terrain. Jetzt, nachdem die rechtlichen Hürden genommen sind, muss die EZB eine Mannschaft für die Aufsicht formieren. Viele der Stellenanzeigen für etwa 1000 Bankenaufseher und Verwaltungsleute liegen bereits in den Schubladen der Personalabteilung, die Positionen werden nun sukzessive ausgeschrieben.

Auch der Vorsitz des künftigen europäischen Bankenaufsichtsgremiums der EZB, das Supervisory Board, wird ausgeschrieben. Zwar wird schon lange die französische Bankenaufseherin Danièle Nouy als Kandidatin gehandelt, doch die Formalien der Besetzung sind streng. Die EZB muss dem Europäischen Parlament, das ein Mitspracherecht ausgehandelt hat, mindestens zwei Kandidaten für den Posten vorschlagen.

Dieser Rekrutierungsprozess könnte unter normalen Umständen fast bis ins Frühjahr 2014 andauern. Deshalb versuchen EZB und Europäisches Parlament laut SZ-Informationen, das Prozedere so abzukürzen, dass Europas Chef-Bankenaufseher zum 1. Januar 2014 die Geschäfte aufnehmen kann. Die Zeit drängt.

Die EZB möchte im ersten Halbjahr 2014 eine Bilanzüberprüfung bei den Banken durchführen, deren Aufsicht sie übernimmt. Die Regeln, wie diese Bilanzüberprüfung durchgeführt wird, sollen bis Ende des Monats ausgearbeitet sein. EZB-Präsident Draghi hat angekündigt, Mitte Oktober die Details zu veröffentlichen.

Weiter Diskussion über europäischen Abwicklungsmechanismus

Die EZB soll für Institute mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro oder mehr als 20 Prozent der Wirtschaftsleistung eines Landes zuständig sein. Unabhängig davon beaufsichtigt die Notenbank zumindest die drei bedeutendsten Institute eines teilnehmenden Staates. Ferner soll die EZB Institute kontrollieren, die vom Euro-Rettungsfonds direkt gestützt werden. Die Trennung von Geldpolitik und Bankenaufsicht soll durch Einrichtung des neuen Gremiums Supervisory Board in der EZB sichergestellt werden.

Neben dem Aufbau der Bankenaufsicht geht die Diskussion über einen europäischen Abwicklungsmechanismus für Banken weiter. Hintergrund ist die Überzeugung, dass eine zentrale Bankenaufsicht nur dann glaubwürdig sei, wenn es auch ein zentrales Abwicklungsregime gebe. Der Juristische Dienst des Europäischen Rates äußerte am Donnerstag rechtliche Bedenken gegen die Vorschläge von EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, der für eine zentrale Abwicklungsbehörde plädiert. Die geplante Richtlinie dafür will die EU-Kommission bis Ende des Jahres unter Dach und Fach bringen. Bis 2015 soll das Abwicklungsmodell umgesetzt sein.

Der vor allem in Deutschland umstrittene Vorschlag sieht vor, dass die EU-Kommission darüber entscheidet, welche Bank im Ernstfall abgewickelt wird. Die EZB ihrerseits pocht aber ebenfalls darauf, Pleitebanken zu identifizieren und an die Abwicklungsbehörde weiterzureichen. EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Rehn mahnte an, nationale Interessen hinter europäische zu stellen. Zuerst die Finanzkrise und später die Euro-Krise hätten gezeigt, "dass wir uns nicht wirklich schützen können, wenn wir nicht gemeinsam entscheiden in der Haushaltspolitik und bei der Bankenaufsicht".

Mangel an Vertrauen beseitigen

Rehn bescheinigt den europäischen Politikern und Bankern, heute viel besser auf Krisen vorbereitet zu sein als damals. Europa habe Regulierung und Aufsicht verbessert, die Banken müssen ihre Geschäfte mit einem höheren Anteil an Eigenkapital absichern. Zugleich bestünden noch große Risiken, vor allem in der Euro-Zone. "Die finanzielle Zersplitterung zwischen dem Inneren und der Peripherie der Euro-Zone, die es immer noch gibt, beruht zum großen Teil auf dem anhalten Mangel an Vertrauen rund um den Bankensektor." Dieser Mangel an Vertrauen müsse zügig und "mutig" beseitigt werden.

Auch das EU-Parlament sieht Europa nach der erfolgreichen Verabschiedung der gesetzlichen Grundlagen für die Bankenaufsicht besser auf Krisen vorbereitet. "Wir werden Krisen niemals ganz ausschließen können, aber wir können uns besser darauf vorbereiten", sagte Burkhard Balz, CDU-Finanzexperte im EU-Parlament, der SZ. Die Aufsicht sei ein erster Schritt dazu.

In den nächsten Wochen werde das Parlament über die nächsten Schritte abstimmen, darunter über Regeln zur Abwicklung kranker Banken und eine gemeinsame Einlagensicherung.

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