Energie: Röttgen:Da fällt der Hammer - Auktion für Atomstrom?

Was tun, wenn die Staatskasse blank ist? Umweltminister Röttgen rechnet durch, wie sich die Restlaufzeiten der Atommeiler über Auktionen zu Geld machen lassen. Die Opposition sieht "russisches Roulette".

Atomstrom kostet Geld und lässt sich vielleicht gut zu Geld machen: Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), einer von Merkels Problemministern und ideologisch eher bei den Grünen als bei manchen Konservativen aufgehoben, wagt sich mit einem munteren Vorschlag aus der Deckung.

Kühltürme des bayerischen Atomkraftwerks Grundremmingen.

Einfach mal abkassieren: Umweltminister Röttgen überlegt, ob sich die verlängerten Laufzeiten der Kraftwerke zu Geld machen lassen.

(Foto: ddp)

Die verlängerten Restlaufzeiten der Atommeiler könnten via Auktion versteigert werden, glaubt der Christdemokrat, der bisher entgegen mancher Proteste aus der CDU und der Wirtschaft am rot-grünen Abschaltszenario festhalten wollte. "Das ist ein interessanter Vorschlag, der eine ernsthafte Prüfung verdient", sagte Röttgen der Financial Times Deutschland. Vorbild ist die Auktion von UMTS-Mobilfunklizenzen im Jahr 2000 - gut 50 Milliarden Euro hatte der Bund damals eingenommen.

Röttgens Idee: Die Regierung würde nach diesem Modell zusätzliche Laufzeiten in Strommengen umrechnen, die die Betreiber dann in kleinen Portionen ersteigern müssten. Transparenz, Marktwirtschaft - alles wäre dabei, und kein AKW-Betreiber könnte sich hinterher beschweren. So läuft es ja auch im Emissionshandel mit Verschmutzungsrerchten.

Auch das Volk würde vermutlich brav den Mund halten - trotz des aufgeheizten Themas Atomstrom. Trotz der Diskussion, ob es in der Kernkraft einen Ausstieg aus dem Ausstieg geben soll.

Kritik aus der Opposition an seinen Auktionsplänen wies Röttgen zurück. Sicherheitsanforderungen an die Kernkraftwerke würden "unabhängig von der noch zu bestimmenden Variante der Gewinnabschöpfung" festgelegt, sagte er der Süddeutschen Zeitung. Sie seien "selbstverständlich Voraussetzung von Laufzeitverlängerungen". Politiker von SPD und Grünen hatten kritisiert, die Bundesregierung werde im Falle einer solchen Auktion notfalls die Sicherheitsstandards absenken, um höhere Erlöse zu erzielen. Röttgen schloss das aus. "Es ist völlig klar: Weniger Sicherheit darf nicht zu höheren Gewinnen führen."

Ein übler Flopp

Unabhängig von der Sicherheitsfrage könnte Experte Röttgen sich mit seiner Idee schnell verrechnen. Eine zweite und vor allem mit viel Tamtam über Jahre angekündigte UMTS-Auktion ist beispielsweise übel gefloppt. Erst im Frühjahr dieses Jahres war ein Spektrum von 359,2 Megaherz im Auftrag des Bundes unter den Hammer gekommen.

Die Nachfrage hielt sich in Grenzen. Gerade einmal 4,4 Milliarden Euro erlöste die Bundesnetzagentur aus der Frequenzversteigerung - eine echte Schlappe für den dauerklammen Bund.

Doch bedeutet das UMTS-Desaster aus dem Frühjahr automatisch ein schlechtes Omen für eine mögliche Versteigerung von längeren Laufzeiten für Kraftwerke?

Tatsächlich würde eine Auktion vor allem dem Wettbewerbsgedanken gerecht. Und: Warum sollte der zahlungskräftigen Energiewirtschaft auch nur eine Terrawattstunde geschenkt werden? Röttgens Vorstoß ist also im Prinzip eine gute Idee, die blanke Kasse des Bundes zumindest ein bisschen aufzufüllen.

Minister Röttgen erhält wenigstens schon mal Rückendeckung aus der eigenen Partei - vom energiepolitischen Sprecher der CDU, Thomas Bareiß. Röttgens Parteikollege äußert Sympathie für die AKW-UMTS-Strategie: "Ich kann mir eine Auktionierung gut vorstellen. Alles, was wir sonst machen würden, wäre ein Deal und damit angreifbar." Auch der FDP-Umweltpolitiker Horst Meierhofer äußert sich positiv und lobt die marktwirtschaftliche Lösung.

Das Umweltministerium erklärt, das Versteigerungsmodell befände sich noch in der Prüfung. Klar sei, dass die Sicherheitsanforderungen an die Reaktoren bei einer Verlängerung der Laufzeiten ebenfalls eine Rolle spielen müssten, so eine Sprecherin. Die Kosten müssten die Konzerne bei einer Ersteigerung von Laufzeiten dann also mit berücksichtigen. Die Sprecherin macht zudem deutlich, dass eine Auktionierung losgelöst von der ohnehin vom Finanzministerium geplanten Brennelementesteuer sei, die jährlich 2,3 Milliarden Euro für den Haushalt bringen soll.

Zurückhaltung in Reinkultur

Und die Betreiber? Die Betreiber reagieren erst einmal zurückhaltend. Die Großkonzerne RWE aus Essen und EnBW aus Stuttgart wollen den Vorschlag nicht kommentieren. Ein RWE-Sprecher spricht sich erneut für eine Fondsvariante aus. "Eine Fondslösung ist die beste Variante, weil mit dieser die erneuerbaren Energien zielgerichtet ausgebaut werden können." Ein solcher Fonds war von der Branche allerdings bislang in erster Linie als Alternative zur Atomsteuer ins Gespräch gebracht worden.

Kräftigen Gegenwind erhält Röttgen - wie nicht anders zu erwarten - von den Sozialdemokraten, den Grünen und der Umweltschutzorganisation Greenpeace. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagt: "Bei Atomlaufzeiten geht es um Sicherheit, nicht um das Staatssäckel." Die Versteigerung längerer Atomlaufzeiten an den Meistbietenden sei "russisches Roulette".

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hat die schwarz-gelben Überlegungen zur Atomstrom-Auktion ebenfalls scharf kritisiert: "Die Laufzeiten von Atomkraftwerken sind keine Ware, die man auf dem Basar verhökert." Der Vorschlag entlarve "das Gerede von der 'Brückentechnologie Atomkraft' als Augenwischerei", so der ehemalige Umweltminister. Unter dem Deckmäntelchen vermeintlicher Transparenz und Marktwirtschaftlichkeit sollten "den Schrottreaktoren Biblis A, Brunsbüttel und Neckarwestheim für ein Linsengericht unbegrenzte Laufzeiten zugeschanzt werden", vermutet er. Zugleich solle die Grundlage gelegt werden, dass die vier deutschen Energie-Monopolisten auch weiterhin billigen Atomstrom in Europa teuer verkaufen könnten.

Greenpeace-Atomexperte Tobias Münchmeyer wiederum geißelt Röttgens Überlegungen ebenfalls mit drastischen Worten. "Die durch Alt-Atomkraftwerke bedrohte Sicherheit der Menschen soll an den Meistbietenden verramscht werden." Er ergänzt: "Damit setzt sich die Bundesregierung dem Vorwurf der Käuflichkeit von Politik aus."

Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) hat schon einmal durchgerechnet. Auf 56 Milliarden Euro schätzen die Ökonomen aus Essen den Wert einer Laufzeitverlängerung von acht Jahren für alle deutschen Atomkraftwerke.

Erst Anfang Juli hatten die Fraktionschefs von Union und FDP eine schnelle Entscheidung über die Laufzeitverlängerung eingefordert - und damit den Druck auf Röttgen abermals erhöht.

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