Deutsche Bahn in der Kritik:Alle reden vom Wetter

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"Das Ergebnis einer jahrzehntelangen falschen Bahnpolitik": Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Winfried Hermann, fordert eine Wende in der Verkehrspolitik.

Daniela Kuhr

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Winfried Hermann, fordert eine Wende in der Verkehrspolitik. "Das Winterchaos zeigt: Wir brauchen nicht das potenziell schnellste Verkehrssystem, sondern ein zuverlässiges und schnelles", sagte der Grünen-Politiker am Sonntag zur Süddeutschen Zeitung. Wegen der anhaltenden Probleme treffen sich an diesem Montag Verkehrsminister von Bund und Ländern zu einer Sondersitzung. Auch Bahn-Chef Rüdiger Grube ist zu dem Treffen eingeladen.

Nicht nur die Politik, auch das Management der Verkehrsunternehmen habe versagt, kritisiert Grünen-Politiker Winfried Hermann. (Foto: dpa)

"Was wir jetzt erleben, ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen falschen Bahnpolitik", sagte Hermann. Es sei sehr viel Geld ausgegeben worden, damit Züge auf bestimmten Strecken 300 Stundenkilometer fahren könnten. Dadurch aber sei das System Schiene insgesamt anfälliger geworden. "Statt Milliarden in eine fragile Hochgeschwindigkeits-Bahn zu stecken, hätte man in die Stabilität des Schienenverkehrs und ins Bestandsnetz investieren müssen." Die Vorfälle der vergangenen Tage seien "verheerend für den Ruf des Technologiestandorts Deutschland".

Doch nicht nur die Politik, auch das Management der Verkehrsunternehmen hat nach Ansicht von Hermann versagt. "Das gilt für Bahn und Luftfahrt gleichermaßen." So habe er kein Verständnis dafür, wenn den Flughäfen die Enteisungsmittel ausgingen oder Start- und Landebahnen gesperrt werden müssten, weil man sich nicht rechtzeitig aufs Räumen eingestellt hat. "Mir ist durchaus klar, dass man die Natur nicht jeden Tag besiegen kann, aber das Winterwetter kann keine Entschuldigung für schlechtes Management und schlechte Vorbereitung sein."

Bei der Deutschen Bahn sei ebenfalls falsch gewirtschaftet worden. Vor allem fehlten Reservekapazitäten, es gebe zu wenig Züge. "Da wurde in der Vergangenheit mit Blick auf den Börsengang am völlig falschen Ende gespart", sagte Hermann. Das sei zwar vorrangig dem früheren Bahn-Chef Hartmut Mehdorn anzulasten. Doch sein Nachfolger Grube habe keine neue Strategie und setze zum Teil dessen Fehler fort. "Seit einem Jahr verhandelt er nun schon mit Siemens über den Kauf von neuen ICE-Zügen", kritisierte der Verkehrsexperte. Diese Züge aber kämen bestenfalls ab 2014 zum Einsatz. "Statt erneut Milliarden von Euro in modernste Hochgeschwindigkeits- Technologie zu stecken, sollte Grube lieber etwas langsamere, dafür aber robustere Züge kaufen. Zumal diese deutlich früher zu haben wären."

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) drohte den Verantwortlichen bei der Deutschen Bahn derweil mit Konsequenzen für mögliches Fehlverhalten beim Winterchaos. "Wenn sich herausstellt, dass es vermeidbares Chaos gab, muss es Konsequenzen geben", schrieb der Minister in einem Gastbeitrag für die Bild am Sonntag. Das Winterwetter und Fehler in der Vergangenheit taugten nicht "als Ausrede" für die Verspätungen und Zugausfälle.

Ramsauer kritisierte die Bahn auch für den Sparkurs der vergangenen Jahre: "Auf der Schiene regierten jahrelang Sparpolitik und Renditedruck. Reserven wurden abgebaut, Personal eingespart", schrieb er. Der rheinland-pfälzische Verkehrsminister Hendrik Hering (SPD) nannte Ramsauers Kritik "unglaubwürdig". Der Bund sei Eigentümer, sitze im Aufsichtsrat, kenne die Versäumnisse seit Jahren und verlange gleichzeitig "pro Jahr 500 Millionen Euro Gewinnabführung von der Bahn", sagte Hering am Sonntag in Mainz. Das erinnere an "ein Schwarzer-Peter-Spiel", fügte er hinzu.

Auch der Grünen-Politiker Hermann bezeichnete es als "absurd", dass die Bundesregierung im Sparpaket eine jährliche Bahn-Dividende von 500 Millionen Euro beschlossen habe. "Die Bahn bekommt jedes Jahr 2,5 Milliarden Euro vom Bund, um das Schienennetz zu erhalten und auszubessern", sagte er. Alle Experten seien sich jedoch einig, dass das viel zu wenig sei. "Die 500 Millionen Euro sind ungefähr der Betrag, der fehlt." Ramsauer müsse sich dafür einsetzen, dass der Bund auf die Dividende verzichte. "Wir reden alle davon, dass wir Klima und Umwelt schützen wollen. Aber bei dieser Nachrichtenlage kann man keinen Autofahrer davon überzeugen, auf die Bahn umzusteigen."

Die SPD beschloss auf ihrer Präsidiumssitzung am Sonntag ebenfalls, dass der Bund auf die Dividende verzichten müsse. Ramsauer sagte im ZDF, er werde darauf drängen, dass die Dividende weitestmöglich für Investitionen in den Verkehrsbereich genommen werde.

© SZ vom 10.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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