Daimler in der Krise:Benz im Blut

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Ein Daimler-Mitarbeiter poliert einen Mercedesstern. Nun wird davor gewarnt, dass Gewinne niedriger ausfallen, als man sich das erhofft hatte.  (Foto: dpa)

Das war einmal: Autos von Mercedes galten als das Maß aller Dinge. Doch Audi und BMW haben Daimler abgehängt. Die Schwaben werden ihr biederes Image einfach nicht los. Jetzt droht auch noch eine Gewinnwarnung.

Von Thomas Fromm

Von allen Warnungen ist die Gewinnwarnung wohl die seltsamste. Es fängt damit an, dass sie semantisch in die falsche Richtung führt. Unwetterwarnungen warnen vor Unwettern, Rezessionswarnungen vor wirtschaftlichen Einbrüchen. Schilder an Gartentoren warnen vor bissigen Hunden. Gewinnwarnungen warnen nicht vor Gewinnen. Schön wär's.

Im Gegenteil: Gewarnt wird davor, dass Gewinne niedriger ausfallen, als man sich das erhofft hatte. Oder sogar: dass es gar keine Gewinne gibt. Noch komplizierter wird es, wenn die Warnung nicht ganz so eindeutig ausfällt. Zum Beispiel vor zwei Wochen, da deutete Daimler-Chef Dieter Zetsche beim Aktionärstreffen des Autobauers an, man müsse die Prognosen für das laufende Geschäftsjahr wohl noch einmal überprüfen. Euro-Krise, schlechter Start ins Jahr und "in den kommenden Monaten" erwarte man vom Heimatmarkt "wenig Rückenwind". Das kam vielen etwas zu pessimistisch vor, und Analysten sprachen daher von einer "halben Gewinnwarnung". Halb heißt hier so viel wie: Wir sind gespannt!

Aus der halben Gewinnwarnung könnte an diesem Mittwoch eine ganze werden. Dann stellt Daimler seine Zahlen für das abgelaufene Quartal vor und gibt einen Ausblick auf die nächsten Monate. Und wird aller Wahrscheinlichkeit nach: warnen.

Immer wieder warnen

Warnen, immer wieder. Es wäre schon das zweite Mal in nur kurzer Zeit. Dabei will der Konzern in sieben Jahren Marktführer bei Premiumautos sein und seinen Absatz auf 2,6 Millionen Autos verdoppeln. Wie soll das gehen, fragen sich viele. Sieben Jahre sind nicht viel. Die Zeit läuft, und sie läuft gerade: gegen Stuttgart. Schon 2012 war für Zetsche ein "Übergangsjahr". Hohe Investitionen in neue Autos, Modellwechsel, dazu die Euro-Krise.

Okay, so etwas kommt vor.

2013 aber sprach man im Konzern schon wieder von einem Übergangsjahr auf dem Weg an die Spitze. Der Übergang dauert immer länger, und so wird alles zu einem Wettlauf gegen die Zeit, auch für Zetsche selbst. Erst im Februar hatte der Aufsichtsrat auf Druck der Arbeitnehmervertreter seinen Vertrag nur noch um drei statt um fünf Jahre verlängert. So etwas schmerzt, vor allem wenn man genauso gut auch fünf Jahre hätte haben können.

Jetzt also hat Zetsche eine Art B-Klasse-Vertrag in der Tasche und soll damit die Konkurrenz einholen. Dabei werden die nächsten Monate nicht nur am Automarkt sportlich: Ärger mit den Betriebsräten, ein Vier-Milliarden-Sparprogramm, das Klima zwischen dem Chef und seiner Mannschaft gereizt.

Sparprogramme kann man als Chef nie brauchen. Schon gar nicht jetzt.

Dabei gab es Zeiten, da war Daimler noch das Maß aller Dinge. Geräuschlos, erfolgreich, Autos vom Feinsten. Der Mercedes unter den Oberklasse-Autos sozusagen. Heute kritisieren Leute wie der Fondsmanager Ingo Speich, dass nicht Daimler, "sondern BMW und Audi im Premiumsegment das Maß aller Dinge" sind. Weil man sich "in Stuttgart zu lange auf den Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht hat".

Zum Beispiel China. Ausgerechnet der Wachstumsmarkt: Audi und BMW haben Daimler hier längst abgehängt. Zu lange hatten die Stuttgarter vor Ort mit zwei Vertriebsorganisationen herumexperimentiert und sich dabei selbst blockiert. Jetzt ist das Milliardenreich zur Chefsache erklärt worden, ein eigener Vorstand soll die Aufholjagd anführen. Die Sache muss klappen, gerade jetzt, da das Europa-Geschäft so schwach läuft. Audi und BMW gelingt es, die miese Lage auf dem Krisenkontinent mithilfe der Chinesen einigermaßen zu vergessen. Die Schwaben dagegen wissen nicht, was zuletzt dümmer lief: Europa oder China.

Und dann ist da ein Problem, das sich nicht so leicht lösen lässt, schon gar nicht mit einem neuen Vorstand: Die Traditionsmarke mit dem Stern ist alt. Mitte 50 soll der Mercedes-Käufer im Schnitt sein, und das hat auch etwas mit dem Design der vergangenen Jahre zu tun. Erwartbar und klassisch, altbackene Linien. Ein Autokonzern, gefangen im Museum seiner eigenen Formensprache. Design aber, sagen die Strategen in den Autohäusern, ist heute das Verkaufsargument Nummer 1.

Besser also, man hat es.

Zetsches Hoffnung

"Zum Teil fehlen uns die Produkte", sagte Daimler-Finanzchef Bodo Uebber jüngst. "Zum Beispiel den BMW X1 haben wir nicht im Portfolio." X1, ausgerechnet der kleine Geländewagen von BMW. Ein Vorstand, der zugibt, dass er gerne etwas hätte, was die Konkurrenz hat - das gibt es auch nicht jeden Tag.

Zetsches Hoffnung: dass es ihm in den kommenden Jahren gelingt, den Vorsprung der Konkurrenz mit neuen Modellen aufzuholen. Ganz vorn: Eine neue Modellfamilie rund um die neue A-Klasse, die im vergangenen Jahr eingeführt wurde und sich seitdem erfolgreich verkauft. Dazu eine neue Generation der S-Klasse, die Daimler im Mai holt, und ab 2014 dann der kompakte Geländewagen GLA. Als Daimler-Forschungsvorstand Thomas Weber die GLA-Konzeptstudie in diesen Tagen bei der Automesse in Shanghai vorstellte, kündigte er ein "aufregendes Rennen mit unseren Wettbewerbern" an. Ein kleiner Geländewagen, so die Hoffnung, könnte Menschen zur Marke Mercedes hinüberziehen, die bisher einen Bogen um die Marke gemacht hatten. Weber hätte auch sagen können: Liebe Leute, daran kann es jetzt nun nicht mehr liegen, Herr Uebber hat jetzt endlich seinen X1, und den Audi Q3. Und der kommt sogar aus Stuttgart, nicht aus München oder Ingolstadt.

Neue Modelle, neues Design, neue China-Strategie: Vielleicht wird es ja bald besser laufen mit Daimler. Denn auch Chef Zetsche weiß: Zu viele Gewinnwarnungen sind schädlich fürs Image. Und zu viele Übergangsjahre sind irgendwann kein Übergang mehr. Sondern ein Problem.

© SZ vom 24.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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