Buhlen um Opel:Wer will was?

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Heißer Kampf um Opel: Wer welche Interessen im Spiel hat - ein Überblick.

Gibt es eine Zukunft für Opel? Die Interessenten Fiat, Magna und die weiteren potentiellen Investoren legten inzwischen Sanierungskonzepte für das Rüsselsheimer Unternehmen vor. Denn nur mit einem Investor an der Seite gilt die General-Motors-Tochter als überlebensfähig. Einen Überbrückungskredit hat Berlin schon eingefädelt, doch auch die Amerikaner mischen mit.

Wohin führt der Weg für Opel? Es sind viele Interessen im Spiel. (Foto: Foto: AP)

Die Uhren ticken

Doch selbst wenn ein geeigneter Investor gefunden wird, ist die Zukunft Opels nicht gesichert. Denn noch gehört der deutsche Traditionshersteller dem einst weltgrößten Autokonzern General Motors, der inzwischen selbst von der Pleite bedroht ist. Und auch in Detroit ticken die Uhren: Die US-Regierung hat dem Konzern ein Ultimatum gestellt. Bis Ende Mai muss GM sein Zukunftskonzept präsentieren.

Geht GM in die Pleite, droht Opel als Teil der Insolvenzmasse ein schnelles Aus. Schon seit Monaten versucht Berlin daher Vorkehrungen zu treffen, dass etwaige Hilfsgelder für Opel nicht in den USA versickern. Gleichwohl ist Opel auf schnelle Hilfen angewiesen - die Kapitalreserven sind weitgehend aufgebraucht.

Einigkeit herrscht inzwischen bei allen Beobachtern darüber, dass Opel nur dann eine Überlebenschance hat, wenn es aus dem GM-Konzern herausgelöst wird. Doch auch das ist alles andere als einfach, da Opel nicht nur mit der Muttergesellschaft in den USA, sondern auch mit den übrigen europäischen GM-Töchtern Vauxhall in Großbritannien und dem inzwischen insolventen Hersteller Saab aus Schweden eng verwoben ist.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum die Bundesregierung so zurückhaltend agiert.

Der Fall Opel beschäftigt die Öffentlichkeit bereits seit Monaten und dennoch scheint die Lösung so weit entfernt zu sein wie eh und je. Besonders die Bundesregierung agiert vergleichsweise zögerlich.

Während sie für den insolvenzbedrohten Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate hastig ein Rettungspaket mit einem hohen Milliarden-Euro-Betrag schnürte, und auch zur Stützung der Commerzbank deutlich mehr als zehn Milliarden Euro garantierte, ziert sich Berlin seit Monaten, die etwa drei Milliarden Euro zu geben, die Opel für eine Sanierung für notwendig hält.

Das liegt zunächst daran, dass die Regierung einen Unterschied zwischen den Unternehmen des Finanz- und Bankensektors macht und den Firmen anderer Branchen. Die Hilfen für die Banken flossen vor allem so schnell, weil die Angst vor der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre bei den Regierenden plötzlich sehr präsent war. Weil das Finanzsystem damals zusammenbrach, nahm die Weltwirtschaftskrise von 1929 einen schlimmeren Verlauf als das nach Meinung von Wirtschaftshistorikern notwendig gewesen wäre. Die heutigen Politiker wollten zeigen, dass sie aus der historischen Erfahrung gelernt haben, und so stützten sie beherzt die Banken.

Doch für Unternehmen anderer Branchen gilt der Vergleich mit der Vergangenheit nicht. Opel sei nicht "systemrelevant", heißt es zur Begründung für die ausbleibende Hilfe. Denn Berlin fürchtet den Dammbruch: Wird Opel geholfen, so müssen auch alle anderen Unternehmen gestützt werden, die unter der Wirtschaftskrise leiden. Der Staat wäre überfordert.

Gleichzeitig ist Opel als Unternehmen und Arbeitgeber aber so wichtig, dass sich die Bundesregierung nicht erlauben kann, das Unternehmen einfach pleitegehen zu lassen. So entsteht der Eindruck von viel Aktionismus, bei dem in der Sache aber wenig vorangeht.

Lesen Sie auf der dritten Seite, wie die Lage bei General Motors ist.

Als einstmals größter Autohersteller der Welt steckt General Motors (GM) bereits seit 2007 in gravierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Der Konzern mit seinen weltweit knapp 250.000 Mitarbeitern hatte es versäumt, neue, spritsparende Modelle zu entwickeln. Als der Ölpreis auf Grund des weltweiten Nachfragebooms geradezu explodierte, bekam GM die Quittung - der Autogigant blieb auf seinen benzinschluckenden SUVs, Vans und Pick-ups sitzen, bereits die Bilanz des Jahres 2007 färbte sich tiefrot.

Doch es sollte noch schlimmer kommen: Weil die Konsumenten in der Finanzkrise kaum noch Kredit bekamen, spitzte sich die Absatzkrise bei GM so stark zu, dass das Unternehmen gegen Ende des Jahres 2008 offen um Staatshilfen betteln musste, andernfalls - so die düstere Prognose - drohe die Insolvenz.

Nach vehementem Streit zwischen Republikanern und Demokraten bekam der Konzern bislang 13,4 Milliarden Dollar an Hilfen zugestanden, was allerdings weniger als die Hälfte des Bedarfs ausmachen soll.

So eindringlich GM bislang um Hilfe flehte, so wenig überzeugte der Detroiter Konzern allerdings mit Vorschlägen zu seiner Rettung. Als der frühere GM-Chef Rick Wagoner vor dem US-Kongress im November 2008 seinen ersten Rettungsplan präsentierte, wurde er sofort nach Hause geschickt, um das dünne Papier nachzubessern. Auch der zweite Sanierungsplan, den er wenige Tage später präsentierte, erwies sich nicht als nachhaltig: Wagoner musste im März 2009 seinem Vize Fritz Henderson an der GM-Spitze weichen.

Das letzte Ultimatum läuft für GM nun am 1. Juni ab. Spätestens dann unterbreitet Henderson neue Vorschläge zur Rettung von General Motors. Ob ihm die Wende noch gelingt, gilt inzwischen aber als zweifelhaft: Offenbar haben die Gewerkschaften Einschnitten bei den milliardenschweren Pensionsverpflichtungen des Konzerns zugestimmt, doch die Gläubigerbanken scheinen nicht zu ausreichenden Kompromissen bereit zu sein.

Ohnehin wird GM nur deutlich schlanker überleben können: Bereits jetzt sollen knapp 50.000 Arbeitsplätze abgebaut, die Marken Pontiac, Hummer und Saturn ganz eingestellt werden.

Lesen Sie auf der vierten Seite, was Fiat will.

Fiat - bis vor kurzem selbst noch ein Sanierungsfall - will die Krise in der Automobilindustrie dazu nutzen, zum weltweit zweitgrößten Autohersteller hinter Toyota aufzusteigen.

Dazu sind die Turiner bereits beim insolventen US-Konzern Chrysler eingestiegen, nun soll noch das Europa- sowie Südamerikageschäft von General Motors (GM) dazukommen.

Fiat-Chef Sergio Marchionne wird die erfolgreiche Sanierung der italienischen Traditonsmarke zugutegehalten, dennoch wird er in Deutschland nicht mit offenen Armen empfangen. Etliche Beobachter fürchten einen massiven Stellenabbau in den deutschen Werken. Denn die Modellpaletten von Opel und Fiat ähneln sich stark, da beide Hersteller auf kleine Fahrzeuge spezialisiert sind, und beide Überkapazitäten aufweisen. Vor allem das Motoren- und Komponentenwerk in Kaiserslautern gilt als gefährdet.

Fiat hat offenbar schon konkrete Pläne. So könnte Lancia zugunsten von Opel eingestellt werden, wie ein Marchionne-Vertrauter der Automobilwoche sagte. Der schwedische Hersteller Saab solle mit Chrysler fusioniert werden und sich künftig auf Sportwägen und Cabrios spezialisieren.

Sicher ist, dass Kosteneinsparungen beim Einkauf und die gegenseitige Öffnung der Händlernetze Synergieeffekte böten. Wurde zunächst eine Jahresproduktion des vereinigten Fiat-GM-Europe-Chrysler-Konzerns von etwa sieben Millionen Fahrzeugen genannt, so war zuletzt von "über fünf Millionen Autos" die Rede.

Lesen Sie auf der fünften Seite, was Magna will.

Die Pläne Magnas gelten bislang als weniger konkret als die Fiats. Nachdem es zunächst nur eine Spekulation war, ist es mittlerweile offiziell, dass der österreichisch-kanadische Zulieferer Opel gemeinsam mit dem russischen Autohersteller Gaz und dem Kreml-nahen Geldinstitut Sberbank übernehmen will.

Gaz ist technologisch auf den Westmärkten nicht konkurrenzfähig, der Einstieg bei Opel würde dem Unternehmen Zugriff auf zeitgemäßes Know-how verschaffen. Gleichzeitig erhielte Opel über Gaz Zutritt auf den riesigen und schnell wachsenden russischen Markt, der wegen hoher Zölle immer noch stark abgeschirmt ist.

Nach allem was bislang bekannt ist, wirken die Pläne Magnas ambitioniert: So soll Opel zu einem Massenhersteller mit einer Jahresproduktion von bis zu fünf Millionen Autos ausgebaut werden. Allein in Russland will das Konsortium künftig auf einen Absatz von jährlich einer Million Opel-Fahrzeuge kommen. Von Werksschließungen ist bislang keine Rede.

Magna soll an dem neuen Unternehmen mit 19,9 Prozent beteiligt werden, der Gaz-Konzern gemeinsam mit der Sberbank zu 30,1 Prozent sowie GM mit 40 Prozent. Die verbleibenden zehn Prozent sollen in diesem Modell die Opel-Händler halten.

Lesen Sie auf der sechsten Seite, welche Interessen es bei Opel gibt.

Während die Konzernmutter General Motors, die potentiellen Investoren und auch die Bundesregierung zunächst den künftigen wirtschaftlichen Erfolg Opels im Auge haben, geht es der Opel-Belegschaft und den Bundesländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen vor allem um die Arbeitsplätze.

Opel-Betriebsratschef Klaus Franz warnt, dass bei dem Unternehmen allein in Deutschland mehr als 25.000 Arbeitsplätze auf der Kippe stehen. In einem Wahljahr ist das ein Kassandraruf, den die Politik ernst nehmen muss.

Besonders die Ministerpräsidenten Roland Koch (Hessen), Jürgen Rüttgers (Nordrhein-Westfalen), Kurt Beck (Rheinland-Pfalz) und Dieter Althaus (Thüringen), in deren Bundesländern Opel-Standorte liegen, schalten sich daher immer wieder in die Rettungsbemühungen um Opel ein. Die Parteizugehörigkeit scheint dabei kaum eine Rolle zu spielen. Die Argumente von Koch, Althaus und Rüttgers, die beide von der CDU kommen, hören sich in der Opel-Debatte ähnlich wie die Einlassungen des SPD-Ministerpräsidenten Beck an.

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