Ende der Milchquote:Aus, Ende, A(l)men

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Kleine Höfe brauchen Unterstützung. Sonst droht der Verlust einer Landschaft, für die Deutschland in der Welt berühmt ist. (Foto: Getty Images)

Zäsur nach 30 Jahren: An diesem Mittwoch ist Schluss mit der Milchquote. Viele Bauern werden das verkraften, doch vor allem kleine Höfe brauchen Hilfe. Denn die Landwirtschaft ist kein Wirtschaftszweig wie jeder andere.

Kommentar von Daniela Kuhr

An diesem 1. April läuft die Milchquote aus - für Europas Landwirte eine Zäsur. 30 Jahre lang hatte die EU festgelegt, welcher Bauer wie viel Milch produzieren darf. Wer mehr liefern wollte, der musste sich erst für viel Geld das Recht dazu erkaufen - oder Strafe zahlen. All das fällt jetzt weg. Künftig darf jeder Landwirt so viel liefern, wie er will. Vor allem kleineren Betrieben macht dies Angst. Ohnehin haben sie zuletzt nicht allzu viel verdient. Jetzt droht der Preis endgültig zu verfallen, den sie von den Molkereien für den Liter Milch bekommen - sodass sie fürchten, ihren Betrieb nicht mehr lange fortführen zu können.

Was soll's, werden Wirtschaftsliberale nun sagen, die noch nie Verständnis dafür hatten, warum Bauern so viel Unterstützung bekommen. Für die Verbraucher sei das doch nur gut: Sie dürften sich freuen, dass sie Milch, Butter und Käse künftig noch billiger bekommen als bislang, weil alles nur noch in großen, effizienten Ställen produziert wird. Doch greift dieser Gedanke zu kurz. Die Freude würde nicht lange währen. Schnell würden die Kunden merken, dass sie für die Billigware in Wahrheit einen hohen Preis bezahlen müssen: nämlich den Verlust einer Landschaft, für die Deutschland in der Welt berühmt ist. Einer Landschaft, in der es immer auch noch kleine Felder, Weiden und Almen gibt, auf denen Kühe grasen. Einer Landschaft, in der sich nicht nur die Anwohner wohlfühlen, sondern auch Touristen, die dort Urlaub machen, und Städter, die dort Erholung suchen.

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Um solche modernen Ställe bauen zu können, braucht ein Landwirt jedoch Geld. Das kann er aber nur verdienen, wenn er wachsen darf, denn die Kosten steigen ja auch von Jahr zu Jahr. Wer da nicht jährlich etwas mehr Milch produziert, dem geht zwangsläufig irgendwann das Geld aus. Eben dieses Wachstum aber wurde bisher durch die strikte Quote gebremst. Viele Landwirte werden es nun leichter haben, ihren Betrieb zu modernisieren.

Und doch darf der Staat auch die kleinen Höfe nicht allein lassen auf dem Weg, der ihnen bevorsteht. Zwar ist es normal, dass in einer Branche unrentable Betriebe dichtmachen und nur effiziente Unternehmen überleben. Doch Landwirtschaft ist kein Wirtschaftszweig wie jeder andere. Während Auto-, Möbel- und Modefabrikanten einfach nur gute, bezahlbare Waren liefern sollen, haben Landwirte Aufgaben, die weit über die bloße Produktion von Lebensmitteln hinausgehen. Indem sie Felder bewirtschaften, Hecken anlegen und Weiden pflegen, machen sie ländliche Regionen erst lebenswert.

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Zugleich müssen die Landwirte selbst aktiver werden und ihre besonderen Leistungen besser vermarkten. Nur wenn der Verbraucher weiß, dass die Milch, die er in Frankfurt oder Berlin im Supermarkt kauft, von Tieren stammt, die tatsächlich auf einer Weide standen, kann er auch bewusst entscheiden, dafür mehr Geld zu zahlen - selbst wenn direkt daneben im Regal die Billigmilch aus dem Großbetrieb steht. In jedem Fall ist der Erhalt auch der kleinen Höfe eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Andernfalls wäre der Verlust zu groß.

© SZ vom 01.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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