Abwrackprämie und Gebrauchtwagen:Reif für die Presse

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Schattenseiten des Abwrack-Booms: Gebrauchte Autos stehen wie sauer Bier auf den Höfen, die Preise fallen drastisch - und viele Händler müssen um ihre Existenz bangen.

Tobias Dorfer

Es waren nur sechs Ziffern, aber sie ließen eine ganze Industrie aufatmen: 277.740 fabrikneue Autos wurden im Februar 2009 verkauft - 47 Prozent mehr als im Januar. Der erste Monat, in dem sich die Abwrackprämie vollständig auf die Neuzulassungen auswirkte, brach sogleich alle Rekorde. "Dies ist das höchste Absatzniveau in einem Februar seit zehn Jahren", jubelte Matthias Wissmann, der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie. 277.740 verkaufte Neuwagen in einem Monat, das sind 277.740 Lichtblicke für eine gebeutelte Branche.

Gebrauchtwagen bei einem Händler in Koblenz: Die Abwrackprämie führt zu sinkenden Preisen. (Foto: Foto: AP)

Doch Licht und Schatten liegen häufig nahe beieinander. Und die negativen Seiten der Abwrackprämie bekommt in diesen Tagen der Berliner Autohändler Nasser Noureddine ganz gewaltig zu spüren. Noureddine profitiert nicht von dem Kundenansturm, denn er handelt ausschließlich mit Gebrauchtwagen. Und deren Käufer kommen - zumindest wenn das Auto älter als ein Jahr ist - nicht in den Genuss der staatlichen Prämie. So herrscht in Noureddines Verkaufsräumen häufig gähnende Leere. Um bis zu 50 Prozent seien seine Umsätze zurückgegangen, klagt der Händler.

Ein Blick in die Statistiken des Kraftfahrtbundesamts zeigt, wie schwierig die Situation für die Gebrauchtwagenhändler ist. Denn während die Zahl der verkauften Neuwagen im Februar 2009 im Vergleich zum Vorjahresmonat um mehr als 20 Prozent stieg, ging der Verkauf von Gebrauchtwagen, die älter als zwölf Monate sind, um zehn Prozent zurück. "Die Neuwagenhändler sind die Gewinner der Abwrackprämie. Und die Gebrauchtwagenhändler schauen in die Röhre", klagt auch Autohändler Kai Strehlau aus St. Augustin bei Bonn.

Sinkende Preise

Problematisch für Strehlau und die deutschlandweit rund 5000 Gebrauchtwagenhändler ist nicht nur die Zurückhaltung der Kunden. Die Umweltprämie für Neuwagen drückt einer Studie der Beratungsgesellschaft Simon-Kucher & Partners zufolge auch das Preisniveau des gesamten Gebrauchtwagenmarktes.

Dieser Effekt entsteht, weil Käufer üblicherweise einen festen Betrag für den Autokauf einplanen, erklärt Markus Hofer, einer der Autoren der Studie. Unter normalen Bedingungen falle die Entscheidung beispielsweise zwischen zwei preislich identischen Autos - etwa einem neuen VW Golf und einem größeren, dafür aber gebrauchten, Audi A4. Wird der Neuwagen durch die Abwrackprämie subventioniert, vergrößere sich das Preisgefälle, entsprechend unattraktiv werde der Kauf des Audi. Gebrauchte Mittelklasseautos wie der VW Passat, der 3er-BMW oder ein Audi A4 würden sich derzeit schlecht verkaufen, bestätigt Händler Strehlau.

Fallende Preise im Gebrauchtwagenmarkt sind nicht nur für den normalen Autobesitzer gefährlich, dessen Wagen schneller an Wert verliert. Die Händler selbst können sich der Preisspirale nicht entziehen.

Entsprechend schnell senken sie die Preise. In den vergangenen sechs Monaten seien die Preise für Gebrauchtwagen durchschnittlich um bis zu 50 Prozent gefallen, meint Ansgar Klein, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands freier Kfz-Händler (BVfK). Die Händler sind alarmiert. Kai Strehlau ist Dauergast auf den Automärkten im Internet und passt die Preise seiner Wagen an - meistens nach unten: "Wir mussten die Preise für viele Gebrauchtwagen bereits deutlich senken."

"Kein Bezug zum Umweltschutz"

Doch diese Strategie birgt eine große Gefahr für die Gewinnmargen der Händler. Meistens liegen sie nach Angaben von BVfK-Vorstand Klein zwischen 500 und 1000 Euro. Diese ohnehin schon knappen Erlöse würden weiter sinken, befürchten die Experten von Simon-Kucher & Partners. "Die dünne Eigenkapitaldecke der meisten Händlerbetriebe könnte dann unweigerlich in die Insolvenz führen", sagen die Autoren und kommen zu folgendem Fazit: "Wir sehen vor allem die Lage der freien Gebrauchtwagenhändler als bedrohlich an."

Entsprechend unzufrieden sind Kai Stehlau und seine Kollegen mit der Abwrackprämie. Die "willkürliche Ausgrenzung" von Gebrauchtwagen führe zu großen Problemen für die Händler, koste "Tausende Arbeitsplätze und Existenzen", zürnt der BVfK. Die staatlichen Förderrichtlinien "benachteiligen viele und lassen wenige profitieren". Verbands-Vorstand Klein fordert deshalb, die Umweltprämie auf sämtliche Fahrzeuge, die der Abgasnorm Euro-4 entsprechen, auszuweiten - unabhängig vom Alter. Ohnehin lasse die aktuelle Regelung keinen Bezug zum Umweltschutz erkennen.

Ob die Forderung der Gebrauchtwagenhändler erfüllt wird, ist mehr als fraglich. Schließlich ist bereits etwa die Hälfte des Prämientopfes aufgebraucht. Um wenigstens noch ein kleines Stückchen vom Kuchen abzubekommen, hat Gebrauchtwagenhändler Strehlau reagiert. Pünktlich zum Start der Abwrackprämie hat er sein Angebot um EU-Reimport-Neuwagen erweitert. Mit Erfolg, meint Strehlau: "Die Autos werden uns aus den Händen gerissen."

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