Andrej Woronin kehrt in die Bundesliga zurück:König von Düsseldorf

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Prominenter Zugang für ein braves Team: Aufsteiger Fortuna Düsseldorf leiht Stürmer Andrej Woronin für ein Jahr aus. Unklar ist aber, wie es um das aktuelle Leistungsvermögen des 33-jährigen Ukrainers steht - und ob sich der extrovertierte Spieler einfügen kann.

Johannes Aumüller

Andrej Woronin war erzürnt, und alle Beobachter fanden es in diesem Moment völlig in Ordnung, dass der ukrainische Offensivspieler erzürnt war. Soeben war er bei der Europameisterschaft 2012 mit seiner Nationalmannschaft ausgeschieden - nach einem 0:1 gegen England, in dem der Schiedsrichter ein Tor für die Ukraine nicht gegeben hatte, obwohl der Ball eindeutig die Linie überquert hatte.

Woronin präsentiert in der Düsseldorfer Arena seine neue Arbeitskleidung. (Foto: dapd)

Andrej Woronin, 33, hatte die komplette Partie über nur auf der Bank gesessen, jetzt war er einer der ersten Spieler, die aus der Kabine kamen und sich den Fragen stellten. Schnell redete er sich in Rage. Aber nicht wegen der Fehlentscheidung, die kommentierte er erstaunlich ruhig. Sondern wegen der vielen Nachfragen über seine nähere Zukunft. Der Kern seiner Auskünfte: Ja, ich will Dynamo Moskau unbedingt verlassen; nein, ich weiß noch nicht, wohin ich wechsele; ja, Deutschland würde mich sehr reizen.

Insofern war es keine Überraschung, dass Andrej Woronin an diesem Dienstagabend erklärte, er freue sich sehr, nun wieder in die Bundesliga zurückzukehren: "Ich habe die geile Atmosphäre, die Fans und die vollen Stadien in der Bundesliga vermisst. Das gibt es in Russland nicht. Ich freue mich riesig auf die Saison." Überraschend war nur, dass es sich bei seinem neuen Klub in Deutschland nicht um einen ambitionierten Verein wie Borussia Mönchengladbach handelt, wo er zwischenzeitlich auch im Gespräch war - sondern um Fortuna Düsseldorf. Für ein Jahr leiht der Aufsteiger den Stürmer aus.

Dieser Deal ist zum einen aus der Sicht des Spielers etwas überraschend, weil dessen sportliche Selbsteinschätzung eigentlich noch ein paar Auftritte in einem internationalen Wettbewerb vorgesehen hatte - und weil er sich in seiner zweijährigen Zeit bei Dynamo Moskau an ein Gehalt von etwa vier Millionen Euro jährlich gewöhnt haben soll. Russische Medien zitieren den Berater des früheren Liverpool-Angreifers mit der Aussage, sein Klient mache beim Verdienst keine Abstriche; offenkundig übernimmt Dynamo weiterhin einen immensen Anteil des Salärs. Wahrscheinlich heißt es deshalb in Düsseldorf, dieser Transfer sei für den Verein mit dem 16-Millionen-Euro-Etat kein Kraftakt.

Gleichwohl ist die Verpflichtung auch aus Sicht der Fortunen etwas überraschend; bis dahin hatte der Klub zwar schon ziemlich viele, aber auch ziemlich brave Transfers getätigt. Und in der jüngeren Geschichte der Bundesliga hat es sich - vorsichtig formuliert - nicht immer als zielführend erwiesen, wenn ein schwächer eingeschätzter Verein seine weitgehend namenlose Mannschaft um einen international renommierten, aber auch schon gealterten Angreifer ergänzte. Da war dann auf seine alten Tage der Kroate Davor Suker bei 1860 München aktiv oder der Finne Jari Litmanen bei Hansa Rostock - beide mit sehr überschaubarem Erfolg.

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Nun ist Andrej Woronin natürlich nicht mit Suker oder Litmanen zu vergleichen. Für den Ukrainer ist die Bundesliga ja nichts Unbekanntes, er hat ziemlich genau ein Drittel seiner 33 Lebensjahre bei einem deutschen Klub verbracht, in Mönchengladbach, Mainz, Köln, Leverkusen und Berlin. "Düsseldorf hat noch gefehlt. Ich bin sozusagen ein Rheinländer. Hier im Westen fühle ich mich zu Hause", sagt Woronin und fügt schmunzelnd hinzu: "Zu den Nachbarn Schalke und Dortmund gehe ich nicht mehr."

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Woronin kennt die Mentalität und spricht perfekt Deutsch. Zu Düsseldorfs Trainer Norbert Meier hat er ein besonderes Verhältnis; immerhin hatte der ihn 1997 davon überzeugt, von seinem ukrainischen Heimatverein Tschornomorez Odessa in die A-Jugend von Borussia Mönchengladbach zu wechseln.

Andererseits gilt Woronin nicht gerade als einfacher Charakter. Als er zu seiner Berliner Zeit 2008/09 einige überzeugende Spiele abgeliefert hatte, ließ er sich in einem purpurnen Pelzmantel und mit einer Krone auf dem Kopf als "König von Berlin" ablichten. Ungewiss ist auch, wie es um seine Leistungsfähigkeit steht. Andrej Woronin hat nämlich ein paar sehr merkwürdige Monate hinter sich. Im ersten Abschnitt der vergangenen Saison trat er bei Dynamo Moskau so stark auf, dass er die Wahl zum Spieler des Jahres 2011 gewann. Doch nach der Winterpause saß er plötzlich auf der Bank - der Stürmer hatte sich mit Trainer Sergej Silkin überworfen.

Kaum eine Pflichtpartie bestritt Woronin im Jahr 2012, zwischendurch drohte ihm Nationaltrainer Oleg Blochin sogar mit der Ausbootung aus dem Kader für die Heim-EM. Am Ende war Woronin zwar dabei, doch von seinen beiden Auftritten dort blieb, wohl auch aufgrund der mangelnden Spielpraxis, lediglich in Erinnerung, dass er auf dem Kopf nun nicht mehr eine gewaltige Mähne samt Pferdeschwanz hat. Sondern die Haare kurz trägt.

Kurioserweise hat sich Dynamo trotz des Zwistes mit dem Spieler bei möglichen Transfers quer gestellt, dem Vernehmen nach änderte sich die Sachlage erst, als kürzlich Alexander Borodjuk bei den Moskauern das Sportdirektoren-Amt übernahm. Borodjuk spielte ja selbst lange Jahre in der Bundesliga - und ermöglichte Andrej Woronin nun die Rückkehr dorthin.

© SZ vom 02.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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