Wolfsburgs Sieg gegen Gladbach:Nur die Bayern bleiben unerreicht

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Obenauf: Wolfsburgs Vieirinha (links). (Foto: AP)

Wer ist die Nummer zwei im deutschen Fußball? Der VfL Wolfsburg, sagen sogar die Gladbacher. Doch auch nach dem Sieg im Spitzenspiel bleiben Fragen nach einem Angriff auf Tabellenführer FC Bayern unerwünscht.

Von Carsten Eberts, Wolfsburg

Aufgepasst, es könnte tatsächlich passieren, dass der VfL Wolfsburg in der nahenden Winter-Transferperiode keinen einzigen Spieler verpflichtet. Unter Felix Magath gelang es den Wolfsburgern in der tristen Zeit zwischen Mitte Dezember und Ende Januar noch spielerisch, zehn bis zwölf neue Angestellte nach Ostniedersachsen zu lotsen.

In diesem Jahr erklärt Geschäftsführer Klaus Allofs: "Warum? Die Mannschaft verlangt nicht danach."

Allofs sah dabei wirklich, wirklich zufrieden aus. Zu Beginn der Adventszeit sieht er sich mit einer Wolfsburger Mannschaft konfrontiert, die tatsächlich kaum einer Modifikation bedarf. Aus dem VfL ist eine Spitzenmannschaft geworden; und wenn es noch eines Nachweises bedurfte, so wurde dieser am Sonntagnachmittag beim 1:0 gegen Mönchengladbach erbracht.

Es war keine einfache Woche in Wolfsburg, mit Niederlagen gegen Schalke und Everton. Umso wertvoller, wie sich der VfL berappelt hat. Er habe so viele Spiele gesehen, bei der seine Mannschaft auch nach einer Führung "nur Risiko, Risiko, Risiko" gespielt habe, erzählte Allofs im Bauch der Wolfsburger Arena. "Heute haben wir schlau gespielt", lobte Allofs. Er meinte: dosiert, erwachsen.

Im dritten Jahr seiner Arbeit bei den Niedersachsen muss es sich auch für Allofs anfühlen, als habe er gesäht und gesäht und gesäht - und endlich zeichnet sich eine Ernte ab. Es war das Spitzentreffen in der Bundesliga, Zweiter gegen Fünfter. Und die Wolfsburger bewiesen, dass sie aktuell einen Schritt weiter sind als die Gladbacher, die zuvor von vielen Experten bis hoch in den Himmel über dem heimischen Borussia-Park gelobt wurden.

Der Führungstreffer nach zwölf Minuten fiel noch unter gnädiger Mithilfe des Gladbacher Torwarts Yann Sommer, der den Ball dem Torschützen Robin Knoche vor die Füße boxte. Es war die Zeit danach, in der Wolfsburg imponierte. Wolfsburg spielte weiter nach vorne, hätte spätestens nach einer Stunde viel höher führen müssen. Dann drosselte die Mannschaft das Tempo, und brachte das 1:0 vergleichsweise locker über die Zeit.

Der Wolfsburger Fußball im Winter 2014 zeichnet sich nicht durch sonderlich verrückte Dinge aus. Er ist einfach gestrickt, konservativ könnte man sagen. Aber was Trainer Dieter Hecking, ein anerkannter Pragmatiker, und seine Mannschaft ausgetüftelt haben, es funktioniert.

Vorne ziehen die flinken Ivica Olić, Kevin De Bruyne und Ivan Perišić ihr aufopferungsvolles Pressing auf. In der Mitte bilden zwei Sechser ein stabiles Fundament - gegen Gladbach erfüllten Maximilian Arnold und Josuha Guilavogui diese Aufgabe. Dahinter verfügt der VfL mit Naldo und Knoche über ein defensiv tatkräftiges, jedoch auch offensiv gefährliches Duo. Angriffe werden durch Konter oder durch Überlaufen auf den Außenpositionen vorgetragen. Kein Hexenwerk, aber sehr effektiv.

Was das Team zudem von manch anderer Pressingmaschine in der Liga unterscheidet: Hat der Gegner den Ball, darf er ihn haben, wenn er sich nicht dem Sechzehner nähert. "Gladbach hatte da viel Ballbesitz, wo sie Ballbesitz haben dürfen", konstatierte Hecking nonchalant. Seine Mannschaft steht weiterhin auf Tabellenplatz zwei, jedoch mit bereits sechs Punkten Vorsprung auf Gladbacher, Schalker oder Hoffenheimer. "Meine Mannschaft macht gerade sehr viel richtig", sagte Hecking. Auch er wirkte wirklich, wirklich zufrieden.

Elf des Spieltags
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Favre sucht die fehlenden 15 Prozent

Sein Gladbacher Kollege Lucien Favre war es: nicht. Der Schweizer wirkte sogar ein wenig ratlos. Drei Spiele in Serie hat sein Team wettbewerbsübergreifend nun verloren, und zwar ohne dass Favre seinen Spielern einen großen Vorwurf machen konnte. Auch gegen Wolfsburg hatte ihm das Spiel seiner Elf grundsätzlich zugesagt - ohne Ertrag zu erwirtschaften.

Favre haderte ein wenig mit dem unglücklichen Gegentor, auch mit der Großchance kurz vor Schluss, als einige Gladbacher den Ball aus Nahdistanz nicht im Tor unterbrachten. Er sagte jedoch: "Momentan ist es nicht einfach. Wir müssen die fehlenden 15 Prozent finden." Die Wolfsburger sind diese 15 Prozent weiter, Favre wusste es genau.

15 Prozent weiter, aber trotzdem noch einige Prozentpunkte hinter den Bayern - so sehen es die Wolfsburger. Die Münchner in dieser Saison noch einmal anzugreifen, hält Trainer Hecking weiter für unrealistisch. Leicht genervt gab er zu Protokoll: "Es muss viel passieren, dass die Bayern einen Einbruch erleiden. Du musst eine riesige Serie spielen, um überhaupt Schritt zu halten. Deswegen ist es so schwierig, sie zu stoppen."

Womöglich hat die Liga ein Einsehen und stiftet in dieser Saison einen weiteren Pokal: den für Platz eins hinter den Bayern. Der müsste nicht so groß sein wie eine echte Meisterschale, auch nicht so glänzend. Aber die Wolfsburger wären erster Anwärter darauf.

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