WM-Qualifikation:"Hässlich und konfus: Italien, ein Horror!"

Lesezeit: 3 min

Eine von mehreren schwedischen Chancen: Angreifer Marcus Berg taucht vor Torwart Gianluigi Buffon auf. (Foto: REUTERS)
  • Italien droht nach dem 0:1 im Playoff-Hinspiel gegen Schweden, die WM 2018 zu verpassen.
  • "Jetzt wird es hart, wahnsinnig hart", schreibt die Gazzetta dello Sport.
  • Für das Rückspiel hofft Torwart Gianluigi Buffon auf die Stimmung im Mailänder Stadion San Siro.

Von Christopher Gerards

Vielleicht sagt es viel aus über diesen Abend, dass sie in Italien jetzt auf ein Stadion hoffen, zumindest teilweise. "San Siro wird uns helfen, das Duell zu drehen", verkündete Gianluigi Buffon nach diesem düsteren Abend in Schweden. San Siro, das Mailänder Stadion, in dem die Italiener am Montag zum Rückspiel gegen Schweden antreten. "Jetzt braucht Italien ein Wunder, das Wunder von San Siro, um die WM-Qualifikation zu schaffen", schrieb auch Tuttosport, aber die Sportzeitung fügte einen entscheidenden Zusatz an: "Vor allem angesichts der schlechten Qualität dieser unorganisierten und ziellosen Nationalelf."

Der Klub der sogenannten Großen, die die WM verpassen, könnte nun also ein lange nicht mehr gesehenes Mitglied begrüßen. Die Niederlande sind schon drin, Chile ebenfalls. Aber so ein Mitglied hatte dieser Klub schon lange nicht mehr: Italien, dem viermaligen Weltmeister, zuletzt 2006, und Teilnehmer jeder WM-Endrunde seit 1962, droht nach einem 0:1 im Playoff-Hinspiel am Freitagabend in Schweden das Aus. "Hässlich und konfus: Italien, ein Horror!", schimpfte die Gazzetta dello Sport: "Jetzt wird es hart, wahnsinnig hart. Die Apokalypse ist für die Azzurri nah und Russland noch nie so weit entfernt gewesen."

Das Leid der Squadra Azzurra, es verdichtete sich in der 61. Minute. Es begann mit einem Einwurf von der rechten Seite, im Strafraum kam Schwedens Ola Toivonen an den Ball, konnte diesen, attackiert von Giorgio Chiellini, aber nur per Kopf zurückspielen, in Richtung von Jakob Johansson. Der war erst vier Minuten zuvor eingewechselt worden, und wahrscheinlich wäre sein folgender Schuss nie ins Tor geflogen, sondern vorbei oder aber mühelos von Gianluigi Buffon pariert worden. Doch dann fälschte Daniele De Rossi den Ball ab, dieser änderte seine Flugbahn, und Buffon, schon auf dem Weg in die andere Ecke, musste zusehen, wie der Ball an ihm vorbei ins Tor holperte. Ein vollkommen kunstloser Treffer. Aber ein spielentscheidender.

Und dann auch noch dieses Ergebnis: 1:0

Hatte so etwas nicht immer als ein typisch italienischer Sieg gegolten? Hinten gut stehen (okay, Italien hatte ein paar gute Chancen), ein bisschen Glück haben, sich Möglichkeiten herausspielen und dann vorne - auch schon mal vom Glück begünstigt - treffen. Aber jetzt hatte sich der Lauf der Dinge umgekehrt, jetzt waren es die Schweden, die einen Sieg landeten, wie er einst für die Italiener erfunden wurde. Und dann auch noch dieses Ergebnis: 1:0. Kein Gegentor zu Hause kassiert, bei einem eigenen Tor in San Siro müsste Italien schon drei erzielen.

Die italienischen Zeitungen zerrissen die Nationalelf regelrecht. Der Corriere della Sera schrieb: "Italien ist ein Ensemble von Spielern, die nicht wissen, was sie anfangen sollen. Keine Ideen und wenig Teamgeist: Es ist skandalös, dass derart erfahrene Spieler in einem so wichtigen Spiel so wenig leisten." Und: "Nach der ersten Halbzeit in Schweden muss man zugeben, dass das Gefühl überwog, Italien habe eine WM-Qualifikation gar nicht verdient. Die zweite Halbzeit war dann ein wenig besser, doch da ist das Team nachträglich bestraft worden - durch einen tückisch abgefälschten Schuss. Soll aber keiner sagen, wir hätten Pech gehabt."

Von Pech hat hinterher tatsächlich keiner gesprochen, der ohnehin in der Kritik stehende Nationaltrainer Gian Piero Ventura drückte es etwas anders aus: "Diese Niederlage ist unverdient. Wir brauchen Kopf und Wut, um dieses Resultat zu korrigieren." Die Italiener hatten wie gesagt Chancen, das schon. Etwa als Andrea Bellotti nach sechs Minuten einen Kopfball gegen die Laufrichtung des Torwarts platzierte, das Tor allerdings knapp verfehlte. Oder als Darmian in der 70. Minute hätte ausgleichen können, aus gut 18 Metern den Ball aber an den Pfosten wuchtete. Doch will man Italien wirklich daran messen? Dass sie gegen Schweden - womöglich - unverdient verlieren? Gegen ein Team ohne Zlatan Ibrahimovic, das kürzlich noch 0:2 gegen die Niederlande verloren hatte?

Die berüchtigte BBC-Abwehr aus Leonardo Bonucci, Andrea Barzagli und Giorgio Chiellini; das Mittelfeld um Marco Verratti - Italien verfügt immer noch über Personal, das in der Lage sein sollte, sich für eine Fußball-WM wenigstens zu qualifizieren (auch wenn Verratti das Rückspiel gelbgesperrt verpassen wird). Es ist richtig, dass die Italienier insofern nicht vom Glück begünstigt waren, als sie in eine Qualifikations-Gruppe mit Spanien gelost wurden. Doch wie groß der Abstand zur europäischen und zur Weltspitze ist, das deutete sich schon Anfang September beim 0:3 gegen eben jene Spanier an.

Nun hoffen sie also auf den Montag, auf die Stimmung im San Siro. Aber Trainer Ventura hatte nicht unrecht, als er sagte: "Die Zuschauer werden keine Tore schießen - die müssen wir schon selbst erzielen."

( Mit Material des Sport-Informations-Dienstes)

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