WM-Quali:Die DFB-Elf macht jetzt Ernst

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Zu stark für spannende Spiele: Sami Khedira (rechts) und Mesut Özil jubeln auch gegen Nordirland. (Foto: AP)

3:0 gegen Tschechien, jetzt 2:0 gegen Nordirland: Die deutsche Nationalmannschaft ist momentan zu überlegen, um spannende Spiele zu liefern.

Von Christof Kneer, Hannover

Nach 25 Minuten machten die Statistiker diese Zahl öffentlich: Deutschland sieben, Nordirland eins. Hierbei handelte es sich nicht um den Zwischenstand dieser WM-Qualifikations-Partie, aber immerhin um die sogenannte Torschuss-Statistik. Sieben Torschüsse, das war nicht schlecht für 25 Minuten, aber es war noch gar nichts gegen die Zahlen, die es beim vergangenen Duell dieser beiden Nationen zu vermelden gegeben hatte. Ende Juni, beim EM-Vorrundenspiel in Paris, hatte die DFB-Elf nach 25 Minuten zirka hundert Torschüsse auf ihrem Konto, vielleicht waren es auch zweihundert, zu diesem Zeitpunkt stand es allerdings noch 0:0 - anders als jetzt, dreieinhalb Monate später, im Stadion von Hannover.

Da führte Deutschland nach 17 Minuten bereits 2:0, schon zu diesem frühen Zeitpunkt um kein Tor zu niedrig - und so fügte sich am Ende auch das dritte Pflichtspiel nach der EM in den Trend. Die DFB-Spiel spielt so ästhetisch wie in Frankreich, dafür aber im entscheidenden Moment zwingender: Nach dem locker-lässigen 2:0 gegen Nordirland führt Jogi Löws Elf ihre Gruppe locker-lässig an.

Einen "irgendwie mühelosen Sieg" bilanzierte Joachim Löw später, und das Wort "irgendwie" sollte wohl darauf hinweisen, dass dieses Spiel bei aller deutschen Überlegenheit doch eine kuriose Versuchsanordnung war: "Nordirland hat nach dem 0:2 die Abwehr immer noch nicht entblößt und die Räume immer noch zugemacht", meinte Löw, "deshalb war es auch nicht ganz so leicht. Trotzdem haben wir in den letzten Tagen unsere Aufgaben erfüllt: Sechs Punkte in zwei Spielen geholt und noch kein Gegentor kassiert."

Selten habe ihm ein Länderspiel so viel Spaß gemacht wie jenes gegen die Tschechen, hatte Mats Hummels am vorigen Samstag gesagt; ein Satz, der nun auch die Taktik fürs Duell mit den Nordiren sachkundig zusammenfasste. Auch ins dritte Qualifikationsspiel startete die DFB-Elf mit sichtlichem Vergnügen, vor allem in der Anfangsphase ignorierten die Deutschen fröhlich die Reputation des Gegners. Nordirland, kampfstark, zäh? Mag sein, aber der Weltmeister kombinierte sich einfach lustig durch.

Schon nach vier Minuten kam der eher unter 1,90 m Mario Götze gegen die eher über 1,90 m großen Verteidiger zum Kopfball, aber Michael McGovern wurde erneut zum Spielverderber. Schon bei der EM hatte der Torwart von den zwei- bis dreihundert Torschüssen alle bis auf einen gehalten, und nun machte der freche Mensch gerade so weiter.

Aber nicht mal das nahm den Deutschen ihre anfängliche Spiellaune. In der 13. Minute zeigten sie eine Kombination, der auch kampfstarke, zähe Gegner und ein tapferer Torwart nur fasziniert zusehen können: Boateng verlagerte das Spiel mit einem seiner inzwischen berühmten Diagonalschläge, über Hector kam der Ball zu Özil, dessen Pass fand Müller, der den Ball zu Draxler weiterleitete: Und nur Draxler brauchte dann eine Winzigkeit Glück, er ließ seinen Schuss ein bisschen abfälschen, aber das 1:0 war schon zu diesem Zeitpunkt verdient.

Vier Minuten später gelang es der deutschen Elf, sich sogar aus einer Standardsituation einen Spaß zu machen: Kroos tippte einen Eckball kurz an, Özil flankte, wo Hummels den Ball per Kopf zu Khedira verlängerte, der den Ball vollends ins Tor setzte - dieses 2:0 roch schwer nach Brasilien, denn dort, bei der hochheiligen WM, hatten Löws Spieler zahlreiche einstudierte Standards ins Ziel gebracht.

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Khediras Tor in Hannover war übrigens sein erstes in der Nationalmannschaft seit dem WM-Halbfinale, jenem legendären 7:1 gegen Brasilien. 1099 Tage waren seit jenem Tag vergangen - das hat am Dienstagabend in Hannover ein Statistiker errechnet, der offenkundig viel zu viel Zeit hat.

Hinter all dem Spaß steckte aber wieder eine ganze Menge Ernst, denn Löw und sein Team haben sich ja fest vorgenommen, diesmal ungestreifter durch die Qualifikation zu kommen als vor der EM. Auch die Aufstellung war Ausdruck dieser fast schon rührenden neuen Ernsthaftigkeit: Aus den wenigen Änderungen, die Löw für die Startelf angekündigt hatte, waren sehr, sehr wenige geworden; nämlich keine. Der zuletzt minimal angeschlagene Boateng lief ebenso von Beginn an auf wie Khedira, für den eigentlich Rückkehrer Gündogan im Team erwartet worden war. Erst später durften Özil und Boateng verschnaufen.

Irgendwann wurde es aber selbst den Deutschen zu viel mit ihrer eigenen Überlegenheit. Sie waren so dominant und so erkennbar in einer anderen Welt zu Hause als die Nordiren, dass sich allmählich ein paar Schlampigkeiten einschlichen. Nordirlands Angreifer Magennis fand plötzlich ein paar Räume in der deutschen Deckung, kurz vor der Pause wurde Evans von Boateng gerade noch gestoppt - Millimeter vor dem Strafraum, weshalb es Freistoß statt Elfmeter gab.

Für den Rest der Veranstaltung blieb dann weniger Lust übrig, die DFB-Elf war zu überlegen, um sich noch herausgefordert zu fühlen. Und die Nordiren waren mit Verteidigen so ausgelastet, dass sie zum Kontern keine Zeit hatten. Die Deutschen setzten Pass auf Pass auf Pass, sie spielten ernsthaft und kontrolliert, aber sie waren nicht mehr gezwungen, hinter die letzte Reihe zu kommen. Deshalb blieb's am Ende bei einem Ergebnis, das nur ein Tor höher ausfiel als in Paris.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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