WM 2010: Neuseeland - Slowakei:Qualvoll ausgeglichen

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Wer 90 Minuten Langeweile durchhält, der wird beim 1:1 zwischen Neuseeland und der Slowakei am Ende belohnt - mit dem überraschenden Ausgleich des Außenseiters.

David Bernreuther

Es soll Menschen geben, die sich das ehrgeizige Ziel gesetzt haben, alle Spiele dieser WM von der ersten bis zur letzten Minute anzuschauen. Und sei die Paarung noch so unattraktiv. Sie haben sich Urlaub genommen, ihre Freunde versetzt und sich Ärger mit ihren Familien eingehandelt - nur damit sie Tag für Tag von 13 bis 23 Uhr vor dem Fernseher sitzen können. Sie hoffen auf Tore, spektakuläre Dribblings, dramatische Wendungen - und wurden bislang meist gnadenlos enttäuscht.

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Elfenbeinküste gegen Portugal - Didier Drogba gegen Cristiano Ronaldo. Das Treffen der Stars endet torlos, während Brasilien gegen Nordkorea viel Mühe hat. Neuseeland feiert dagegen einen Last-Minute-Ausgleich.

Auch die Partie zwischen Neuseeland und der Slowakei bot 90 Minuten Langeweile. Wer allerdings bis zum Schlusspfiff durchhielt, der wurde mit einer Überraschung belohnt: Winston Reid köpfte in der dritten Minute der Nachspielzeit das Tor zum 1:1-Ausgleich für den Außenseiter Neuseeland. Robert Vittek hatte die Slowakei zuvor ebenfalls per Kopf in Führung gebracht.

Die Slowakei nimmt zum ersten Mal seit der Gründung 1993 als eigenständiger Staat an einer Weltmeisterschaft teil. Beim Blick auf die Startaufstellung für das Spiel gegen Neuseeland stieß der deutsche Fußballfan allerdings auf viele Namen, die ihm gut bekannt sein dürften: Jan Durica (Hannover 96), Radoslav Zabavnik (FSV Mainz 05), Stanislav Sestak (VfL Bochum) und Erik Jendrisek (bisher 1. FC Kaiserslautern, ab Juli Schalke 04) verdienen ihr Geld in Deutschland. Dazu kommt Robert Vittek, der einst für den 1. FC Nürnberg stürmte und inzwischen bei Ankaragücü in der Türkei spielt.

Einen aktuellen Bundesliga-Profi hat Neuseeland zwar nicht zu bieten, eine Verbindung zwischen der Nationalelf der "Kiwis" und der Bundesrepublik gibt es trotzdem: Rechtsaußen Shane Smeltz wurde in Göppingen geboren. Neuseeland hatte sich 1982 schon einmal für eine WM qualifiziert, der heutige Trainer Ricki Herbert nahm damals als Spieler teil. Er erinnert sich noch gut an die drei deutlichen Niederlagen in der Vorrunde und auch an seinen größten Erfolg: den Trikottausch mit dem Brasilianer Sócrates.

Die Ziele für die WM 2010 formulierte Herbert deshalb äußerst vorsichtig: "Wenn wir in allen unseren Spielen untergehen, wäre das enttäuschend. Ein Erfolg wäre, wenn wir wenigstens ein Unentschieden schaffen. Drei knappe Niederlagen wären auch okay." Seine Spieler begannen allerdings nicht so, als wären sie mit einer knappen Niederlage zufrieden: Schon nach drei Minuten gab Chris Killen den ersten Schuss ab, der das Tor jedoch verfehlte. Kurz darauf scheiterte Killen per Kopf am slowakischen Torwart Jan Mucha.

Nach fünf Minuten schienen sich die Neuseeländer allerdings auf die Vorgaben ihres Trainer zu besinnen. Sie zogen sich zurück und machten die Räume eng, bei gegnerischen Freistößen reihten sich neun Feldspieler im eigenen Strafraum auf, der zehnte bildete eine Ein-Mann-Mauer. Die Slowaken agierten mit so wenig Tempo und so wenigen Ideen, dass es fast eine halbe Stunde dauerte, bis sie die erste Torchance hatten. Sestak kam nach schönem Zusammenspiel mit Vladimir Weiss im Strafraum zum Abschluss, brachte den Ball allerdings nicht aufs Tor.

Selbst großzügige Geschenke des Gegners nutzten die Slowaken nicht. Als der neuseeländische Torwart in der 33. Minute am Ball vorbeitrat, sprang die Kugel vor die Füße von Vittek. Der Stürmer dribbelte in den Strafraum, zögerte allerdings so lange, dass sein Querpass abgeblockt wurde. Auch zwei Fernschüsse vom Vittek und Marek Hamsik brachten keinen Erfolg. In der 38. Minute wagte sich Neuseeland wieder einmal in den gegnerischen Strafraum, der Schuss von Smeltz traf allerdings nur das Außennetz.

Neuseelands Ryan Nelson (links) und der Slowake Marek Hamsik boten nur wenig Unterhaltung (Foto: getty)

TV-Kommentar Wolf-Dieter Poschmann sah sich nach 45 Minuten genötigt, einen Superlativ zu bemühen: "Für mich die schlechteste Halbzeit bei der WM, da lege ich mich einfach mal fest." Und das, obwohl die Konkurrenz in dieser Kategorie groß ist, nach den Auftritten von Frankreich und Uruguay oder Slowenien und Algerien.

Fünf Minuten nach dem Wiederanpfiff gelang den Slowaken dann wie aus dem Nichts ein ansehnlicher Angriff: Sestak bekam auf der rechten Seite den Ball, er hatte Zeit und konnte in Ruhe schauen, bevor er die Flanke in die Mitte schlug. Vom Elfmeterpunkt aus köpfte Vittek den Ball zum 1:0 ins lange Eck. Der Torschütze stand im Moment der Flanke knapp im Abseits, doch als neutraler Beobachter musste man dem Linienrichter fast ein wenig dankbar sein, dass er dies übersah - und der Partie nicht ihren ersten Höhepunkt raubte.

In den verbleibenden 40 Minuten schoss Hamsik noch einmal in die Wolken, Sestak flankte hinter das Tor, Vittek wartete sieben Meter vor dem Tor so lange, bis ihm der Verteidiger den Ball vom Fuß grätschte. Mehr gab es nicht zu sehen von der Slowakei. Neuseeland kämpfte ein bisschen, schien sich aber ganz im Sinne des Trainers mit einer knappen Niederlage abzufinden. Doch dann kam die 93. Minute: Smeltz flankte in die Mitte, dort stieg Winston Reid hoch und köpfte den Ball unhaltbar zum 1:1 ein.

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