WM 2010: Joachim Löw:Die Idee bleibt

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Deutschland war trotz der Halbfinal-Pleite das Ereignis der WM. Die vielen Rückschläge im Vorfeld nutzte Bundestrainer Löw für sein persönliches Meisterwerk. Er kann sich nun selbst aussuchen, ob er die Arbeit fortsetzt.

Thomas Hummel, Durban

Joachim Löw musste in den Tagen vor dem Halbfinale ständig die gleiche Frage beantworten: Wie er das nur hingekriegt habe, eine derart junge, aufregende Mannschaft zu basteln? Die Fragen kamen auf Spanisch, Portugiesisch, sehr gerne auf Englisch. Löw reagierte auf die Fragen, die ja eigentlich Komplimente waren, indem er sich kurz sammelte, in sich ging und eine nüchterne, sachgerechte Antwort formulierte: Er habe eine Idee gehabt, wie seine Mannschaft in Südafrika spielen soll und danach die Spieler ausgesucht. Diese hätten seine Idee sehr gut umgesetzt. So einfach ist das.

Verschworener Haufen: Joachim Löw und sein Kader bei der WM 2010. (Foto: afp)

Deutschland war trotz des schwächlichen 0:1 im Halbfinale das Ereignis dieser Fußball-Weltmeisterschaft. Dass die Spanier die beste Mannschaft schicken, ahnte man vorher. Dass die Niederlande mit ihrer beachtlichen Offensivkraft und ein bisschen Glück gegen Brasilien das Endspiel erreichen, erschien möglich. Dass einige Mächte der Fußballwelt sich lächerlich machen (Frankreich), zu alt sind (Italien) oder sich selbst überschätzen (England, Argentinien), ist schon vergessen. Doch dieses aufregende, blühende Deutschland wird in Erinnerung bleiben.

Dabei hatte noch nie eine deutsche WM-Delegation mit so viel Unbill zu kämpfen gehabt wie vor diesem Turnier. Rolfes, Adler, Ballack, Träsch, Westermann verletzten sich, Hitzlsperger geriet total außer Form, Podolski und Klose reisten verunsichert an. Die Lage schien aussichtslos - und genau das nutzte Joachim Löw für sein Meisterwerk.

Selten findet sich ein Trainer in einer Lage wieder, in der er von Grund auf alles aufbauen kann. Wo keine Hierarchie, da keine Pfründe. Wo kein Anspruch, da kein Druck. Löw hatte eine Idee im Kopf und konnte diese nun vollständig umsetzen. Die Spieler folgten ihm, weil sie ihm vertrauten und den meisten ohnehin die Erfahrung und das falsche Selbstbewusstsein fehlte, doch schon alles gesehen zu haben.

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Löw durfte sich als erster Bundestrainer freuen, dass ihm deutsche Fußballinternate hervorragend ausgebildete Profis schickten. Doch das Zusammenbringen dieser Spieler zu der vielleicht erfrischendsten Mannschaft, die Deutschland je gesehen hat, ist der Verdienst von Joachim Löw und seinem Trainerteam. Er hat durch seine fachliche Kompetenz die Elf perfekt komponiert, und mit seinem stoischen Optimismus den Spielern Sicherheit gegeben. Wenngleich Letzteres nur bis zum Viertelfinale.

Joachim Löw während der Partie gegen Spanien. (Foto: ag.ddp)

Sein Respekt vor den Spaniern, die er immer wieder als Vorbild pries, war groß. Wahrscheinlich so groß, dass er diesen auf seine Spieler übertrug, die dann ehrfürchtig und mutlos auf den Rasen gingen. Er hatte diesen Fehler schon einmal begangen, vor dem Testspiel im März gegen Argentinien. Doch er konnte als Fußballexperte wohl nicht aus seiner Haut, er wusste, dass die Spanier einfach gut sind.

Joachim Löw kann sich nach diesem Turnier (egal, wie das überflüssige Spiel um Platz drei ausgeht) nun selbst aussuchen, ob er weitermacht oder nicht. Allen Querschüssen aus Verbänden oder der Bundesliga zum Trotz. Er weiß, dass er einen der schönsten Trainerjobs der Welt hat, ohne den täglichen Zirkus eines Ligabetriebs. Er weiß aber auch, dass dies nur so lange der schönste Trainerjob sein kann, solange er den begnadeten Fußballanalysten Urs Siegenthaler und Manager Oliver Bierhoff um sich weiß. Bierhoff nimmt, wenn es ein muss, die Rolle des Bösen ein und garantiert damit Löw die Ruhe, die ihm so wichtig ist.

Löw wird auch ahnen, dass der Druck nicht kleiner wird. Diese rauschhaften Wochen haben eine sehr hohe Messlatte gelegt für die Europameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine. Nur das schöne Spiel samt Titelgewinn könnte diese WM noch überbieten. Eine derart druckfreie Reise wie nach Südafrika würde ein Bundestrainer Löw nicht wieder erleben.

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