WM 2010: Fifa:Joseph S. Wendehals

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Jahrelang hat sich Fifa-Präsident Sepp Blatter rigoros gegen technische Hilfsmittel für die Schiedsrichter im Fußball gewehrt. Nun regen sich Millionen über Fehlentscheidungen auf - und Blatter lenkt ein. Aber meint er das ernst?

Christian Zaschke

Was tut ein Populist, wenn er bemerkt, dass die öffentliche Meinung sich wandelt und mit der von ihm vertretenen wirklich gar nicht mehr in Einklang zu bringen ist? Eine rhetorische Frage, natürlich: Er ändert seine Meinung. Insofern kann niemanden überraschen, dass der begnadete Populist Sepp Blatter, Präsident des Weltfußballverbandes Fifa, am Dienstag vor die Weltpresse trat und zahmer war als ein Wolf, der eine Schulpackung Kreide gefressen hat.

Fifa-Präsident Sepp Blatter denkt nach. (Foto: ap)

Jahrelang hat Blatter sich rigoros dagegen gewehrt, dass irgendeine Form von Technologie den Schiedsrichtern im Fußball die Entscheidungen erleichtert beziehungsweise diese Entscheidungen so überprüfbar macht, dass sie gegebenenfalls im laufenden Spiel korrigiert werden können. Süffisant lehnte er jedes Ansinnen ab, es sei doch wunderbar, sagte er wieder und wieder mit gönnerhaftem Lächeln, wenn die Fans diskutieren könnten - als wären "die Fans" ein paar Millionen Trottel, deren linsengroße Hirne nicht in der Lage wären zu erkennen, dass sie gerade für dumm verkauft werden. Blatter sprach vom "menschlichen Antlitz" des Fußballs.

Es ist die eine Sache, dass dieses Antlitz bisweilen allzu menschlich daherkommt, nämlich genau dann, wenn betrogen wird im Spiel, was durch das bisherige unbedingte Beharren auf der sogenannten Tatsachenentscheidung zumindest erleichtert wurde. Es ist die andere Sache, die nun zu einem überfälligen Wandel der Haltung der Fifa führen könnte: Auf der größten Bühne haben Millionen Menschen die Fehler der Schiedsrichter gesehen - Luis Fabianos Tor nach zweimaligem Handspiel, der nicht gegebene Treffer der Engländer, das klare Abseitstor der Argentinier.

Und Millionen Menschen regten sich darüber auf. Sie wussten vielleicht nicht, wie genau, mit welcher Technik, mit welchen Regeln man Abhilfe schaffen kann, aber sie wussten definitiv, dass etwas getan werden muss. Umso bedrückender, umso erbärmlicher, umso ärgerlicher war das Schweigen der Fifa, deren Schiedsrichterchef, der Stahlbetonkopf José Maria Garcia Aranda, noch am Dienstag darauf beharrte, die Leistungen der Referees seien exzellent.

So dumm ist Blatter nicht. Er mag Stahlbetonköpfe für sich arbeiten lassen, er selbst ist flexibel, wendig, gerissen, ebenso sehr Fahne im Wind wie Spitze der allerneusten Bewegung. Reformen im Schiedsrichterwesen hat er nun versprochen, es wäre "unsinnig", sich keine Gedanken über den Einsatz von Technologie zu machen.

Mit dem gleichen Wort, "unsinnig", hat die Fifa den Einsatz solcher Hilfsmittel noch im März abgelehnt. Will Blatter bloß die Wogen glätten, bis die WM vorbei ist? Oder hat er eingesehen, dass es so nicht weitergeht? Hoffentlich nimmt die Welt des Fußballs ihn beim Wort.

© SZ vom 30.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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