Wintersport:Deutschlands Wintersport vernachlässigt seine Zukunft

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Nachwuchsproblem: Bei den deutschen Biathlon-Männern darf sich niemand verletzen. (Foto: AFP)

Der Glanz von Laura Dahlmeiers fünf Goldmedaillen lenkt davon ab, dass einigen Sportarten kommende Sieger-Generationen fehlen. Das könnte sich schon bei Olympia 2018 rächen.

Kommentar von Volker Kreisl

Viel Zeit bleibt nicht, dabei bräuchte man gerade jetzt Ruhe. Medaillen müssen ja nicht nur einmal gezählt werden, sondern mehrmals nacheinander. Medaillenserien sind irrationale mathematische Phänomene, Sportler wie Laura Dahlmeier ("Hab's noch nicht realisiert, es ist wie ein Traum") können zwar von eins bis fünf zählen, aber um die Bedeutung der Summe von fünf Goldmedaillen bei nur einer WM mental zu erfassen, brauchen sie eben länger. Und dafür ist jetzt keine Zeit, am Freitag wird schon wieder gepackt, am Samstag geht es nach Pyeongchang in Südkorea.

Die Biathletin Dahlmeier hat mit ihrer Gold-Ausbeute bei der WM in Hochfilzen gerade einen Weltrekord aufgestellt, der deutsche Skiverband mit sieben ersten Plätzen eine wohl einmalige Höhe erreicht. Zugleich funkelte dieser deutsche Supersonntag auch wegen Felix Neureuthers Slalom-WM-Bronze und wegen eines historisch souveränen Zweier-Bob-Goldes am Königssee. Und weiter geht es von Donnerstag an bei den Nordisch-Weltmeisterschaften in Finnland, mit weiteren deutschen Sieganwärtern.

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Laura Dahlmeier hofft nach ihren fünf Goldmedaillen bei der Biathlon-WM auf ein paar Tage Freizeit. Denn beim Klettern hat sie gelernt, wie man mit Erfolgen umgeht - und wie man sie bewältigt.

Von Joachim Mölter

Gleichzeitig aber bewältigen alle Wintersportler gerade eine nervige Zusatzdisziplin: Korea-Reisen. Die einen waren zum Weltcup schon dort, die anderen müssen noch hin, denn die Sportstätten der Winterspiele 2018 müssen ausprobiert werden, damit man sich früh an sie gewöhnt. Olympia ist ja auch im Wintersport der Höhepunkt. Also: Koffer packen, Nackenstützkissen nicht vergessen, Jetlag schnell ausschlafen, rennen oder springen - und wieder zurück.

Die Pyeongchang-Reise (übrigens fährt man vom Flughafen Seoul noch drei Stunden in die Berge) erinnert auch daran, wie schnell der Glanz eines Supersonntags wieder abnimmt. Die Gedanken an das, was in einem Jahr dort stattfindet, dürfte die deutschen Wintersportverantwortlichen durchaus belasten. Hinter jeder Rekord-Bilanz gibt es ja auch einen Nachhaltigkeitsstatus für Erfolg, und besonders gut arbeiten die Deutschen gerade nicht an ihren Top-Leuten von morgen.

In Zeiten des Erfolges wurde die nächste Generation vernachlässigt

Die Biathlon-Männer sind zu viert, haben aber keinen gleichstarken Ersatzläufer, die Staffel darf also vor den Spielen in Südkorea bloß keinen Schnupfen erwischen. Auch bei den Alpinen sind die Nachkommen noch ein bisschen davon entfernt, die älteren Medaillenkräfte Rebensburg und Neureuther zu ersetzen. Solche Probleme hat auch das Rodeln. Diese deutsche Domäne fußt auf Felix Loch, Natalie Geisenberger und Tatjana Hüfner, die seit Jahren Titel sammeln, was den Ehrgeiz anderer Nationen entfachte, nicht aber den der eigenen Junioren. Ebenso gibt es im Langlauf, Eisschnell- und Eiskunstlauf bei den Deutschen Defizite, weil in Zeiten des Erfolges die nächste Generation vernachlässigt wurde.

Dahlmeiers sporthistorische Leistung bei der WM in Hochfilzen schränken diese Versäumnisse aber nicht ein. Und vermutlich wird sie alle ihre Medaillen auch mental bald begriffen haben, wahrscheinlich schon am Donnerstag, bevor wieder gepackt wird.

© SZ vom 21.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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