Wimbledon:Wie die jungen Wilden Wimbledon aufmischen

Lesezeit: 4 min

Spielt am Samstag um den Einzug ins Achtelfinale in Wimbledon: Tennisprofi Alexander Zverev. (Foto: AFP)
  • Vier Spieler, die jünger sind als 21, haben die dritte Runde in Wimbledon erreicht.
  • Als aussichtsreichster der jungen Profis gilt Alexander Zverev.
  • Bald könnte die junge Generation die "Big Four" um Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray angreifen.

Von Matthias Schmid, London

Dieses Drittrundenspiel am Freitagabend sah ziemlich gewöhnlich aus, man sah Dinge, die man schon kannte. Rafael Nadal gewann mal wieder ein Match, und er brauchte dafür gerade mal drei Sätze. 6:1, 6:4, 7:6 - so stand es am Ende gegen Karen Chatschanow. Doch wer genau hinschaute, der ahnte, dass dieses Spiel für etwas Größeres stand, für das Duell zweier Generationen: Da war Nadal, 31, der viele große Spiele bestritten hat. Und da war Chatschanow, 21, der noch unerfahren ist, dem aber einige zutrauen, künftig einige große Spiele zu bestreiten. Wie gesagt: Nadal gewann nach drei Sätzen, die alte Generation hatte gewonnen, Abwehr geglückt.

Die Frage ist: Wie lange geht das noch so? Und wann löst die junge Generation die der Nadals, Federeres und Djokovics ab?

Tennisspieler Sebastian Ofner
:Falco mischt Wimbledon auf

Sebastian Ofner, Spitzname Falco, hatte nie zuvor ein ATP-Match gewonnen und gar keine weiße Kleidung mitgebracht. Jetzt steht der Österreicher in Wimbledon in der dritten Runde. Wie hat er das geschafft?

Von Matthias Schmid

Die erste Woche in Wimbledon hat viele Geschichten geliefert, es ging um furchtbare Verletzungen, um riesige Überraschungen, um hohe Temperaturen. Aber ein Thema dieser ersten Woche war eben auch: das Abschneiden der sogenannten "Next Generation". Chatschanov gehört dazu, Alexander Zverev, Borna Coric oder Andrej Rublev. Es sind die Spieler, von denen erwartet wird, dass man sie bald auch in Spielen sieht, die nicht "Drittrundenmatch" heißen, sondern zum Beispiel "Halbfinale". Die aufwendige Kampagne hat die Spielerorganisation ATP vor einigen Monaten ausgerufen, um auf die aufstrebenden Jünglinge aufmerksam zu machen, die die Älteren auf der Tour schon länger herausfordern. Und ihnen in Wimbledon besonders gefährlich werden.

Kommt es zum Duell gegen Federer?

Der Posterboy der Kampagne ist der Hamburger Zverev, der auch sportlich der beste von den jungen Wilden ist. An diesem Samstag spielt er gegen den Österreicher Sebastian Ofner um den Achtelfinaleinzug. "Wir trainieren viel miteinander und versuchen, uns alle besser zu machen", sagt der 20-jährige Hamburger. Neben ihm, Ofner und Chatschanov hat in Wimbledon von den U-21-Spielern noch der Amerikaner Jared Donaldson die dritte Runde erreicht.

Der Weltranglisten-12. Zverev fühlt sich nach zwei lockeren Auftakterfolgen bereit, um in Wimbledon sein Spiel auf ein neues Niveau zu hieven. Er will zum ersten Mal die zweite Woche bei einem der vier großen Grand-Slam-Turniere erreichen. Er kennt das Gefühl noch nicht, wenn auf der Anlage die Spieler weniger, aber die Plätze immer größer werden. Gegen den Überraschungsmann aus Österreich muss Zverev noch mit dem drittgrößten Court Vorlieb nehmen, erst im Viertelfinale könnte es mit der Premiere auf dem Center Court etwas werden. Sein Gegner wäre dann womöglich: Roger Federer, siebenfacher Wimbledon-Sieger (der an diesem Samstag gegen Mischa Zverev antritt).

SZ.de-App
:Die wichtigsten Sport-News - direkt auf Ihrem Smartphone

Neu in der SZ.de-App: Analysen und Ergebnisse im Fußball und bei wichtigen Sportereignissen direkt als Push-Mitteilung auf Ihrem Smartphone.

Eine Partie auf dem größten Platz an der Church Road hat ihm Chatschanov voraus, er durfte gegen Nadal auf dem Center Court antreten. Dass für die junge Generation noch alles neu und aufregend ist und ihnen im Vergleich zu den Big Four - Nadal, Federer, Novak Djokovic und Andy Murray - Erfahrung auf dem höchsten Niveau fehlt, erlebte der 21-jährige Russe. Aber unabhängig von der Niederlage hat Chatschanov sein großes Repertoire schon gezeigt in Wimbledon. Wie Zverev verfügt er über einen wuchtigen Aufschlag und harte Grundschläge. "So spielen die Jungen heute alle", sagte Nadal nach seinem Sieg. Er meinte das nicht abwertend, sondern respektvoll, weil er weiß, dass sie seiner Generation gefährlich nahe rücken. Beim Masters in Rom hat Zverev Djokovic im Finale gar schon besiegt.

Um die Aufmerksamkeit der Jungen weiter zu steigern, kommt es in diesem Jahr auf der ATP-Tour zu einer Premiere, erstmals wird es ein zweites Turnier der Jahresbesten geben. Neben den etablierten ATP-Finals in London dürfen die besten unter 21-Jährigen in Mailand antreten. Dafür hat die Spielerorganisation eine eigene Wertung ausgerufen, das sogenannte "Race to Milan", in dem die Jahrgänge 1996 und jünger gelistet werden. Zverev führt die Liste mit großem Vorsprung vor Chatschanow an.

Weltranglistenpunkte gibt es dort anders als in London nicht, dafür wird viel Geld ausgeschüttet, mehr als eine Million Euro. Aber viel wichtiger ist noch, dass die ATP-Verantwortlichen den Wettbewerb zu einer Art Experimentierwiese ausgerufen haben, das Tennis von morgen will man erforschen. Einige Neuerungen probieren sie aus in Mailand, "damit wir unseren Sport attraktiver machen für das sich ändernde Konsumverhalten der neuen Generation von Fans", so hat es ATP-Chef Chris Kermode bei der Vorstellung erklärt. Neu ist unter anderem, dass bei einem Netzaufschlag weitergespielt wird. Es gibt keine Vorteilregel mehr, die Sätze enden bei vier gewonnenen Spielen, bei 3:3 gibt es einen Tiebreak. Sieger ist, wer zunächst drei Sätze für sich entschieden hat.

Und in Wimbledon? Da zeigt sich, dass manches Talent vor allem eines noch lernen muss: das Verlieren. So war es beim 21-jährigen Russen Daniil Medvedev. Nach seinem Sieg in der ersten Runde gegen den dreimaligen Grand-Slam-Turniersieger Stan Wawrinka hatte er noch für all das Gute gestanden, das diese neue Generation ausmacht. Doch schon in der nächsten Runde unterlag er dem Belgier Ruben Bemelmans. Es kam zum Eklat: Nach seiner Niederlage warf er Münzen in Richtung der Stuhlschiedsrichterin. Für seine dumme Aktion, die er selber schnell bereute, werden ihm nun 12 700 Euro vom Preisgeld abgezogen.

Auch Alexander Zverev hasst Niederlagen noch mehr als Wurzelbehandlungen beim Zahnarzt. Deshalb hat er einfach beschlossen, kaum noch zu verlieren. Es könnte also gut sein, dass die ATP in Mailand (7. bis 11. November) auf ihren Vorzeigespieler verzichten muss, weil er sich das Startrecht für das eine Woche später beginnende sportlich sehr viel hochwertigere ATP-Finale in London erspielt hat. Für Mailand wäre er dann ganz offiziell entschuldigt.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Wimbledon
:Kerbers schwere Krone

Wo immer Angelique Kerber in Wimbledon auftritt, scheint sie ihr erster Weltranglistenplatz zu belasten. Überwindet sie rechtzeitig ihr Formtief?

Von Barbara Klimke

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: