Wimbledon:Der ungewöhnlichste Spieler in Wimbledon

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Sorgt wieder für eine schöne Geschichte: Marcus Willis in Wimbledon. (Foto: Getty Images)
  • Marcus Willis ist einer der ungewöhnlichsten Tennis-Profis in Wimbledon.
  • Seine Geschichte bewegte die Menschen schon vor einem Jahr - als er gegen Roger Federer auf dem Centre Court spielen durfte.
  • Diesmal ist er nicht im Einzel dabei, gewinnt aber im Doppel eine dramatische Partie.

Von Matthias Schmid, London

Die Menschen liefen achtlos an Platz neun vorbei, sie interessierten sich nicht groß für das Männerdoppel auf dem Nebenplatz ganz hinten auf der Anlage von Wimbledon. Sie wollten am späten Mittwochabend nur den Weg zum Centre Court abkürzen, wo der 15-malige Grand-Slam-Champion Rafael Nadal spielte. Manche blieben aber kurz stehen, als sie auf der Ergebnistafel den Namen eines Spielers entdeckten, den sie doch schon einmal gehört hatten: Marcus Willis. Ist das nicht der Marcus Willis, der im vergangenen Jahr tagelang die Zuschauer in London verzückte und die englischen Blätter mit seiner märchenhaften Geschichte füllte?

Genau der, nickte ein Mann seinem Kumpel zu, "weißt du noch?" Und zeigte mit dem Finger in Richtung Willis: "Es ist der Fette da drüben."

Das war nicht sehr nett formuliert, kommt der Wahrheit aber nahe. Willis, 26, bringt für einen Profisportler ein paar Kilos zu viel auf die Waage, sein T-Shirt spannt am Bauch. Nicht nur etwas. Im Einzel verlor er in diesem Jahr im Finale der Qualifikation gegen den Ukrainer Illya Marchenko in drei Sätzen, doch im Doppel schaffte es der Engländer aus Warwick ins Hauptfeld des Rasenturniers in London SW19 - und auch in diesem Jahr ist sein Auftritt außergewöhnlich.

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Willis lag mit seinem Partner Jay Clarke gegen das amerikanisch-indische-Duo Jared Donaldson/Jeevan Nedunchezhiyan schnell mit 0:2-Sätzen zurück, es klappte nicht viel und Willis regte sich auch noch über den Schiedsrichter auf. "Das sind zu viele Fehler gegen uns", motzte er. Aber man konnte in einigen Ballwechseln erahnen, warum er im vergangenen Jahr die schönste Geschichte Wimbledons geschrieben hatte. Er ist ein Spieler mit viel Ballgefühl und einem gemeinen Linkshänderaufschlag nach außen. Seine Flugbälle sind besser als seine Grundschläge, was dem Spiel auf Rasen natürlich entgegenkommt. Am Ende siegten Willis und Clarke in fünf Sätzen.

Eine Zahnärztin motiviert Willis

Seine bewegende Geschichte im Sommer 2016 war fast zu gut, um wahr zu sein. Die Kurzfassung geht so: Willis wollte seine bis dahin wenig erfolgreiche Karriere als professioneller Tennisspieler aufgeben und einen Trainerjob in den USA annehmen, als er auf einem Konzert einer Zahnärztin mit zwei Kindern begegnete und sich in sie verliebte. Sie untersagte ihm, in die Staaten überzusiedeln und forderte ihn stattdessen auf, sein Talent nicht weiter zu vergeuden. Also begann er, ernsthafter Tennis zu spielen und meldete sich für ein Vorqualifikationsturnier für Wimbledon an, an dem er nur mitspielen durfte, weil vorher ein Spieler abgesagt hatte. Er holte drei Siege und durfte als Zugabe in der Qualifikation von Wimbledon antreten.

Auch hier gewann er dreimal gegen viel höher platzierte Spieler und fand sich plötzlich auf der größten Bühne des Tennissports wieder - als Nummer 772 der Weltrangliste. Als er dann auch noch in der ersten Runde den aufstrebenden Ričardas Berankis besiegte, flippten die Zuschauer auf dem Nebenplatz förmlich aus, sie feierten Willis wie einen Popstar. Aber es kam noch besser: In der zweiten Runde durfte er auf dem großen Centre Court antreten, gegen den siebenfachen Wimbledonsieger Roger Federer. Willis erlebte in wenigen Tagen eine Karriere im Zeitraffer, die sogar für eine Hollywoodverfilmung zu kitschig wäre. Gegen Federer endete dann die wundersame Reise. Nachdem der Schweizer den ersten Satz mit 6:0 gewonnen hatte, überließ er Willis noch sieben Spiele. "Ich wollte ihn gut aussehen lassen", bekannte Federer danach.

Ob er seinem Vorbild in diesem Jahr schon begegnet sei, wurde Willis gefragt, nachdem er das Doppel gewonnen hatte. Am Ende standen die wenigen Zuschauer sogar auf den Bänken und feierten ihn und seinen Partner euphorisch, die Atmosphäre erinnerte ein bisschen an das vergangene Jahr. "Es war großartig", bekannte Willis. Aber nein, Federer habe er bisher noch nicht getroffen.

Seit dieser Partie ist viel passiert in seinem Leben. Er ist nicht nur Vater einer kleinen Tochter geworden, sondern hat die Frau vom Konzert auch geheiratet. "Das ist natürlich eine große Sache, über die ich sehr glücklich bin", erzählt Willis. Auch im Tennis ging es aufwärts, nicht so schnell, wie er sich das gewünscht hätte, aber doch stetig. Er gewann ein kleines Turnier auf der untersten Profiebene und erreichte noch bei einem weiteren das Finale. In der Weltrangliste wird er nun auf Rang 380 gelistet - es ist fast die beste Platzierung seiner Karriere. Aber er traut sich noch mehr zu. "Ich kann es bis in die Top 100 schaffen", glaubt er. Vor allem auf Gras könne er es mit fast jedem Gegner aufnehmen.

Seinen Werdegang haben sie natürlich auch beim Marienburger SC aufmerksam verfolgt. Für den Kölner Klub schlägt Willis in der deutschen Regionalliga auf. "Die Menschen haben sich sehr gefreut, als ich in diesem Jahr zurückgekehrt bin", sagte er. In Wimbledon will Marcus Willis die nächsten Tage nun genießen und noch ein paar Runden im Doppel gewinnen. Die paar Kilo zu viel stören da auch nicht so. "Da sind ja nur kurze Distanzen zurückzulegen." Er lacht.

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