Wimbledon:Beifall fürs Feuerwerk

Wimbledon: Unnachahmlich in seinem Spiel: Dustin Brown

Unnachahmlich in seinem Spiel: Dustin Brown

(Foto: AFP)

Wieder begeistert Dustin Brown das Publikum auf dem Centre Court, doch diesmal gelingt dem Deutschen kein Coup - Titelverteidiger Andy Murray beherrscht den Ballartisten mit präzisem Konterspiel.

Von Barbara Klimke, London

Zu Andy Murrays Privilegien gehört, dass ihm zu allen Zeiten die Tore des vornehmen All England Clubs offen stehen. Alle Wimbledonsieger im Einzel werde automatisch zu Mitgliedern erhoben. Im Gegensatz zum Schweizer Roger Federer jedoch wohnen Murray und seine Familie in der englischen Grafschaft Surrey, und somit nur eine kurze Autofahrt entfernt. Von Murray, einem Schotten, weiß, man, dass er regelmäßig auf der Klubanlage trainiert, ob im Frühjahr, wenn der Flieder blüht, oder im Herbst, wenn sich die wilden Weinblätter an den Fassaden rot färben. Kürzlich wurde auf seine Anregung hin im Physiobereich des Klubs sogar ein Eisbad installiert, das er zuletzt häufig nutzte, um seine schmerzende Hüfte zu therapieren. Manchmal aber geht er ganz allein in den leeren Centre Court, setzt sich auf eine Bank, sinnt und sinniert. Er weiß, wie und aus welchen Richtungen auf diesem Platz die Bälle fliegen. Wie die Bälle springen. Und wie das Publikum reagiert.

Das kann hilfreich sein, wenn er in der zweiten Runde des Turniers gegen einen Gegner wie Dustin Brown anzutreten hat: einen der unkonventionellsten und unterhaltsamsten Spieler im Profigewerbe; einen Mann, der Zucker- oder Zauberschlag im Repertoire führt und der das Publikum zu Beifallsstürmen animiert.

Auf dem Hügel vor der Leinwand saßen Tausende - und Pippa Middleton besuchte die Royal Box

Jeder Platz war daher am Mittwochabend besetzt in der großen Arena. Auch auf dem Hügel vor der Videowand hatten sich Tausende niedergelassen, und in der Royal Box saß Pippa Middleton, die Schwester von Herzogin Kate, um mitzuerleben, wie Titelverteidiger Murray den Deutsch-Jamaikaner mit den Dreadlocks in einem munteren Match 6:3, 6;2 und 6:2 besiegte.

Dustin Brown, mittlerweile 32 Jahre alt, hat in London seine eigene Anhängerschaft, obwohl er dort nie einen Blumentopf gewann. Aber die Art und Weise, wie er 2015 auf dem Centre Court in der zweiten Runde mit fliegenden Rastazöpfen den großen Spanier Rafael Nadal austrickste, ist den Tennisliebhabern auf der Insel in Erinnerung geblieben. Auch der frühere US-Tennisprofi John McEnroe ist ein erklärter Fan. Jeder, der sich dafür interessierte, konnte am Mittwoch in den Zeitungen lesen, dass Browns Haare zuletzt 1996 geschnitten wurden - und zwar von seiner Mutter. Das Spiel gegen Nadal sei das wohl "das beste, das ich je gespielt habe", gewesen, sagte Brown vorab. Und er hätte nichts dagegen gehabt, hätte sich die Vergangenheit wiederholt.

Und so sorgte Braun am Mittwoch von Beginn an für Zirkusatmosphäre: Schon im ersten Spiel schlug er dem Titelverteidiger einen Smash um die Ohren. Fortan wetzte Murray kreuz und quer über den Platz, um die Bälle seines Gegners zu retournieren. Einen der spektakulärsten Schlagwechsel bot das vierte Spiel, als sich die beiden abwechselnd mit Smashs, Lobs und Volleys aus allen Lagen duellierten. Nach einer knappen halben Stunde gelang Murray dann das erste Break zum 5:3, an dem Brown mit einem Doppelfehler nicht ganz unbeteiligt war. "Von da wusste ich, dass sich das Spiel drehte", sagte Murray, "ich habe dann auch die Bälle schneller antizipiert". Kurz darauf war der erste Satz entschieden, und weil Brown nicht nur Kunstschläge, sondern auch 28 leichte Fehler in sein Spiel streute, war das Drei-Satz-Feuerwerk nach gut anderthalb Stunden endgültig vorbei.

Brown blieb nichts anderes übrig, als seinem Gegner zu gratulieren, die beiden verbindet gegenseitiger Respekt. Und anzuerkennen, dass zwischen der Nummer eins der Welt und der Nummer 97 dann doch ein Klassenunterschied besteht. "Ich habe kein Mittel gegen ihn gefunden, anders als damals gegen Nadal", sagte er bedauernd. Murray sei völlig unbeeindruckt von allem gewesen, was er auch diesem entgegengeschleudert habe. "Er war definitiv zu gut."

Wie Brown ist am Mittwoch auch der Münchner Peter Gojowczyk ausgeschieden, er verlor 2:6, 1:6, 6:3, 3:6 gegen den Spanier Roberto Bautista Agut. Der Bayreuther Florian Mayer musste sich nach großem Kampf dem früheren US-Open-Sieger Marin Cilic 6:7, 4:6 und 5:7 ebenfalls geschlagen geben. Eine Runde weiter ist dagegen Carina Witthöft aus Hamburg, die nach einem Dreisatzsieg gegen die weißrussische Qualifikantin Aryna Sabalenka nun in der dritten Runde steht. Brown wird in Wimbledon nun noch am Doppelwettbewerb teilnehmen mit seinem deutschen Partner Mischa Zverev. Und bei Murray, dem zweimaligen britischen Champion, darf man wohl davon ausgehen, dass er weiter von seinem Heimvorteil im All England Club Gebrauch macht. "Es war vielleicht nicht mein bestes Spiel", gab er zu, "aber ich habe bis kurz vor Ende gut aufgeschlagen, ich habe wenig Fehler gemacht und eine Menge Passierbälle geschlagen. Also kann ich sagen, dass ich zufrieden bin." Und die Hüfte spürte er auch nicht mehr.

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