Wettaffäre um den FC Bayern:"Keine Erinnerung"

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Die Affäre Uefa/Bayern nimmt Fahrt auf. Doch Widersprüche, Klagen und ein Streit drohen die Kernfrage zu überdecken. Die rankt sich um jenes Halbfinale 2008, das die Bayern bei Zenit St.Petersburg 0:4 verloren.

T. Kistner und J. Cáceres

Die Affäre um Wettszene-Insider Robin B., der die Disziplinarabteilung der europäischen Fußballunion Uefa unterwandert und auch den FC Bayern München massiv der Spielmanipulation bezichtigt haben soll, weitet sich aus. Die schweren Vorwürfe hatte der Stern in seinen jüngsten Ausgaben erhoben. Am Freitag teilte B.'s Münchner Anwalt Christian Bärnreuther mit, er gehe gegen das Magazin vor. "Wir haben eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verzichtserklärung geschickt, dazu soll sich der Stern bis Montag erklären. Sonst wird geklagt", sagte der Strafrechtler.

Die Kernfrage rankt sich um jenes Halbfinale 2008, das die Bayern bei Zenit St.Petersburg 0:4 verloren. (Foto: REUTERS)

Eine andere Anzeige ist raus: Die stellte letzte Woche, schon vor Erscheinen des Artikels, der FC Bayern gegen den vom Stern als "Wettbetrüger" bezeichneten B. sowie den Disziplinarchef der Uefa, Peter Limacher. Der Klub wehrt sich gegen Verleumdungen, die Limachers Experte B. laut Stern gegen Funktionäre und Spieler des Rekordmeisters erhoben haben soll, im Beisein Limachers: Da sei von Razzien bei hohen Klubvertretern die Rede gewesen, vom Kokain-Fund bei einem Spieler und Bankbelegen, dass das Uefa-Cup-Halbfinale 2008 an russische Kriminelle verkauft worden sein soll. Die empörten Bayern weisen all das vehement zurück. Limacher wiederum weist die Darstellung zurück, er habe derlei Gerüchte überhaupt in die Welt gesetzt.

Dementi des Staatsanwalts

Der Streit droht die Kernfrage zu überdecken, die sich um jenes Halbfinale 2008 rankt, das die Bayern bei Zenit St.Petersburg 0:4 verloren. Diese Frage wurde nicht von Zockern aufgeworfen, sondern von der Strafverfolgungsbehörde in Madrid. Sie hatte im Herbst 2008 Telefonmitschnitte ausgewertet, in denen ein russischer Geldwäscher einem Mafia-Kollegen erzählte, er habe besagte Partie mit "50 Millionen" manipuliert; Währung wurde nicht genannt. Die Spanier nahmen die Sache so ernst, dass sie ein Rechtshilfe-Ersuchen gen München richteten. Ob und was seither passierte, ist nur vage bekannt; die Sache sei "bearbeitet worden", sagt die Münchner Behörde.

Indes relativierte der spanische Anti-Korruptions-Staatsanwalt José Grinda gegenüber der SZ die ihn betreffenden Angaben des Stern. Das Magazin hatte berichtet, Limacher und B. hätten dem Staatsanwalt "im Großen und Ganzen jene Geschichte" erzählt, die sie Wochen später auch dem Stern unterbreitet hätten. Das Uefa-Duo habe den spanischen Ermittlern Ende April aufgetischt, dass gegen die Bayern Korruptionsbeweise vorlägen und Häuser von Vorständen durchsucht worden seien.

Damit konfrontiert, sagte Grinda beim Treffen mit der SZ in seinem Madrider Büro, er habe aus dem ausführlichen Gespräch mit Limacher und B. am 30.April "keine Erinnerung": Weder an behauptete Razzien beim FC Bayern, noch an Kokain-Funde oder an Hinweise auf Kontenbewegungen im achtstelligen Bereich. Grinda verneint auch die Frage, ob ihm das Duo versprochenes Beweismaterial schuldig geblieben sei. Er bestätigte der SZ auch schriftlich: Er habe kein Material oder Belege vom Uefa-Duo erwartet.

Akte wandert nach Hamburg

Fragen ranken sich um weitere Themen. So hat die Münchner Staatsanwaltschaft bereits erklärt, Wett-Ermittler B. sei nach ihrer Kenntnis nicht in einem Zeugenschutzprogramm, wie behauptet - "liefe er dann mit Klarnamen herum?", fragte eine Sprecherin. Anfang der Woche gab die Behörde die Bayern-Klage nach Hamburg ab, weil dort das Magazin residiere. B.'s Anwalt Bärnreuther findet das eigenartig, er will "eruieren, was der Grund für die Abgabe des Falls nach Hamburg war". Es klage ein Münchner Klub gegen einen Münchner Bürger.

Steht die Affäre erst am Anfang? Offen sind viele Fragen. So wird B. massiv durch Zitate aus einem angeblichen Geheimdossier belastet, das der Weltverband Fifa über einen Auftritt B.'s bei der WM in Südafrika verfasst haben soll. Darin habe die Fifa sogar die Gefahr ausgemalt, die Uefa könne "internationale Spielmanipulation unterstützen", indem sie einem dubiosen Mitarbeiter Zugang zu ihren Frühwarnsystemen gewährt habe.

Skeptische Uefa-Leute fragen jetzt, ob dieses heikle Fifa-Dossier nicht sofort der womöglich ja "schwer beschädigten" Uefa, Mitgliedsverband der Fifa, zur Verfügung gestellt worden sei? Die Fifa ließ diese und andere Fragen unbeantwortet. Die Uefa will sich bis Ende ihrer internen Ermittlung nicht äußern. Nur: Zu B. gebe es "keinen Kontakt", sagte ein Sprecher. Und Limacher sei nicht suspendiert.

© SZ vom 25.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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