Wada:Hacker veröffentlichen Dopingtest-Daten deutscher Sportler

Lesezeit: 2 min

Robert Harting (Foto: dpa)
  • Die mutmaßlich russische Hackergruppe "Fancy Bear" hat Dopingtest-Daten von vier deutschen Sportlern geleakt.
  • Die Hacker sprechen von "sensationellen Belegen" für "dreckige Methoden", obwohl keiner der Sportler ein Dopingvergehen begangen hat.
  • Sportler dürfen Medikamente mit verbannten Substanzen nehmen, solange sie nachweislich krank sind und eine Genehmigung mit sich führen.

Von Johannes Knuth

Die Hacker-Gruppe "Fancy Bear" hat weitere Details über medizinische Berichte von Top-Athleten veröffentlicht. Unter den insgesamt 25 Athleten sind erstmals auch deutsche Sportler: die Leichtathleten Robert Harting und Christina Obergföll sowie die Schwimmer Christian vom Lehn, Franziska Hentke und Christian Reichert.

Ein Dopingvergehen hat keiner dieser Athleten begangen, da für die aufgeführten verbotenen Substanzen Ausnahmegenehmigungen vorlagen. Den Vorgang bestätigte die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, deren Datenbank die Gruppe gehackt hatte. Unter den 25 Athleten aus acht Nationen sind auch die beiden britischen Tour-de-France-Sieger Christopher Froome und Bradley Wiggins.

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"Seid gegrüßt, Erdbewohner", so stellt sich Fancy Bear im Internet der Weltöffentlichkeit vor. Man sei eine internationale Vereinigung von Hackern. Außerdem stehe man für Fair Play und sauberen Sport. Diese Basis habe man genutzt, um die Datenbank der Wada mal etwas genauer zu "studieren". Dabei sei man auf "sensationelle Belege" für die "dreckigen Methoden" gestoßen, zunächst vor allem von Sportlern aus den USA, der erfolgreichsten Nation bei den Sommerspielen von Rio de Janeiro.

Der Angriff wirft auch Fragen zu Anti-Doping-Regeln auf

Am Dienstag hatten die Hacker erstmals Dokumente ins Internet gestellt. Die Papiere sind echt; die Wada bestätigte, dass man beraubt worden sei, die Spur führe zu russischen Hackern. Allerdings enthielten die illegal erworbenen Funde wenig Sensationelles.

Sie zeigten medizinische Ausnahmegenehmigungen von amerikanischen Athleten, von Simone Biles, der viermaligen Turn-Olympiasiegerin von Rio, den Tennisspielerinnen Venus und Serena Williams sowie Basketballerin Elena Delle Donne. Die Genehmigungen erlauben ihnen, Medikamente zu nehmen, die auch leistungsfördernde Substanzen enthalten. Mit den Methoden der Hacker werde der Ruf von sauberen Athleten befleckt, teilte das Internationale Olympische Komitee empört mit. Die genannten Athleten hätten "bei den Olympischen Spielen kein Dopingvergehen begangen".

Das trifft nach Lage der Dinge zu. Sportler dürfen Medikamente mit verbannten Substanzen nehmen, solange sie nachweislich krank sind und eine Genehmigung mit sich führen, eine "Therapeutic Use Exemption", kurz: TUE. Die besaßen die Sportler offenkundig. Sie leide seit Kindheitstagen an einem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, teilte Biles mit, sie habe "immer die Regeln befolgt". Williams und Delle Donne ließen ähnliche Statements verbreiten.

Doch wie sauber sind die Regeln selbst?

TUEs gelten seit Langem als Grauzone, als Bypass für Athleten, die über angebliche Krankheiten Zugang zu leistungsfördernden Mitteln erhalten. Mittlerweile sind diverse Fälle aktenkundig, bei denen sich Athleten TUEs mithilfe gefälschter Atteste erschlichen. Fakt ist, dass immer mehr Sportler Ausnahmen geltend machen. 2013 waren 636 TUEs bei der Wada registriert, 2014 schon 897, 2015 bereits 1330, wie die Agentur zuletzt mitteilte.

Werden Spitzensportler immer kränker? "Wenn ein Hochleistungsathlet liest, was er alles nehmen darf, wenn er einen Arzt findet, der ihm die Ausnahmegenehmigung erteilt - dann ist es für mich logisch und konsequent, dass er das auch versucht", sagte Anti-Doping-Experte Perikles Simon dem Tagesspiegel. "Es darf im Elitesport überhaupt keine Ausnahmegenehmigungen geben, weil sie den Wettbewerb verzerren. Wenn einer krank ist, dann kann er eben nicht im Hochleistungssport starten."

Die Motive der Hacker sind noch unklar. Hinter Fancy Bear könnte laut Branchenkennern eine russische Gruppe stecken, die vor zwei Jahren auch einen Angriff auf den Bundestag orchestriert haben soll. Mehrere Wada-Kommissionen hatten im vergangenen Jahr Staatsdoping in Russlands Sport festgestellt, die russischen Leichtathleten wurden kollektiv von Olympia ausgeschlossen.

Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow sagte am Mittwoch: "Wir können ohne Zögern eine Beteiligung der russischen Regierung oder eines russischen Geheimdienstes ausschließen." So oder so: Fancy Bear hat bereits neue Enthüllungen versprochen.

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