Viertelfinale der Champions League:Ellbogen voraus

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  • Erst überragt Torhüter Oblak, dann die vielen Nickligkeiten: Im Madrider Champions-League-Derby kann Real seine Vorteile nicht ausnutzen.
  • Durch das 0:0 reist Atlético zum Rückspiel mit gar nicht so schlechten Chancen an.
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Von Joachim Mölter, Madrid

Der obligatorische Handschlag zwischen den Trainern fiel aus, Diego Simeone, der Übungsleiter von Atlético Madrid, hastete nach dem 0:0 im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League gegen den Lokalrivalen Real Madrid umgehend in die Kabine, vermutlich zur Abkühlung. Während der Partie hatte es schon genug Handgreiflichkeiten zwischen den Akteuren beider Teams gegeben. Die Neuauflage des Vorjahres-Finales, in dem Real nach Verlängerung 4:1 triumphiert hatte, war eine hitzige Angelegenheit gewesen an diesem Dienstagabend, "ein sehr intensives, sehr emotionales Spiel", wie Reals Trainer Carlo Ancelotti befand. Die Fortsetzung folgt am kommenden Mittwoch beim Rückspiel, dann im Bernabéu-Stadion von Real.

"Wir müssen nicht gewinnen, wir können auch mit zwei Unentschieden weiterkommen", hatte Ancelotti vor der Partie gesagt. Nach diesem 0:0 kann der Titelverteidiger aber allenfalls übers Elfmeterschießen weiterkommen, falls es nächste Woche wieder keinen Sieger gibt. Jedes Unentschieden, bei dem Tore fallen, bringt Atlético ins Halbfinale; ein Sieg sowieso. "Ganz zufrieden mit dem Ergebnis können wir nicht sein", urteilte daher Toni Kroos, der Weltmeister in Diensten von Real Madrid. "Wir haben eine sehr, sehr gute erste Halbzeit gehabt, aber in der zweiten unser Spiel nicht mehr durchbringen können." Ähnlich sah es Ancelotti: "Wir hätten das Spiel in der ersten Halbzeit entscheiden können. Jetzt müssen wir zu Hause gewinnen."

Keine leichte Aufgabe. Es war ja bereits das siebte Aufeinandertreffen der beiden Madrider Klubs in dieser Saison, kein einziges Mal hat Real gewonnen: Zwei Derbys gab es im spanischen Supercup (1:1 und 0:1), zwei in der Copa del Rey (0:2 und 2:2), zwei im Ligabetrieb (1:2 und 0:4). Jenes 4:0 im Februar hatte dem Selbstbewusstsein der Rojiblancos von Atlético gut getan. "Sie haben es in den letzten Spielen gut gegen uns gemacht", sagte Ancelotti: "Aber sie sind nicht unsere Bestia Negra."

Atlético ist also nicht der neue Angstgegner von Real - dass das nicht bloß eine Schutzbehauptung war, bewies Ancelotti mit seiner offensiven Aufstellung. Die lange verletzten Luka Modric und James Rodríguez kehrten ins Mittelfeld zurück, direkt vor den zentral agierenden Kroos. Und von Beginn an übernahmen die Gäste das Kommando im ehrwürdigen Estádio Vicente Calderon, dem Altbau im Süden der City, an dem sich eine Stadt-Autobahn sowie der Fluss Manzanares vorbeischlängelt.

Die 52 553 Zuschauer hatten sich noch gar nicht richtig eingestimmt, da musste Atléticos Torhüter Jan Oblak schon zum ersten Mal klären: Nach einem Stellungsfehler von Innenverteidiger Diego Godin lief Reals Außenangreifer Gareth Bale in der dritten Minute allein auf ihn zu, schoss den Ball aber aus 13 Metern nicht ins Tor, sondern an Oblaks ausgestreckten Arm. Der 22 Jahre alte Slowene bekam auch in der Folgezeit eine Menge zu tun, weil Reals schnelle und ballsichere Feinfüßler immer wieder Lücken in Atléticos Abwehr rissen und zum Abschluss kamen: erst Cristiano Ronaldo bei einem Freistoß (9.), dann wieder Bale aus der Ferne (31.), danach James mit dem Außenrist (37.) und schließlich noch Modric, dessen Schuss nur knapp über die Latte strich (39.).

Atlético hingegen kam im eigenen Stadion kaum einmal aus der eigenen Hälfte heraus und noch seltener vor das von Iker Casillas gehütete Real-Tor. Erst in der 37. Minute war der 33-Jährige erstmals gefordert, als er einen Schuss von Antoine Griezman entschärfte. Die Vorarbeit dazu hatte allerdings Reals Innenverteidiger Sergio Ramos mit einem Fehlpass geleistet.

War die Partie vor der Pause trotz aller Rivalität noch halbwegs friedlich verlaufen, so wurde sie nach dem Seitenwechsel giftiger. Offenbar hatte Atléticos Coach Diego Simeone in der Kabine etwas von seinem berüchtigten Temperament an seine Akteure weitergegeben, denn die besannen sich auf jene Tugenden, mit denen sie es in der vorigen Saison zum Titelgewinn in Spanien und bis ins Finale der Champions League geschafft hatten: Leidenschaft, Bissigkeit. Die schärfere Gangart bekam aber zunächst vor allem Atléticos Sturmspitze Mario Mandzukic zu spüren.

Der ehemalige FC-Bayern-Profi erlitt nach einem Luftduell im Strafraum gegen Ramos eine Platzwunde an der Stirn (51.), wegen der er mehrmals an der Seitenlinie behandelt werden musste. Später boxte ihn Außenverteidiger Daniel Carvajal auch noch an die Brust - eine klare Tätlichkeit, die mit einer roten Karte hätte geahndet werden müssen, wenn Schiedsrichter Milorad Mazic (Serbien) sie gesehen hätte (61.).

Spielerisch hatte die Partie nicht mehr viel zu bieten, sie lebte nur noch vom intensiven Kampf der Kontrahenten, vor allem Mandzukic und Ramos beharkten sich immer wieder, meist mit den Ellbogen voraus. Der Kroate, der zwischenzeitlich wegen eines banalen Handspiels eine der erstaunlicherweise nur fünf gelben Karten gesehen hatte, bewegte sich dabei auch wegen seines ständigen Reklamierens am Rande eines Platzverweises. Immerhin schafften es die Gastgeber, das Geschehen etwas ausgeglichener zu gestalten, zwingende Gelegenheiten ergaben sich aber genauso wenig wie auf der anderen Seite.

© SZ vom 15.04.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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