VfL Wolfsburg:Neuaufbau nach der Alleinherrschaft

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Die Verantwortlichen des VfL Wolfsburg sind nach der Trennung von Felix Magath an allen Fronten gefordert. Sie müssen einen Manager und einen Trainer suchen - und über umstrittene Geschäfte Auskunft geben.

Boris Herrmann und Klaus Ott

VfL Wolfsburg
:Der Trainer-Verschleiß-Verein

Felix Magath, Klaus Augenthaler, Eric Gerets, Holger Fach: Die Vorgänger von Dieter Hecking als Trainer des VfL Wolfsburg haben es stets nicht sonderlich lange ausgehalten. Im Schnitt verbraucht der Verein pro Saison fast einen Trainer - dabei hielt die längste Amtszeit fünf Jahre. Fast vergessene Namen sind dabei. Eine Chronologie in Bildern.

in Bildern

"Ich schaffe das nicht allein." Dieser Satz von Wolfsburgs Interimscoach Lorenz-Günther Köstner ist im Prinzip eine Selbstverständlichkeit. Aber nach zwei Mal zwei Jahren unter dem nahezu allmächtigen Trainermanager Felix Magath wird dieser Satz in Wolfsburg als kleine Sensation gefeiert. Magath hat den VfL zuletzt mit dem größten denkbaren Personalaufwand auf den letzten Platz der Tabelle geführt. Am Donnerstag wurde er entlassen. Und auf einmal sind sich alle einig am Mittellandkanal: Das Modell Alleinherrschaft ist gescheitert!

Diese Erkenntnis hatte der Klub allerdings auch vor gut zwei Jahren schon einmal, als sich der Manager Dieter Hoeneß die Gewalten mit diversen Trainern teilte. Der zweite Versuch mit dem Machtmenschen Magath hat den VfL im Nachhinein viel Geld und noch mehr Sympathien gekostet. Zumal der Amateurtrainer Köstner, der 2010 beim damaligen Meister schon einmal als Nothelfer eingesprungen war, nüchtern festhält: "In meiner ersten Zeit hatte ich eine erstklassige Mannschaft übernommen. Jetzt funktioniert sie noch nicht." Vor seinem ersten Arbeitseinsatz, dem Auswärtsspiel am Samstag in Düsseldorf, war Köstner deshalb zunächst einmal mit den gröbsten Aufräumarbeiten beschäftigt. Es galt, aus dem 35-Mann-Kader die 19 Besten herauszupicken. Auch das war in Wolfsburg zuletzt keine Selbstverständlichkeit mehr gewesen.

Im ICE nach Düsseldorf saßen am Freitag unter anderem der dänische Verteidiger Simon Kjaer sowie der brasilianische Spielmacher Diego. Beide werden wohl in der Startelf stehen. Unter Magath waren sie zum wiederholten Male in Ungnade gefallen. Auch der tschechische Nationalspieler Jan Polak sowie Makoto Hasebe, Kapitän der japanischen Nationalelf, dürfen wieder mitwirken. Mit einer Stimmungs- und Qualitätsoffensive soll Köstner den Klub aus der Abstiegszone herausführen.

Neben Toren und Punkten könnten dem VfL künftig aber auch eine Menge Euros fehlen. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat zwei VW-Manager und drei ehemalige Mitarbeiter und Berater der Telekom-Tochter T-Systems angeklagt, weil sie ein unlauteres Sponsorengeschäft geplant haben sollen. Das sei Korruption gewesen, so der Vorwurf, den die Beschuldigten zurückweisen; die Stuttgarter Justiz ist zuständig, weil dort einer der Verdächtigen wohnt. Ausgerechnet jetzt, mitten in der Wolfsburger Krise, muss der VW-Einkaufsvorstand und VfL-Aufsichtsratschef Francisco Javier Garcia Sanz zur Polizei. Die Ermittler wollen ihn am 9. November als Zeugen hören. Garcia Sanz muss bis ins Detail Auskunft geben über die Geschäfte zwischen VW und dem VfL. Über alle Verträge, alle Mitarbeiter, alle wichtigen Vorgänge. Und darüber, wie viel Geld der Konzern in seinen Werksklub pumpt.

Immerhin geht es um den Vorwurf, VW habe die Vergabe von lukrativen Aufträgen an seine Zulieferer immer wieder mal an ein Sponsoring beim VfL gekoppelt. Die Ermittler haben bei einer Razzia viele Strategiepapiere, Vermerke und E-Mails gefunden, die den Verdacht stützen. So sollen zusätzlich zum Sponsorgeld von VW - rund 70 Millionen Euro pro Saison - noch weitere Millionen in die VfL-Kasse geflossen sein. Geld, das Magath mit vollen Händen für seinen ohnehin aufgeblähten Kader ausgab. Nun muss Garcia der Polizei erläutern, warum er bei VW des öfteren eingeschaltet und teilweise sogar um "Freigabe" gebeten wurde, wenn VW-Lieferanten beim VfL als Sponsor einsteigen sollten.

Leitet vorerst das Training in Wolfsburg: Lorenz-Günther Köstner. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Kriminaler waren bei ihren Nachforschungen sehr überrascht, dass ausgerechnet Firmen, die mit ihren Produkten nur andere Firmen und gar nicht die Verbraucher beliefern, mit Fußball beim Massenpublikum für sich werben. Den Ermittlern erschien das sinnlos. Sie kamen zum Ergebnis, dass diverse Unternehmen "nicht ganz freiwillig" in ein VfL-Sponsoring einwilligten. VW weist das zurück, aber damit dürfte sich die Polizei nicht zufrieden geben. Garcia Sanz muss vieles erläutern. Dabei hätte er eigentlich schon genug zu tun. Es geht zunächst einmal ganz simpel darum, beim VfL den Betrieb aufrecht zu erhalten.

Gemeinsam mit den verbliebenen Geschäftsführern Thomas Röttgermann und Wolfgang Hotze muss er möglichst schnell einen neuen Manager finden, der dann wiederum einen neuen Trainer suchen soll. Auf dem freien Markt ist das Angebot für beide Positionen zurzeit eher spärlich. Das ist schon daran zu erkennen, welche Namen durch die Gerüchteküche gejagt werden: Christian Nerlinger, Dietmar Beiersdorfer, Christian Hochstätter - allesamt Manager, die zuletzt wenig erfolgreich waren. Alternativ bestünde in Wolfsburg die Möglichkeit, sich einen Markt selbst zu schaffen, indem man einen Wunsch-Kandidaten aus einem Vertrag herauskauft; Martin Bader (Nürnberg) und Ralf Rangnick (Salzburg/Leipzig) stehen für diese Variante. Fest steht allerdings schon jetzt, dass das Wolfsburger Machtvakuum die Branche eine Weile in Aufregung versetzen wird. Hannovers Präsident Martin Kind etwa musste schon mal prophylaktisch betonen, dass weder sein Trainer Mirko Slomka noch sein Manager Jörg Schmadtke für einen Abwerbeversuch aus der Nachbarschaft zur Verfügung stünden.

Als dritte Kategorie kämen ambitionierte Berufsanfänger in Frage; etwa der ehemalige VfL-Profi Stefan Schnoor. Eine Trainerlizenz besitzt inzwischen aber auch Stefan Effenberg, auch er hat schon in Wolfsburg gekickt. Es ist kein Geheimnis, dass der VW-Boss Martin Winterkorn einen engen Draht zu Uli Hoeneß nach München unterhält. Weshalb es keine Überraschung ist, dass auf der Kandidatenliste für den Managerposten auch der ehemalige Bayern-Torwart Oliver Kahn auftaucht. Und Hoeneß hätte bestimmt nichts dagegen, wenn einer aus der Fernseh-Guru-Riege um Effenberg oder Kahn demnächst anderweitig beschäftigt wäre.

© SZ vom 27.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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