VfL Wolfsburg:Angst vor Plan B

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Trotz der peinlichen Pokalpleite gegen Energie Cottbus setzt der VfL Wolfsburg weiter auf Trainer Steve McClaren. Die Probleme bleiben vermutlich trotzdem - auch die in der Kabine.

Boris Herrmann

Steve McClaren wollte am Donnerstagmorgen laut Plan nach Nordengland reisen, Dieter Hoeneß hatte eine Maschine gen Süden gebucht, aber der Trainer und der Manager des VfL Wolfsburg haben sich dann doch lieber in der Mitte getroffen - zur Krisensitzung in der VW-Arena. Nach dem mehr als peinlichen 1:3 im Pokal gegen den Zweitligisten Energie Cottbus ist es dabei nur um einen Tagesordnungspunkt gegangen: Brauchen wir eine neue Mannschaft oder einen neuen Trainer?

"Wir sind ganz unten angekommen. Der Klub braucht jetzt Veränderungen": Steve McClaren nach dem 1:3 gegen Wolfsburg. (Foto: dapd)

"Wir sehen das Problem vorwiegend in der Mannschaft", sagte Hoeneß, als die Herren nach drei Stunden auseinander gingen. Sie haben sich also einstweilen für einen von innen und von außen zu erneuernden Kader entschieden. Als erstes Signal wurden die beiden Hinterbänkler Karim Ziani und Caiuby suspendiert.

Der 49-jährige McClaren dagegen darf sich tatsächlich auch in der Rückrunde versuchen, ungeachtet der Tatsache, dass er am Mittwochabend ein schlagendes Argument gegen seine Weiterbeschäftigung ins Feld geführt hatte: "Es war heute einfach nicht genug, es war in der ganzen Hinrunde einfach nicht genug."

Gerade einmal 10.900 Besucher wohnten dem Debakel im Stadion bei, zu McClarens Unglück hieß einer davon ausgerechnet Martin Winterkorn. Der Chef des Volkswagen-Konzerns soll sein grün-weißes Spielzimmer wutentbrannt verlassen haben. Und auch Hoeneß hat man in seiner langen Karriere als Fußballmanager selten so konsterniert erlebt wie an diesem Abend. "Darauf war ich nicht vorbereitet", stammelte er, "ich habe keinen Plan B".

Dem Vernehmen nach hatten sich Hoeneß und die VW-Bosse vor dem Spiel auf einen Plan A geeinigt, der darin bestand mit McClaren in die Rückrunde zu gehen - falls gegen Cottbus keine Katastrophe passiert. Es ist dann zu einer totalen Katastrophe gekommen. Und die große Weihnachtsüberraschung ist, dass Plan A trotzdem Bestand haben soll. "Du kannst einen Trainer ändern, aber die Probleme würden bleiben", argumentierte Hoeneß.

Wer sich die vergangenen Wochen in der ersten und zweiten Liga umsah, für den kann es keine Sensation gewesen sein, dass Cottbus in Wolfsburg gewonnen hat. Wie wehrlos sich McClarens Spieler vor allem in der ersten Halbzeit ihrem Schicksal ergaben, war dann aber doch wieder sensationell. Nils Petersen (2./43) und Jiayi Shao (40.) erzielten ihre Tore jedenfalls in niedersächsischer Einsamkeit. Und als McClaren nach dem Schlusspfiff feststellte: "Wir sind ganz unten angekommen. Der Klub braucht jetzt Veränderungen", klang da bereits ein Abschiedsgruß durch.

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Auch wenn der möglicherweise etwas voreilig kam, bleibt von diesem Pokalspiel der Eindruck zurück, dass der erste englische Trainer in der Bundesliga endgültig gescheitert ist. Er mag ein charmanter und humorvoller Mensch sein, aber er hat es nie geschafft, seinem Team auch nur den ersten Kringel einer Handschrift zu verleihen.

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Unter McClaren hat der VfL Wolfsburg seit August dieses Jahres nicht ein einziges Mal 90 Minuten am Stück überzeugt und steht völlig zurecht auf Rang 13 der Ligatabelle. McClaren räumt ein: "Wir haben Probleme in der Kabine und Probleme auf dem Feld."

Tatsächlich hängt beides eng miteinander zusammen. Jene unfassbar breite Gletscherspalte, die beim VfL regelmäßig dort klafft, wo bei anderen Teams das Mittelfeld ist, setzt sich bis in die Umkleidekabine fort. Die Angreifer, zu denen auch Spielmacher Diego gehört, halten der Abwehr vor, sie engagierten sich zu wenig in der Offensive.

Die Verteidiger sehen es genau umgekehrt. Es hat sechs Monate gedauert, bis McClaren diese sogenannte Mannschaft überhaupt dazu bewegen konnte, sich mal vor dem Anpfiff zu einem Kreis zu formieren.

Wie zu hören ist, hat McClaren im Aufsichtsrat des Werksklubs alle Sympathien längst verspielt. Manager Hoeneß dagegen versucht, seinen Coach mit allen Mitteln zu stützen. Wohl auch deshalb, weil ihm die undankbare Aufgabe zufiele, einen Nachfolger zu finden, der erstens gut, zweitens Weltkonzern-kompatibel und drittens Hoeneß-kompatibel sein müsste. Der Manager mag sich noch mit Schrecken daran erinnern, wie lange er im Frühjahr gesucht hatte, bis er endlich McClaren fand.

Sollte der Brite nach der kurzen Winterpause indes nicht mit einem völlig verwandelten Team auftreten, dann wird ihn Hoeneß über kurz oder lang wohl auch deshalb opfern müssen, damit die Krise nicht gar zu sehr mit ihm selbst in Verbindung gebracht wird. Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, als Hoeneß sein Büro in der VW-Arena bezog. 40 Millionen Euro hat er seitdem in neues Personal investiert. Ein Volltreffer war bislang noch nicht auszumachen - den Trainer eingeschlossen.

© SZ vom 24.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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