VfB-Remis in Dortmund:Ein Punkt gegen das Gift

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Mitreißender Kampf: Dortmunds Joseph-Claude Gyau (unten) und Vedad Ibisevic vom VfB Stuttgart. (Foto: dpa)

40 Minuten vor Spielbeginn entlässt der VfB Stuttgart offiziell seinen Sportvorstand Bobic. Die Mannschaft spielt danach stark verbessert - profitiert bei dem Unentschieden allerdings von der Dortmunder Abwehr. Die BVB-Verteidiger sind hilflos wie Lehrlinge.

Von Felix Meininghaus, Dortmund

Armin Veh wusste nicht, wohin mit seinen Gefühlen. Der Trainer des VfB Stuttgart sollte seine Einschätzung abgeben, wie er das 2:2 (0:0) in Dortmund erlebt habe. Das war kein leichtes Unterfangen. Schließlich hatte es ja nicht nur die turbulenten 94 Minuten gegeben, sondern auch ein kurioses Vorspiel. Veh erklärte das Naheliegende: "Ich bin hin- und hergerissen", und bezog dieses Urteil zunächst einmal auf das Gastspiel bei Borussia Dortmund: "Ganz klar, wenn du 2:0 führst, willst du das Spiel auch nach Hause bringen. Aber am Schluss können wir sogar noch verlieren. Aber es war eine beachtliche Leistung nach dieser Vorgeschichte."

Das Präludium, das waren die bizarren Geschehnisse um die Entlassung von Sportdirektor Fredi Bobic. Der 42-jährige Ex-Nationalspieler war am Vormittag telefonisch davon unterrichtet worden, dass seine Dienste ab sofort nicht mehr erwünscht seien und war nach Stuttgart zurückgefahren. Die abendliche Partie erlebte er schon nicht mehr im Dortmunder Stadion.

Was den ganzen Tag über durch die Medien ging, wurde viele Stunden später verkündet: Genau 40 Minuten vor Spielbeginn veröffentlichte der VfB eine offizielle Stellungnahme des Klubs auf seiner Homepage: "Ausschlaggebend für diesen Schritt sind die anhaltenden negativen sportlichen Platzierungen sowie die Tatsache, dass wir in der jetzigen personellen Konstellation keine Perspektiven mehr sehen, eine nachhaltig positive Entwicklung einzuleiten", verkündete der Aufsichtsratsvorsitzende Joachim Schmidt ( hier geht's zur Tabelle).

Schlechter könnte das Zeugnis nach vier Jahren kaum sein. Doch auch Bobic' ehemaliger Arbeitgeber steht nicht gut da. Das kuriose Timing ist ein weiterer Beleg dafür, wie weit sich die handelnden Personen in Stuttgart von strategischem Denken und Handeln entfernt haben. Diese Demission wird Eingang finden in das an Anekdoten reiche Schatzkästchen mit Kuriositäten aus dem deutschen Fußball.

Getoppt wird sie eigentlich nur von der Entlassung von Toni Schumacher als Trainer beim damaligen Zweitligisten Fortuna Köln. Am 15. Dezember 1999 tauchte Präsident Jean Löring in der Halbzeit des Spiels gegen den SV Waldhof Mannheim wutentbrannt in der Kabine auf und feuerte den ehemaligen Torhüter fristlos. Überliefert sind die Worte: "Du hast hier nichts mehr zu sagen, du Wichser!"

Ganz so stillos ist die Personalie Bobic in Stuttgart dann doch nicht behandelt worden. "Der Zeitpunkt am Spieltag ist schon verwunderlich", sagte Veh, der deutlicher nicht werden mochte. Schließlich ist er ja als Angestellter des VfB seinem Arbeitgeber zur Loyalität verpflichtet. Viel mehr Worte waren auch gar nicht nötig, Vehs Mimik allein sprach schon Bände. Über seinen Ex-Kollegen fand der 53-Jährige nur lobende Worte. Er habe zwar nicht länger als drei Monate mit Bobic zusammengearbeitet, ihn aber "in dieser Zeit schätzen gelernt. Er hat einen sehr guten Charakter."

Wer nun im Ländle als Nachfolger vorgestellt wird, ist noch offen. Fest steht, dass Veh keine Ambitionen hegt, diesen Posten auch noch zu übernehmen. Die entsprechende Frage verneinte er vehement und verwies augenzwinkernd auf seine Zeit beim damaligen Deutschen Meister VfL Wolfsburg, als er Felix Magath als Trainer, Sportdirektor und Geschäftsführer in Personalunion beerbte.

Nach wenigen Monaten habe er angemahnt, "im Sommer müssen wir das ändern", erinnert sich Veh grinsend, "aber dann sind sie mir zuvorgekommen." Ihn ereilte das gleiche Schicksal wie nun Bobic.

Nach Bobic-Entlassung beim VfB
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Eine Manager-Entlassung nach vier Spieltagen ist auch in dieser wilden Fußball-Branche nicht marktüblich. Nach dem schwachen Saisonstart und anwachsender Kritik aus dem Umfeld trennt sich der VfB Stuttgart von Fredi Bobic - und hofft auf die Rückkehr eines Verflossenen.

Von Christof Kneer

In der ganzen Aufregung geriet beinahe in Vergessenheit, dass in Dortmund auch noch Fußball gespielt wurde. Was schade war, denn das Spiel bot in der zweiten Halbzeit ein großes Spektakel, bei dem die Gäste aus Schwaben überhaupt nicht wie ein Tabellenletzter agierten und sich einen 2:0-Vorsprung erspielten, den sie in der turbulenten Schlussphase wieder hergaben. "Ein Sieg hätte uns einen Riesen-Schwung gegeben, um die Verunsicherung abzuschütteln", sagte Veh.

Allerdings erleichterten die Dortmunder ihren Gästen das Toreschießen enorm, weil sie in der Rückwärtsbewegung teilweise hilflos wie Lehrlinge agierten. BVB-Trainer Jürgen Klopp monierte "gravierende Abwehrfehler", deutlicher wurde Weltmeister Mats Hummels: "Neun Gegentore nach fünf Spielen, das ist nicht nur ein schlechter Wert, sondern ein sehr schlechter. Wenn du jedes Mal zwei Gegentreffer kassierst, wird es schwer, zu gewinnen."

Dass die Dortmunder am Ende nicht mit ganz leeren Händen dastanden, hatten sie ihrem Publikum zu verdanken, das seine Mannschaft unverzagt nach vorn peitschte. "Die Fans waren unglaublich und haben uns geholfen, zurückzukommen", sagte Klopp: "Eine Situation wie in anderen Stadien, dass die Mannschaft gegen die Fans spielen muss, gibt es bei uns zum Glück nicht."

In dem Moment blickte Armin Veh ein wenig neidisch zum Kollegen herüber und sagte: "Das stimmt. So etwas würde uns auch helfen. Leider ist die Situation bei uns momentan ziemlich vergiftet."

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