VfB-Niederlage gegen Schalke:Stevens und die verkehrte Welt

VfB Stuttgart's Klein reacts after their Bundesliga first division soccer match against FC Schalke 04 in Gelsenkirchen

Am Boden: Florian Klein nach der Niederlage gegen Schalke

(Foto: REUTERS)

Der VfB Stuttgart überzeugt gegen Schalke mit einer verblüffenden Leichtigkeit. Doch dann kommt die 89. Minute - und Huub Stevens Team sieht nun einem Jahr ohne Bundesliga entgegen.

Von Milan Pavlovic, Gelsenkirchen

Filip Kostic hätte der entscheidende Spieler werden können. Wurde er auch, aber nicht so, wie er wollte. Der offensive Mittelfeldspieler erzielte ein Tor, entblößte über links alle denkbaren Schwächen des FC Schalke 04 und ließ Weltmeister Benedikt Höwedes wie einen fußlahmen Außenverteidiger aussehen. Doch als es darum ging, den entscheidenden Treffer zu erzielen und den VfB Stuttgart vom letzten Platz wegzuschießen, scheiterte der Serbe gleich mehrmals - in vielversprechenden Situationen, die er zum Teil zu hastig anging.

Was am Ende blieb, war nach einer 2:1-Führung eine extrem unglückliche 2:3 (1:1)-Niederlage, durch die der Rückstand der Schwaben auf den Relegationsrang auf drei Punkte angewachsen ist.

Die Woche war so geprägt gewesen von Meldungen über das außerordentliche Trainingslager von Schalke 04, dass man fast vergessen konnte, dass es für den VfB Stuttgart noch um deutlich mehr geht als für den Klub aus dem Ruhrpott. Denn während für die Schalker ein Jahr ohne Europapokal im äußersten Fall zu verkraften wäre, sieht der VfB Stuttgart als Tabellenletzter einem Jahr ohne Bundesliga entgegen.

"Es ist enorm bitter, dass wir diese Partie noch verloren haben", sagte Daniel Ginczek. "Es wird nicht einfacher, da unten herauszukommen." Der Stürmer, der beide VfB-Tore vorbereitet hatte, verwies auf die vergangenen Auswärtsspiele: alle drei gegen Mannschaften aus dem oberen Drittel, alle drei ohne Punktgewinn trotz ansprechender Leistungen. In Leverkusen waren die Schwaben 30 Minuten lang forsch und gut, verloren aber deutlich 0:4; in Wolfsburg agierten sie lange gleichwertig, unterlagen am Ende aber dennoch 1:3; und beim 1:2 des VfB in Augsburg konnte man sich bei der Beantwortung der Frage, wer um den Zutritt zu Europa und wer gegen den Abstieg spielt, glatt vertun.

Schalke? Stuttgart? Wer will hier in den Europapokal?

Konnte das noch gesteigert werden? Kein Problem für den VfB. Zunächst gingen sie zwar in Rückstand - 1:0, Huntelaar, 9. Minute. Doch nach einer schläfrigen Anfangsphase gegen aggressive Schalker, in der die Stuttgarter mehr als dieses eine Tor hätten kassieren müssen, fingen sie an, spielerisch ins Geschehen zurückzufinden. Und das sah dann tatsächlich verblüffend leicht aus. Stoßstürmer Ginczek ließ beim ersten gescheiten Angriff in der 22. Minute einen Pass von Schwaab gekonnt als Bogenlampe abtropfen, direkt in den Lauf von Harnik, der exakt in die Lücke der Innenverteidigung lief und Torwart Fährmann aus elf Metern geschickt überlobbte. Der Ausgleich.

FC Schalke 04 - VfB Stuttgart

Spiel auf den Kopf gestellt: Lange führte Stuttgart, doch Schalkes Kevin-Prince Boateng trifft gegen Stuttgart spät zum Sieg und jubelt akrobatisch.

(Foto: Bernd Thissen/dpa)

Und noch ehe sich die Schalker gesammelt hatten, stachen die Gäste in die frische Wunde, mit schnörkellosem Passspiel tauchten sie nur zwei Minuten später wieder im Schalker Strafraum auf: Kostic guckte halblinks zwar Torwart Fährmann aus, doch kurz vor der Linie wehrte Benedikt Höwedes im Stil eines Handballkeepers mit dem linken Schienbein ab. Jetzt hatten die Stuttgarter die Partie in die Hand genommen, der Tabellenletzte dominierte den Anwärter aufs internationale Geschäft.

Nach dem Wechsel waren es dann wieder die Gäste aus Schwaben, die sofort präsent waren. Und die folgerichtig trafen. Serey Dié fing einen schlampigen Pass von Matip ab, bediente Ginczek, der mit großer Übersicht Höwedes tunnelte, direkt in den Lauf von Kostic - und Kostic traf in der 51. Minute zum 2:1 für den VfB. Spätestens jetzt spielten die Gäste wie der Klub, der in die Europa League strebt. Hinten ließen sie nichts zu, vorne wirkten sie immer gefährlich. "Da müssen wir den Sack zumachen", erklärte Huub Stevens die Phase bis zur 73. Minute, als die Gastgeber erstmals in der zweiten Halbzeit aufs Tor schossen. Aber: "Man muss nur gucken, wen Schalke einwechseln kann, dann weißt du, dass es schwierig wird. Und die Schwierigkeiten haben wir bekommen."

Paderborn und Hannover punkten. Stevens "interessiert das nicht"

Der Niederländer in Stuttgarter Diensten sah mit wachsendem Entsetzen, dass Schalkes Linksverteidiger Dennis Aogo nun immer offensiver wurde. Und nun kippte das Spiel wieder in die andere Richtung - zu Gunsten der Schalker. "Woche für Woche machen wir unsere Fehler", sagte Stevens mit fatalistischem Lächeln über die Aussetzer von Georg Niedermeier (vor Huntelaars Treffern zum 1:0 und 2:2) und zum halben Eigentor von Florian Klein, der in der 89. Minute noch in einen Schuss von Kevin-Prince Boateng spritzte, welcher sonst am Tor vorbei gerauscht wäre.

Parallelen zur Vorwoche, als die Stuttgarter beim 2:2 gegen Freiburg fahrlässig einen 2:0-Vorsprung gegen Freiburg einbüßten, sah Stevens dennoch nicht. "Das war ganz anders, da haben wir den Gegner eingeladen. Diesmal wurde der Druck von Schalke zu groß." Die Tatsache, dass die Konkurrenten Paderborn und Hannover parallel gepunktet haben, interessiert Stevens angeblich nicht. "Ich schaue auf meine Mannschaft", sagt er, und er weiß wohl, dass er da bis zur kommenden Woche, wenn es gegen Mainz geht, genug zu tun haben wird.

"Es wird ganz schwer, sie aufzurichten." Kunstpause und Schlusssatz: "Aber glaubt mir, das kriegen wir hin."

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