Verkauf des FC Parma:Schnäppchenpreis für die Jammertruppe

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Am Lamentieren: Parmas Antonio Cassano. (Foto: Pier Paolo Ferreri/dpa)

Der ehemals große FC Parma ist in Italien Tabellenletzter - und wird nun an eine rätselhafte russisch-zypriotische Investorengruppe verkauft. Anderen Klubs mit wohlklingenden Namen ergeht es ähnlich.

Von Birgit Schönau, Rom

Die Partie China gegen Russland fand am Vorabend des Nikolaustages in Pavia statt. Für China spielte die Auswahl aus Pavia, einer traditionsreichen Universitätsstadt in der Lombardei. Im Auftrag der Russen trat Union Venedig an, der Klub aus der Lagunenstadt, die früher mal als Seerepublik Furore gemacht hat. Die Associazione Pavia Calcio gehört jetzt einem Herrn namens Xiadong Zhu, Union Venedig läuft für Juri Korablin. In ihren Heimatländern seien beide Präsidenten wirtschaftlich erfolgreich, heißt es. In Italien spielen sie dritte Liga, in Pavia schlug China Russland 2:1.

Zwei Tage später, am zweiten Adventssonntag, trat in der Serie A der FC Parma das letzte Mal für einen italienischen Präsidenten an. Kurz vor dem Match gegen Lazio Rom verkündete der noch amtierende Patron Tommaso Ghirardi, er habe seinen Klub verkauft. Bei den Käufern handele es sich um eine russisch-zypriotische Investorengruppe, die Namen seien noch streng geheim. Zum Vertragsabschluss komme es vermutlich nächsten Donnerstag.

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Die Spieler von Parma zeigten sich durch die Nachricht wenig beflügelt, sie verloren 1:2. Seit vielen Wochen steht der FC Parma auf einem sehr stabilen letzten Tabellenplatz, den er mit sechs Punkten aus 14 Spieltagen hartnäckig verteidigt. Was kann eine russisch-zypriotische Investorengruppe an einer solchen Jammertruppe reizen? Zwei Dinge. Erstens der Preis, ein Schnäppchen. Sieben Millionen Euro kostet der Deal. Die Schulden von 50 Millionen sollen zwar auch übernommen werden, aber das Kleingedruckte wird beim Fußballshopping in Italien erfahrungsgemäß gerne mal übersehen. Erst recht, wenn es um den Erwerb klangvoller Namen zum Schleuderpreis geht.

Triumphmarsch als Dreingabe

Parma! Dieser Name ist der zweite, weitaus wichtigere Grund für das Interesse der Ausländer am Schlusslicht der Serie A. Parma, das klingt nach gutem Essen, Lebensart, nach großer Kultur. Nach Parmesan und Parmaschinken, nach Künstlern wie Parmigianino und Correggio, nach Giuseppe Verdi, dem berühmtesten aller berühmten italienischen Opernschöpfer. Verdi, der aus Parma stammte, war der Fußballklub gewidmet, der 1913 als "Verdi Football Club" gegründet wurde, sich später umbenannte in AC Parma, dann in FC Parma, und der in all den Jahren seine Spieler stets zu den Klängen des Triumphmarsches der Verdi-Oper Aida ins Stadion einlaufen ließ. Noblesse oblige, an diesem Brauch werden die neuen Eigentümer sicher festhalten.

Den Triumphmarsch gibt es sozusagen als Dreingabe, ebenso wie die große Geschichte eines Klubs, der zu den erfolgreichsten Italiens gehört, weil er in den Neunzigerjahren drei Europapokale gewann. Nach Parma gingen in der Glanzzeit der Europapokal der Pokalsieger (1993) und gleich zwei Mal der Uefa-Cup (1995 und 1999). Damals war die 190 000 Einwohner-Stadt in der reichen Emilia eine der ersten Fußballadressen in Europa.

Der Franzose Lilian Thuram spielte dort, als er 1998 Weltmeister wurde, die Italiener Gianluigi Buffon und Fabio Cannavaro wurden in Parma so groß, dass sie 2006 die WM gewannen. Als Trainer absolvierte Carlo Ancelotti dort die erste Etappe einer Weltkarriere. Der Klub gehörte dem Lebens- mittel-Großunternehmer Calisto Tanzi, dessen Parmalat-Konzern ein Global Player war, bevor er 2003 eine neue Rekord- marke brach und mit großem Getöse in der bis dato gewaltigsten Firmenpleite Europas unterging. Um 14 Milliarden Euro ging es damals; dass auch der AC Parma am Ende war, erschien den Gläubigern als geringstes Übel.

Heute hat Parmalat französische Besitzer. Und der Fußballklub wurde vor sieben Jahren unter dem Namen FC Parma von dem damals 32-jährigen Tommaso Ghirardi übernommen, dem beeindruckend schwergewichtigen Erben eines Metallfabrikanten, der in seinem Berufs- leben noch nichts anderes gemacht hatte, als Pleiteklubs zu kaufen. Wie er es schaffte, 50 Millionen Euro Schulden aufzuhäufen, bleibt ebenso mysteriös wie die Verhandlungen mit den angeblichen Käufern.

Fakt ist, dass der FC Parma sich vorige Saison zwar für die Europa League qualifizierte, dort aber nie spielen durfte, weil Ghirardi keine Lizenz bekam. Wegen Steuerschulden, angeblich 300 000 Euro. Der Präsident schäumte, es half aber nichts. In die Europa League rückte der FC Turin nach. Ghirardi trat aus Protest zurück ("Ich habe die Nase voll. Nie wieder Fußball!"), dann trat er vom Rücktritt zurück. Jetzt will er wieder zurücktreten, endgültig.

Für Parma sind sieben Millionen Peanuts, für den inzwischen 39-Jährigen Präsidenten bedeutet das Geld aber eine hübsche Altersversorgung. Ghirardi geht aus der Nummer gestärkt hervor. Und dass nun Schluss ist mit Fußball, darf man ihm glauben.

Der Klang der Namen

In den Calcio investieren jetzt die Ausländer. Das Muster ist überall das Gleiche: kleines Geld für große Namen, für viel Geschichte und noch mehr Legenden aus Städten, die einst Europa gemacht haben. In den Herkunftsländern der neuen Bosse haben diese Städte ausnahmslos einen Klang, der die Leute ins Schwärmen bringt.

Allen voran Rom. Seit 2011 gehört die Associazione Calcio Roma Finanzmännern aus Boston, die mit Hedgefonds reich geworden sind. Gerade wurde die Ex-Fußballerin Mia Hamm in den Aufsichtsrat gerufen, um den AS Rom als amerikanische Galionsfigur noch besser in den Staaten zu vermarkten. Inter Mailand besitzt der Indonesier Erick Thohir - er will mithilfe des Klubs aus der Modemetropole den Fußball in Südostasien noch populärer machen.

Bisher aber hat Italiens Fußball mit ausländischen Investoren noch nichts gewonnen. Im Gegenteil: International ist er von Jahr zu Jahr weniger konkurrenzfähig. In der Champions League sind nur noch zwei Klubs vertreten, die am Dienstag und Mittwoch schon Endspiele bestreiten: Juventus Turin und der AS Rom müssen ums Achtelfinale kämpfen. Würde dieses Minimalziel verpasst, hätte der Calcio einen neuen Tiefpunkt erreicht. Nur die Namen klingen noch nach der Traumkulisse Italien. Nur dafür zahlen die Namenlosen noch ein wenig Geld.

© SZ vom 09.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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