Vereinswechsel von Ronaldinho:Der Erlöser ist schon wieder weg

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Ronaldinho Gaucho geht wieder mal woanders hin - und jedesmal fließt reichlich Geld. (Foto: Buda Mendes/Getty)
  • Der alternde Weltfußballer Ronaldinho verlässt wieder einmal einen seiner Vereine, diesmal Fluminense.
  • Die vielen Wechsel des Brasilianers werfen Fragen auf - bei seinen Transfers geht es um viel Geld.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Der Surfergruß klappt noch. Daumen nach oben, kleiner Finger zur Seite. Wie in jenen Zeiten, als er der Beste war. Als Real Madrid die Galaktischen zusammenkaufte, aber Barcelona die Welt eroberte. Weil sie dort Ronaldinho hatten, den Brasilianer mit dem ewigen Lächeln. Der Pässe mit dem Rücken spielte, der Freistöße unter der hüpfenden Mauer hindurch ins Tor stupste, der den Spitzkick wieder zur Kunstform erhob.

An einem Sonntag im brasilianischen Winter 2015 kann dieser Surfergruß im Maracanã von Rio de Janeiro bestaunt werden. Das Stadion ist so voll wie schon lange nicht mehr. Ronaldinho, inzwischen 35 Jahre alt, trägt das dreifarbige Trikot von Fluminense Rio de Janeiro, natürlich mit der Nummer zehn. Er wird nicht spielen an diesem Tag, er ist lediglich gekommen, um sich vor dem Anpfiff für eine Unterschrift feiern zu lassen, Vertrag bis Ende des Jahres 2016. Er sagt: "Ich bin stolz, Teil dieses großen Klubs zu sein." Auf den Rängen huldigen ihm die Fans, einige haben sich sogar mit schwarz gelockter Perücke und Zahnspange verkleidet. Die Erwartungen sind immens. Ronaldinho Gaúcho, der Erlöser ist da!

Elf Wochen ist das jetzt her. Ronaldinho ist schon wieder weg. Vor wenigen Tagen wurde der Vertrag aufgelöst, angeblich einvernehmlich.

Es wäre falsch, von einem Missverständnis zu sprechen. Da kamen viele Missverständnisse zusammen. Es geht schon damit los, dass der Klub aus Rios Stadtteil Laranjeiras eigentlich gar keinen Erlöser brauchte. Am Tag, als Ronaldinho unterschrieb, war Fluminense Zweiter der Meisterschaft, Tendenz Tabellenführung. Am Tag, als sich die Wege wieder trennten, stand der Verein auf Platz zwölf, sechs Punkte vor den Abstiegsplätzen. Aus einem funktionierenden Team ist in elf Wochen eine Chaostruppe geworden. Der Verdacht liegt nahe, dass da einer einiges durcheinander gebracht hat.

Ein anderes Missverständnis war wohl die Annahme, der Berufsfußballer Ronaldinho sei noch so motiviert wie der gleichnamige Partykönig. Es ist stadtbekannt, dass er in einem äußert geräumigen Anwesen am Strand von Barra de Tijuca lebt. Und natürlich hat Rios Lokalpresse die Gerüchte, wonach sich einige Anwohner regelmäßig in ihrer Nachtruhe gestört fühlten, journalistisch aufgearbeitet. Vom Arbeitsleben gab es nicht so viel zu berichten.

Champions League
:500. Tor für Cristiano Ronaldo

Der Angreifer von Real Madrid schießt in Malmö seinen Jubiläumstreffer. Kevin Trapp bleibt mit Paris ohne Gegentor. Sami Khedira feiert ein erfolgreiches Comeback. Lukas Podolski erlebt eine Enttäuschung in Astana.

Ronaldinho stand insgesamt 554 Minuten für Fluminense auf dem Rasen. Statistiker zählten: kein Tor, keine Vorlage, drei präzise und elf verunglückte Flanken sowie drei "Dribblings mit Ball". Jemand hatte auf der Basis eines angeblichen Monatsgehalts von 800 000 Reais ausgerechnet, dass der Verein damit 533 000 Reais für jeden gelungenen Haken bezahlte. Obwohl die brasilianische Währung zuletzt rapide eingebrochen ist, wären das nach aktuellem Kurs immer noch 120 000 Euro.

Am Ende wurde Ronaldinho für fast jede Aktion ausgepfiffen - von Fans, die ihn eben noch vergöttert hatten. Das alles klingt wie die typische Geschichte eines Superhelden, der ein Karriereende in Würde verpasst hat. Aber auch das könnte ein Missverständnis sein. Womöglich ist er im Moment einer der erfolgreichsten Brasilianer, bloß in einem anderen Geschäftsfeld: lukrative Vertragsauflösungen.

Ronaldinho lässt sich für eine Show bezahlen, die längst vorbei ist. Er wird von seinem Bruder Roberto de Assis Moreira beraten, der zu den dubiosesten Gestalten dieser dubiosen Branche zählt. Seit Ronaldinho 2011 vom AC Mailand nach Brasilien zurückkehrte, hat er vier langfristige Verträge unterschrieben, die alle kurzfristig beendet wurden.

Bevor er einen Augenblick bei Fluminense kickte, war er zehn Monate bei Querétaro in Mexiko und 16 Monate bei Fluminenses Erzrivalen Flamengo. Dazwischen immerhin 24 Monate bei Atlético Mineiro in Belo Horizonte. Dort hat er gezeigt, dass er es noch kann, wenn er will. Er wurde Ende 2013 zum "besten Fußballer Südamerikas" gewählt. Wenig später löste er seinen Vertrag auf.

Was hinter dieser Hop-on-Hop-off-Taktik stecken könnte, lässt sich der erstaunlich ehrlichen Pressemitteilung von Fluminense zum Abschied Ronaldinhos entnehmen. Da steht: "Diese Verpflichtung hat alle Erwartungen bezüglich der Marketingeinnahmen, des Ticketverkaufes, der Trikotverkäufe und der Mitgliederzahlen erfüllt." Ein ehemaliger Weltfußballer als verkaufsförderndes Instrument.

Berater Assis hat dem Spiegel einmal erzählt, dass sein kleiner Bruder 63 Prozent aus diesen Marketingeinnahmen berechne. Wenn Fluminense direkt nach der Ronaldinho-Verpflichtung also 10 000 neue Vereinsmitglieder gewinnt und sich halb Rio ein neues Zehner-Trikot kauft, dann machen sowohl der Verein als auch der Spieler ihren Schnitt. Vielleicht stimmt ausnahmsweise sogar die Floskel von der "einvernehmlichen Trennung". Das größte Missverständnis wäre dann, dass es bei diesem Deal jemals um die Zahl gelungener Dribblings ging.

© SZ vom 02.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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