Türkische Nationaltrainer:48:9

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Wer nicht gewinnt, der fliegt: Guus Hiddink ist der sage und schreibe 48. Nationaltrainer der Türkei seit dem Zweiten Weltkrieg. Sein Kollege Joachim Löw hingegen hat einen krisensicheren Job.

Carsten Eberts

Die Zahl ist kein Witz! 48 Nationaltrainer! So vielen Fußballlehrern hat der türkische Fußballverband seit dem Zweiten Weltkrieg bereits die Verantwortung für das wichtigste Sportamt des Landes übertragen. Manche blieben einige Jahre, andere nur für ein oder zwei Spiele, es waren viele Türken darunter, aber auch Ungarn, Briten, Italiener und ein Deutscher. Im Schnitt hieß es nach einem Jahr und vier Monaten: Der Nächste, bitte!

Nummer neun gegen Nummer 48: die Nationaltrainer Joachim Löw (links) und Guus Hiddink. (Foto: imago sportfotodienst)

Da lohnt sich der Vergleich. Die brave deutsche Mannschaft kommt in derselben Zeit gerade einmal neun Bundestrainer: Sepp Herberger, Helmut Schön, Jupp Derwall, Franz Beckenbauer, Berti Vogts, Erich Ribbeck, Rudi Völler, Jürgen Klinsmann und nun Joachim Löw. Die Briten brauchten immerhin 15, die Franzosen sogar 18. Weit mehr noch die Brasilianer, die in Trainerfragen als eher heißblütig gelten: Sie hatten 28 Nachkriegstrainer.

Die Türkei toppt auch dies - mit Leichtigkeit. Der 48. und damit aktuelle Übungsleiter heißt Guus Hiddink und ist der erste Niederländer der Verbandsgeschichte. Er soll die Türkei zur EM 2012 in Polen und der Ukraine führen. "Das ist eine große Ehre", sagt Hiddink.

Ganze fünf Tage im Amt

Ob ausgerechnet Hiddink, 63, eine neue türkische Ära einläutet, ist fraglich. Zum einen, weil auch Hiddink ein Wankelmütiger ist, der in seiner Karriere bereits 13 Klubs und Nationalteams trainierte, es nie lange aushielt. 2009 trainierte er die russische Elf und den FC Chelsea sogar gleichzeitig. Vollmundig verkündete der Niederländer zwar: "Ich bin sehr glücklich, Trainer der türkischen Nationalmannschaft zu sein." Der Verband habe eine "große Vision und Pläne für die Zukunft" - jedoch auch wenig Geduld, wenn es darum geht, nach Rückschlägen an einem Trainer festzuhalten.

Kein türkischer Nachkriegstrainer verbrachte länger als fünf Jahre im Amt. Rekordhalter ist Fatih Terim, der von Sommer 2005 an vier Jahre und zwei Monate die Geschicke der Nationalmannschaft verantwortete. Das ist eine lange Zeit, doch sie verlief - natürlich - nicht ohne Probleme: Nach der verpassten Qualifikation zur WM 2006 wollte Terim schon hinschmeißen, konnte dann von Verbandspräsident Haluk Ulusoy zum Weitermachen bewegt werden. Zum Glück: Bei der EM 2008 scheiterte die Türkei erst im Halbfinale unglücklich an Deutschland. Terim wurde zum Trainer des Turniers gewählt.

Wie so häufig in der türkischen Fußballhistorie folgte wieder ein Tiefpunkt: Das Team verpasste durch ein 0:2 gegen Belgien die Qualifikation für die WM 2010 in Südafrika. Terim sagte: "Wir Türken lieben es, am Abgrund spazieren zu gehen" - und trat zurück.

Andere dagegen blieben nur wenige Tage. Besonders turbulent waren die sechziger Jahre: Innerhalb von zehn Jahren versuchten elf Trainer ihr Glück. Erst der Ungar Ignác Molnár, dann der Italiener Sandro Puppo, Şeref Görkey, Ljubiša Spajić, Bülent Eken, Cihat Arman, erneut Puppo, Doğan Andaç, ein drittes mal Puppo, schließlich Adnan Süvari und Abdullah Gegiç. Die kürzeste Amtszeit hatte Andac: Er war vom 21. Juli 1965 bis 25. Juli 1965 für exakt fünf Tage türkischer Nationaltrainer. Erst gewann sein Team 3:1 gegen Pakistan, es folgte ein 0:0 gegen Iran. Andac hatte ausgedient.

"Halbe Playboys"

Der einzige deutsche Trainer der Türkei war Josef Piontek, genannt Sepp. Er trainierte die Nationalmannschaft von 1990 bis 1993. In diese Zeit fiel ein Teil der Professionalisierung im türkischen Verband, gemeinsam mit Jupp Derwall war Piontek daran beteiligt. "Wir haben damals bewusst Spielertypen gesucht, die ein bisschen anders waren als der damals gängige Typ", sagte er der Zeitung Die Welt: "Die Nationalspieler seinerzeit, das waren ja halbe Playboys. Die hatten vor allem mit Pferderennen zu tun und Fotomodellen." Heraus kamen Spieler wie Hakan Sükur, der von 1992 bis 2007 für die Türkei spielte - der erste internationale Klassemann der Türken.

Hiddinks Schicksal steht und fällt mit der EM-Qualifikation. Derzeit sieht es gut aus: Die Türkei hat beide Spiele gewonnen, ist Gruppenzweiter. Fährt Hiddink tatsächlich zur EM 2012, ist er der große Held. Scheitert er, ergeht es ihm wahrscheinlich wie seinen 47 Vorgängern.

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