TSV 1860 München:Ismaiks gefährliches Spiel mit den Beratern

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Spaß beim Formel-1-Rennen in Monza: Kia Joorabchian (links) mit seinem Klienten Carlos Tevez, an dem er auf umstrittene Weise die Transferrechte hielt. (Foto: Dasdas/Imago)

Von fast allen Protagonisten fühlte sich Investor Ismaik hintergangen. Er suchte neue Vertraute - und fand den umstrittenen Fußball-Geschäftsmann Joorabchian.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Beim TSV 1860 München kommt nichts weg. Es gibt die Meisterlöwen, die Christl und Werner Lorant, dazu das Grünwalder Stadion, das Löwenstüberl und die Meisterschaft von 1966. Dass es lohnt, sich zu erinnern, das ist ja das Wunderbare am Traditionsverein aus Giesing, einem Gründungsmitglied der Fußball-Bundesliga. Und das gilt auch für die fünf Jahre seit dem Einstieg von Hasan Ismaik, des jordanischen Investors, der 2011 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile an Sechzigs KGaA erwarb und inzwischen 60 Prozent davon hält. Mit Ismaik ist es nur manchmal so, als bewege man sich in einer Endlosschleife, und das gilt insbesondere für das Krimi-Untergenre "Korruption und Plünderung", das zu seinem Lebensthema geworden ist.

Von Korruption hat der Jordanier bereits gesprochen, als er wenige Tage vor dem vergangenen Heiligabend Pressevertreter in eine Hotelsuite nach London geladen hatte und dort mehrere Stunden referierte über das große Unrecht, das ihm die unterschiedlichsten (weil ständig wechselnden) Funktionäre seit seinem Anteilskauf zugefügt hätten. Beweise gab es keine. Es war auch der Tag, an dem Ismaik seine Hand ausstreckte in Richtung weiterer Investoren. "Ich heiße neue Partnerschaften willkommen", sagte er. "Und ich verkaufe auch keine Anteile an jemanden, der die ganze Macht will." Offenbar hat er inzwischen Partner gefunden, die frisches Geld in den Klub pumpen und sich schon mit weniger als der ganzen Macht zufrieden geben, dazu später mehr.

Aus aktuellem Anlass zunächst zurück zu den Themen Korruption und Plünderung, die Ismaiks Pressebüro Donnerstagabend auf Facebook mal wieder aufgriff ("Es gibt Leute im Verein, die Korruption und Plünderung unterstützen"). In London hatte Ismaik den Bogen zeitlich sogar noch weiter in die Vergangenheit ausgedehnt, damals fragte er: "Reicht es der DFL nicht zu sehen, was geschehen ist? Seit dem Gewinn der Meisterschaft 1966 leidet 1860 unter totaler Misswirtschaft. Oder ist es Korruption?"

Man hatte gedacht, der Gedanke an diese Verschwörungstheorie ("1860 ist zum Spielball von dunklen Interessen geworden") hätte sich inzwischen erübrigt. Einerseits, weil Ismaik seither das in der KGaA beschäftigte Personal fast vollständig ausgetauscht hatte. Er wählte einen neuen Trainer, einen neuen Sportchef, selbst den Mediendirektor Thomas Blazek entließ er und holte Raed Gerges, der in seiner Firma Marya in Abu Dhabi angestellt ist. Andererseits, weil auch Personen aus dem e.V. ihr Amt niedergelegt haben, gegen die er damals schwere Vorwürfe erhob. Vor einem Jahr war es der ehemalige Verwaltungsrat Siegfried Schneider, den er meinte, als er sagte: "Im Verein gibt es eine Person mit der Agenda, nicht aufzusteigen. Die Löwen wollen nicht aufsteigen. Es gibt eine Person, die alles kontrolliert."

"Ist der rasante sportliche Abstieg ein Druckmittel, damit ich verkaufe?", fragte sich Ismaik

Korruption und Plünderung. Was schon vor einem Jahr anklang, wiederholte Ismaik auf der Pressekonferenz - und deutete es nun auf Facebook an. Dass es nämlich eine Verschwörung gebe mit dem Ziel, ihn zum Verkauf seiner Anteile zu bewegen. Teil dieser Verschwörung, so muss man ihn wohl verstehen, waren nicht nur Vereinsfunktionäre wie der CSU-Politiker Schneider, sondern auch Sportdirektoren und Spieler. "Ich habe mich schon gefragt", erläuterte Ismaik in London: "Ist der rasante sportliche Abstieg ein Druckmittel, damit ich verkaufe?" Der frühere Sportdirektor Gerhard Poschner habe "nach seiner Kündigung angerufen und angeboten, anders helfen zu können", berichtete Ismaik empört: "Er wollte einen Käufer für die Anteile finden. Gegen Provision." Auch sein ehemaliger Vertrauter Ulrich Bez, früherer Geschäftsführer von Aston Martin, habe ihn in dieser Hinsicht hintergangen: "Mit der Zeit habe ich herausgefunden, dass Bez einzig und allein deshalb zum Klub gekommen ist, um Einblick in die Finanzen zu erhalten. Und um mich zum Verkauf meiner Anteile zu drängen." Und klar, auch die Medien sind aus Ismaiks Sicht beteiligt, sowohl die Münchner Presse als auch die überregionale.

Es lag angesichts dieser Gedankenwelt nahe, dass sich Ismaiks neue Mitstreiter suchte, Berater, denen er vertraute. Er suchte sie in London, in den Zirkeln, in denen die von Investoren geprägte große Premier-League-Welt zu Hause ist. Einer von ihnen ist Ian Ayre, derzeit noch Chef des FC Liverpool, der im kommenden Sommer angeblich 1860-Geschäftsführer werden soll. Ayre hatte nach Informationen des Sportjournalisten Ronald Reng schon maßgeblich bei der Entscheidung für den Sport-Geschäftsführer Thomas Eichin mitgewirkt, den Ismaik allerdings schon wieder degradiert und demontiert hat.

Zu den Londoner Fußball-Zirkeln zählt auch Pini Zahavi, 73. Bei dem Israeli laufen viele Fäden des Weltfußballs zusammen, zumindest immer dann, wenn es um dessen finanzielle Auswüchse geht. Zu seinem Freundeskreis gehören Roman Abramowitsch, den er als Investor an den FC Chelsea vermittelte, und Sven Göran Eriksson, der Trainer, den Ismaik einst unbedingt beim TSV 1860 installieren wollte. Ein guter Bekannter Zahavis ist der Spielerberater Kia Joorabchian, 45, ein in England aufgewachsener Iraner, der vor einigen Jahren bekannt wurde, indem er auf umstrittene Weise Anteile an den Transferrechten von Carlos Tevez hielt. Auf Joorabchians Vermittlung hin kamen die Brasilianer Ribamar und Victor Andrade zum TSV 1860, obwohl der frühere Trainer Kosta Runjaic und der degradierte Eichin Zweifel kundtaten. Mit einem weiteren Spieler von Joorabchian wurde es nichts: Der ziemlich untrainiert wirkende Adel Taarabt, dem Joorabchian einst bei Benfica Lissabon ein fürstliches Gehalt aushandelte, ein früherer marokkanischer Nationalspieler, kam zwar ins Trainingslager bei Sechzig, spürte aber offenkundig, dass ihn die eigentlich Verantwortlichen im Klub nicht wollten. Er wollte dann auch nicht mehr. Joorabchian stricht ihn kurz darauf aus seinem Portfolio - laut Presseberichten, weil er sich aufgrund seines "schwierigen Charakters" geweigert habe, zu 1860 zu gehen.

Es handelte sich ohnehin um einen seiner am schwersten vermittelbaren Klienten. Ismaiks vergleichsweise kleiner Fußballklub dürfte aus Sicht eines Global Players wie Joorabchian die letzte Möglichkeit gewesen sein, Taarabt unterzubringen. Seine ganz großen Geschäfte macht er anderswo - etwa bei Inter Mailand, wo er das Vertrauen der chinesischen Investoren der Suning-Gruppe erwarb, aus dem Hintergrund die Entlassung des Trainers Roberto Mancini betrieb und die Transfers von Joao Mario (40 Millionen Euro) und Gabriel (29,5 Mio.) einfädelte.

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Hinter Joorabchian stand von 2004 bis 2008 die Firma Media Sports Investment (MSI), die unter anderem maßgeblich an dem brasilianischen Klub Corinthians Sao Paolo und dessen Talentetransfers beteiligt war. Sämtliche Aktivitäten von MSI wurden durch einen Fonds finanziert, als dessen Verwalter Joorabchian auftrat; die Herkunft der Gelder, aus denen sich der Fonds speiste, war allerdings unklar.

Seine derzeitige Firma heißt ähnlich: Sports Invest UK Limited. Dass Ismaik kurz vor Heiligabend des vergangenen Jahres in London erklärte, er suche Partner, könnte daher ein Hintergrund der Zusammenarbeit sein. Die Sports Invest UK Limited gab beispielsweise dem FC Portsmouth einen Kredit über 700 000 Euro. Jenen FC Portsmouth hatte Zahavi 2006 an den Investor Alexandre Gaydamak vermittelt, der ihn 2009 weiterverkaufte. Mittlerweile spielt der Klub nach einem rasanten finanziellen Niedergang, zu dem teure Spieler wie der von Zahavi vermittelte Tal Ben Haim beitrugen, in der vierten Liga. Trainer in Portsmouth war bis 2010, auf Zahavis Vermittlung, Avram Grant. Der derzeitige Nationaltrainer Ghanas ist nun laut Bild als Kandidat bei 1860 im Gespräch.

"Jeder Tag", schrieb Ismaik, "bringt mich näher an die Wahrheit." Es könnte sich noch herausstellen, dass ihm diese nicht gefallen wird.

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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