TSV 1860 München gewinnt in Berlin:"Wir brauchen kein Fernrohr mehr"

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Schon wieder Stefan Aigner: Der TSV 1860 München gewinnt 1:0 gegen Union Berlin. Es war der siebte Sieg im achten Spiel - und plötzlich trennen die Münchner nur noch drei Punkte vom Relegationsplatz.

In der 78. Minute machte sich Dominik Stahl an der Außenlinie bereit, er fuhr sich noch kurz mit der Hand durchs Haar, er sollte jetzt ins Spiel kommen, und wenn Reiner Maurer Stahl einwechselt, dann bedeutet das in der Regel: Maurer ist zufrieden. Wenn Stahl kommt, dann soll die Defensive zum Bollwerk werden und der Zwischenstand zum Ergebnis. Es stand 0:0. Hätte dem Trainer des TSV 1860 München ein Unentschieden genügt? Was wäre aus all den schönen Aufstiegsträumen geworden, die sich niemand auszusprechen traut im Klub? Man wird es nie erfahren.

Der rechte Flügelspieler von 1860 erzielte gegen Union bereits seinen neunten Saisontreffer. (Foto: dpa)

Denn vier Minuten später sauste Stefan Aigner von der rechten Seite heran, seiner einzig wahren Position, kurz vor dem Strafraum passte er auf Benny Lauth, der spielte den Doppelpass hinein in die Tiefen des Strafraums, Aigner lief immer weiter, hilflos haftete der Berliner Christian Parensen an seinen Fersen - und Aigner zog ab, hart und präzise in den linken Winkel - 1:0 für Sechzig. Es war der Endstand. Ja, es war der siebte Sieg im achten Spiel. Und es waren die drei entscheidenden Punkte, die Maurers Lippen endgültig lockerten, damit er das bislang Unaussprechliche endlich zugab: "Ja gut", sagte Maurer, "wir sehen die Aufstiegsplätze jetzt nicht mehr nur mit dem Fernrohr - wir haben sie in Sichtweite." Na also, es geht doch.

Tatsächlich sind es nun noch drei Punkte, die Sechzig vom Relegationsplatz trennen, wobei die ganze Rechnerei etwas kompliziert ist, da der Klub noch ein Nachholspiel gegen Aue zu bestreiten hat. Dabei war dieser Sieg gegen Union Berlin lange Zeit undenkbar, da Maurers geheimer Plan zunächst nicht aufging. Weil Stürmer Kevin Volland wegen seiner fünften gelben Karte pausieren musste, war damit zu rechnen gewesen, dass Djordje Rakic mit Lauth die Doppelspitze geben würde.

Doch Maurer stellte Aigner neben Lauth - und Rakic auf Aigners Position am rechten Flügel. Rakic sei die vergangenen Spiele nicht sonderlich torgefährlich gewesen, verriet der Trainer, dafür sei er eben "physisch sehr präsent". Also ab mit ihm auf den Flügel, dort erwartet ja niemand von ihm, dass er Tore schießt. Nun denn, es war nicht so sehr der Fall, dass Aigner als Stürmer nicht funktionierte. Es war eher so, dass Sechzigs System nicht funktionierte ohne einen derart guten Aigner auf dem rechten Flügel.

Als Aigner nach 13 Sekunden seinen ersten Schuss auf das gegnerische Tor abgab, da war die Hoffnung lebendig, dem Zuschauer würde fortan eine unterhaltsame Partie geboten in der Alten Försterei. Doch die ersten 45 Minten zerfaserten sich in Rempeleien und vielen Spielunterbrechungen. Schiedsrichter Thomas Metzen zeigte eine gelbe Karte, dann ging es immer weiter mit Rempeleien. Spielunterbrechungen. Harmlosen Freistößen. Unions Linksverteidiger Patrick Kohlmann traf aus spitzem Winkel das Außennetz (13.), einen Distanzschuss von Markus Karl (35.) entschärfte 1860-Torwart Gabor Kiraly mit Mühe.

Das war alles

Auf der anderen Seite setzte Aigner noch einen Kopfball neben das Tor (36.). Das war alles. Hier hatten sich offenbar zwei Mannschaften darauf geeinigt, ohne Kurzpassspiel auszukommen. Also spielten sie entweder zu lang, oder zu hoch. Rechtsverteidiger Antonio Rukavina schlug zweimal den Ball vom eigenen Strafraum an den anderen, dort wartete dann: niemand.

Und Maximilian Nicu? Nun, bei seinem Debut in der Startelf war er immerhin viel unterwegs auf dem linken Flügel, er bot sich an, stand frei - und bei einem dieser Angebote nahm er einen feinen Pass von Benny Lauth entgegen. Die linke Seite lag offen vor ihm, doch dann verstolperte er den Ball (20.). Maurer nahm ihn in der 60. Minute aus dem Spiel, für ihn brachte er Arne Feick. Dann zog er Aigner zurück auf die rechte Seite und Rakic in den Sturm.

Nach der Pause nahm die Partie etwas an Geschwindigkeit auf: Tijani Belaid scheiterte per Freistoß an Kiraly (47.), dann setzte Silvio den Ball aus bemerkenswert kurzer Distanz noch bemerkenswerter über das Tor (48.). Einen Schuss von Rakic lenkte Torwart Jan Glinker gerade noch an die Latte (52.).

Am Ende war es kein Fußballspiel, von dem sie bei Sechzig noch ewig sprechen werden. Von Aigners Tor schon eher, denn das war vortrefflich herausgespielt. "Wir haben einige gute Konter gefahren, auch wenn Union schon gut gedrückt hat", sagte Maurer. Noch immer habe man "in der Tabelle vier Top-Teams vor uns, "und Paderborn, die darf man auch nicht vergessen." Was er nicht sagte: Es sind exakt diese hässlichen Spiele, die eine Aufstiegsmannschaft gewinnen muss.

© SZ vom 25.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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