TSV 1860 München:Bitterer Sonntag

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Der TSV 1860 München verpasst nach einer dramatischen Woche einen schönen Abschluss und verliert 1:2 in Aachen. Die Fans küren derweil die Verantwortlichen der misslichen Lage.

Ulrich Hartmann

Als der Präsident Dieter Schneider im Augenblick des Schlusspfiffs aus den Katakomben in den Innenraum des Aachener Tivolis trat, kam ihm ein Delegationsmitglied entgegen und schüttelte demonstrativ und derart betrübt den Kopf, wie man es sonst nur aus Arztserien von jenen Chefärzten kennt, die für die Angehörigen keine gute Nachricht haben.

Am Boden: 1860-Spieler Daniel Halfar während der Partie in Aachen. (Foto: dpa)

Einen verbalen Ausdruck der Enttäuschung fand kurz darauf Torwart Gabor Kiraly, der in den Kabinengang ein prägnantes "Wahnsinn!" hineinrief und mitnichten einen Ausbruch der Freude zeigte. "Wir hätten hier einen Punkt verdient gehabt", sagte ein paar Meter weiter und rhetorisch etwas umfangreicher der Kapitän Benjamin Lauth, der zur unnötigen 1:2 (0:1)-Niederlage seines TSV 1860 München bei Alemannia Aachen aber bloß noch den Ehrentreffer hatte beitragen können. "Dieses Spiel", sagte Schneider, "hätte der schöne Abschluss einer hektischen Woche sein können", aber er wusste auch, warum dieser Wunsch nicht in Erfüllung gegangen ist: "Weil das Leben kein Wunschkonzert ist."

Als die Münchener Fußballer vor dem Spiel unter grauem Aachener Himmel in den Tivoli eingezogen waren, eröffneten ein paar Hundert 1860-Fans auf einem Laken mit blutrot verschmierten Buchstaben die vereinseigene "Hall of Shame", der sie auf weiteren Transparenten mit Funktionären wie Vizepräsident Franz Maget, Geschäftsführer Robert Schäfer, dem früheren Aufsichtsrat Christian Ude oder den ehemaligen Führungsmännern Stefan Ziffzer und Karl-Heinz Wildmoser auch gleich erste Gesichter zuordneten.

Mit grünem Qualm signalisierten sie zugleich jene Hoffnung auf eine bessere Zukunft, die sie zu Beginn der zweiten Halbzeit auch in Worte fassten und die in grünen Buchstaben von einer Banderole verkündete: "Freiheit für Sechzig - Neuanfang jetzt!" Der könnte tatsächlich bald eingeläutet werden, dem Vernehmen nach sollen die Inspektoren des potentiellen arabischen Investors, der beim schwer angeschlagenen und hilfsbedürftigen TSV einsteigen will, Mitte dieser Woche in München erscheinen.

Eine ähnliche Leidenschaft, wie sie von den Fans demonstriert wurde, durfte man den für 1860 spielenden Fußballern am Sonntag keineswegs absprechen, doch nach zuvor drei Siegen und einem Remis aus vier Spielen hatten sie es diesmal mit einem clevereren Kontrahenten zu tun und versäumten überdies, fast alle ihre ansehnlichen Torchancen zu verwerten.

Trotz eines mutigen und respektablen Auftritts unterlagen sie durch ein frühes Gegentor nach acht Minuten und ein spätes elf Minuten vor dem Ende unnötig mit 1:2 und konnten sich auch über Lauths Ehrentreffer in der 82. Minute nicht mehr freuen. "Bitter", nannte der Trainer Reiner Maurer die Niederlage, zollte seiner Mannschaft gleichwohl "großen Respekt" dafür, dass sie unter schwierigen Umständen eine solch ansprechende Leistung hat zeigen können.

Aleksander Ignjovski war in die Startformation zurückgekehrt. Er spielte neben Dominik Stahl vor der Abwehr, dafür rückte Kai Bülow in die Innenverteidigung an die Seite von Stefan Buck. Doch der zentrale Abwehrblock bereitete allenfalls den Aachener Fans Vergnügen, Stahl und Ignjovski ließen dem alemanneschen Offensivressort anfangs derart viel Raum zur Entfaltung, dass die gelben Gastgeber mehr als jenen Treffer hätten zelebrieren müssen, den Marco Höger aus 18 Metern ungestört ins Münchner Tor zimmern durfte.

Davon unbeeindruckte Münchner Gegenstöße waren nicht von Erfolg gekrönt. Lauth scheiterte nach einer halben Stunde frei am Alemannia-Torwart David Hohs, nach einer guten Stunde traf Stefan Aigner den Außenpfosten. 1860 war nach der Pause feldüberlegen, doch wie zum Spott fiel in der 79. Minute überraschend das 2:0 für Aachen durch Aimen Demai.

Immerhin, die Querelen der vergangenen Tage schienen die Sechziger nicht erkennbar gebremst zu haben. "Ich finde, man hat's uns nicht angemerkt", sagte Lauth über das öffentliche Getöse rund um das drohende Aus des Klubs und suggerierte mit selbstbewusstem Blick, dass die Spieler sich zumindest an diesem Sonntag in Aachen nichts vorwerfen lassen wollten.

© SZ vom 04.04.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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