TSG Hoffenheim:Kraichgauer Volkstheater

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Schon wieder Geschichte? Gerade einmal sieben Monate ist es her, dass Dietmar Hopp den TSG-Geschäftsführer Hansi Flick präsentierte. (Foto: Daniel Maurer/dpa)
  • Hansi Flick arbeitet erst seit Kurzem als Geschäftsführer der TSG Hoffenheim, doch es gibt Probleme im Verein.
  • Es geht darum, wer sich wo im Organigramm des Vereins wiederfindet.
  • Nach SZ-Informationen steht das entscheidende Gespräch zwischen Flick und Mäzen Dietmar Hopp unmittelbar bevor.

Von Christof Kneer

Kurz vor Weihnachten war Hansi Flick ein paar Tage in England. Er hat sich dort zwei Fußballspiele angeschaut, Arsenal gegen Liverpool und Southampton gegen Huddersfield, und dann ist er wieder nach Hause geflogen. Nach Hause, das ist Bammental, ein Örtchen, das neben dem Örtchen Zuzenhausen liegt, das neben dem Örtchen Hoffenheim liegt, das neben der Stadt Sinsheim liegt. Hansi Flick ist den großen Fußball gewohnt, er war acht Jahre lang Assistenztrainer von Joachim Löw, und Flicks Anteil am WM-Titel in Brasilien ist inzwischen ein anerkannter Teil der deutschen Fußball-Geschichtsschreibung. Er hat damals beim skeptischen Bundestrainer unter anderem das Training von Standardsituationen durchgesetzt, von denen die DFB-Elf dann tatsächlich einige gebraucht hat, um auch wirklich Weltmeister zu werden.

Hansi Flick, 52, hat die englischen Spiele aber nicht in seiner Eigenschaft als Hansi Flick gesehen, er war als Geschäftsführer der TSG Hoffenheim dort. Seit Sommer 2017 ist er bei dem zwischen Bammental und Sinsheim gelegenen Erstligisten als eine Art Zukunftsminister angestellt, er soll abseits des Tagesgeschäfts Strategien entwerfen, die den Klub des Mäzens Dietmar Hopp auf einem irren Markt auch ohne die Millionen von Dietmar Hopp konkurrenzfähig halten.

Flick will die Nachwuchsarbeit optimieren und etwa dafür sorgen, dass Talente im Klub auch weiter Geiger und Posch heißen und aus der hauseigenen Schmiede in Zuzenhausen stammen. Und natürlich hat er auch Huddersfields deutschen Trainer David Wagner in Spiel und Training beobachtet, sicherheitshalber. In Hoffenheim wissen sie, dass sie vorbereitet sein müssen, wenn ihr Trainer Julian Nagelsmann irgendwann mal aus dem Großraum Zuzenhausen verschwindet.

Das entscheidende Gespräch zwischen Hopp und Flick steht unmittelbar bevor

Er solle erst mal analysieren und sich einarbeiten, hat Hopp im Sommer zu Flick gesagt und den Zukunftsminister mit einem sicher sehr schönen Vertrag bis 2022 ausgestattet. Ein gutes halbes Jahr später, sieht es so aus, als sei die Zukunft zu Ende, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Von einem "heftigen Machtkampf" berichtete am Dienstag die Bild-Zeitung und davon, dass Hansi Flick aufgrund der Umtriebe einer klubinternen Opposition bei Dietmar Hopp in Ungnade gefallen sei und vor dem Rauswurf stehe. Umgehend versandte die Pressestelle der TSG ein Pflichtdementi, wonach derlei Berichte "jeglicher Grundlage" entbehrten. Richtig sei "dass Hansi Flick derzeit im Urlaub weilt", pflichtdementierte der Klub weiter, ansonsten wisse man "weder etwas von einer Auseinandersetzung noch von irgendwelchen Strukturvorschlägen, über die es Diskussionen gegeben haben könnte". Tatsächlich liegen, anders als kolportiert, offenbar keine Flick-Pläne auf dem Tisch, die irgendwer im Haus gut oder bedrohlich finden könnte.

Es geht - wie so gerne in diesem Verein, in dem viele Menschen um Dietmar Hopps Gunst rangeln - eher darum, wer sich wo warum oder eben warum nicht im Organigramm wiederfindet. Nach SZ-Informationen steht das entscheidende Gespräch zwischen Hopp und Flick, in dem es um die weitere Zukunft geht, unmittelbar bevor. Es wird nach Lage der Dinge kein reines Showgespräch sein, das Ergebnis steht noch nicht fest, aber die internen Eifersüchteleien der vergangenen Wochen - und, ja: auch Jahre - deuten wohl eher auf eine Trennung hin.

Schon lange vor Flicks Geschäftsführer-zeit war die TSG ja ein Verein, in dem es immer dann unruhig wurde, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt war: wenn der Boss unruhig wurde, wenn der Mäzen unruhig wurde oder wenn der oberste Fan unruhig wurde.

Alle drei Rollen spielt praktischerweise Dietmar Hopp, und in jeder dieser Rollen findet er gerade einen Grund, um unruhig zu werden. Die Mannschaft, der Overperformer der Vorsaison, steht in der Tabelle wieder da, wo sie möglicherweise hingehört (im Mittelfeld), was den Trainer (Julian Nagelsmann) aber nervt, ebenso wie die Debatten um seine Trainerzukunft, die er dank hübscher Formulierungen aber selbst befeuert hat. Das wiederum nervt angeblich den Chef, Mäzen und obersten Fan, der das seinem Trainer als Koketterie auslegt, weshalb er ihn keinesfalls vor der Fälligkeit einer Ausstiegsklausel im Sommer 2019 aus seinem Vertrag lassen wird.

All diese Verwicklungen spielen nun auf dieser Kraichgauer Volksbühne, auf der ständig die unterschiedlichsten Menschen durchs Bild laufen. Zwischen der Ära Rangnick und der aktuellen Kurz-Ära mit Nagelsmann und Sportchef Alexander Rosen hat man sich kaum die Mühe machen müssen, sich all die Namen von Trainern, Managern, Geschäftsführern und Pressestellenchefs einzuprägen, die sich da in schneller Folge an Hopps Hofe abwechselten. Außerdem gab es Spielerberater, die als Einflüsterer galten und auf dem Golfplatz über den Manager lästerten; und es gab und gibt einen Beirat, dessen Einfluss all jenen handelnden Personen nicht gefällt, die nicht zufällig in diesem Beirat sitzen.

In dieser Gemengelage schien es eine Spitzenidee zu sein, einen wie Flick zu installieren - einen loyalen Harmoniker, dessen Expertise branchenweit geschätzt wird und der als Mann aus der Region außerdem das Potenzial besitzt, dem Verein auch nach der Ära Hopp ein Gesicht zu geben. Allerdings hat sich Flick bei der nachvollziehbaren Suche nach einer klaren Rollendefinition in diesem klüngelbegabten Klub zuletzt alleingelassen gefühlt; und diese Sortierungsarbeiten haben manche im Klub offenbar genutzt, um die Sinnfrage zu stellen: Warum man diesen Weltmeister da überhaupt brauche, wo man doch ohne ihn voriges Jahr Vierter geworden sei.

Julian Nagelsmann wird die TSG auch in der kommenden Saison trainieren, seinen Spielern hat er das bereits gesagt. Seinen Nachfolger wird aber vermutlich mal ein anderer als Hansi Flick suchen müssen.

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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