Transfers im Fußball:Der Profifußball wirkt unmoralischer denn je

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Jetzt ist er auch bald weg: Pierre-Emerick Aubameyang wird den BVB bald verlassen, Ousmane Dembele (re.) ertrotzte sich vergangenen Sommer einen Transfer. (Foto: dpa)

Der Überfluss an Geld im Markt verdirbt den letzten Rest der guten Sitten in der Branche. Besonders zu spüren bekommt das der BVB.

Kommentar von Philipp Selldorf

Als sich vor rund drei Jahren Inflation und Preisexplosion auf dem englischen Fußballmarkt abzeichneten, gab es dazu in der Bundesliga ein relativ optimistisches Meinungsbild. Man glaubte, von den englischen Reichtümern profitieren zu können. Das lag auch daran, dass mancher deutsche Ligamanager den sportlichen Sachverstand der englischen Kollegen nicht allzu hoch schätzte. Transfers wie der des Angreifers Joselu von Hannover nach Stoke für acht Millionen Euro oder des Verteidigers Kevin Wimmer von Köln zu Tottenham schienen diese Ansicht zu bestätigen.

Oder auch Roberto Firmino: Für den brasilianischen Offensivspieler aus Hoffenheim hatte sich auch der FC Bayern interessiert, aber es gab Vorbehalte, und ohnehin hätte man nie 41 Millionen Euro bezahlt, wie es dann der FC Liverpool tat.

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:Sanchez nach Manchester, Mkhitaryan zum FC Arsenal

Das Tauschgeschäft zwischen Manchester United und den Londonern ist perfekt - und das ist auch bedeutend für die Zukunft von Pierre-Emerick Aubameyang von Borussia Dortmund.

Aus der Inflation ist eine Hyperinflation geworden, die auch auf den deutschen Markt durchgedrungen ist. Auch hierzulande kosten Fußballer jetzt zehn Millionen, die vor drei Jahren für die Hälfte veräußert worden wären. Der Glaube an einen wirtschaftlichen Vorteil durch die Teilhabe am englischen Geldsegen ist der Einsicht gewichen, dass die gestiegenen Einnahmen durch gestiegene Preise aufgefressen werden. Vor allem ist der Verdacht entstanden, der Überfluss an Geld im Markt verderbe den letzten Rest der guten Sitten im Fußball.

Wie im wahren Leben hat England auch im Fußball einen Brexit vollzogen

Freiburgs Trainer Christian Streich hat vorigen Sommer mit seinem Bonmot zum Neymar-Transfer - "der Gott des Geldes verschlingt alles" - Maßstäbe gesetzt. Nun geißelt Matthias Sammer mit ähnlich biblischer Wortwahl die Entwicklung an der Wechselbörse ("der Teufel ist das Geld"), während Frankfurts Trainer Niko Kovac "Anarchie" heraufziehen sieht, da sich Stars zunehmend aus ihren Verträgen streiken. Anlass der düsteren Klagen: die Umstände des sich anbahnenden Wechsels von Pierre-Emerick Aubameyang zum FC Arsenal und die nebulösen Zusammenhänge mit den Personalien Sánchez und Mkhitaryan.

Wie bei Ousmane Dembéle, der sich im Sommer durch Arbeitsverweigerung den Weg nach Barcelona bahnte, wird Borussia Dortmund auch bei Aubameyang sehr viel Geld verdienen. Dennoch hätte man wohl gern auf die Transfergewinne verzichtet. Nicht nur wegen des sportlichen Schadens durch den Verlust zweier Ausnahmespieler, sondern auch wegen der Demütigungen, die damit einhergehen. Der BVB sendet zum zweiten Mal binnen eines halben Jahres ein Signal der Ohnmacht, dieses Gefühl lässt sich auch mit Schmerzensgeld nicht ausgleichen.

Groteske finanzielle Ausschweifungen gibt es nicht bloß in der Premier League, aber sie sind dort normal geworden. Wie im wahren Leben hat England auch im Fußball einen Brexit vollzogen. Und wie in der Politik wirkt auch im Sport die Botschaft, die von der Insel kommt, auf dem Kontinent wie Gift. Profifußball ist noch nie eine moralische Anstalt gewesen, aber nie hat er einen so käuflichen und - trotz der hohen Preise - einen so billigen Eindruck gemacht wie heute.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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