Transfer von Kevin-Prince Boateng:Schalke holt Dortmund-Fan

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Neu bei Schalke: Kevin-Prince Boateng. (Foto: dpa)

Er wurde einst von den deutschen Fußballfans gehasst, outete sich kürzlich als großer Dortmund-Fan: Der Wechsel von Kevin-Prince Boateng vom AC Mailand zu Schalke 04 überrascht auf vielen Ebenen. Sportlich dürfte er Schalke aber voranbringen.

Von Carsten Eberts

Vor wenigen Wochen gab Kevin-Prince Boateng ein launiges Interview. Mit dem Webportal Spox plauschte er über seine sportliche Situation, weil das Gespräch gerade so nett verlief, fragte ihn der Reporter auch nach seiner Sympathie für Borussia Dortmund, jenem Klub, für den Boateng einst ein halbes Jahr spielte.

Boateng antwortete: "In den sechs Monaten hatte ich eine Bindung zu allen Spielern, zu allen Fans, das war einfach überragend." Auch mit Trainer Jürgen Klopp sei er noch in Kontakt. Seine Augen leuchteten, als Boateng vom BVB sprach.

Vor diesem Hintergrund überraschte doch, was Dortmunds Erzrivale Schalke 04 am Freitagmorgen verkündete: Der Revierklub hat Kevin-Prince Boateng verpflichtet, sogar gekauft, für eine Ablösesumme von zwölf Millionen Euro. Am Morgen weilte der Deutsch-Ghanaer zum Medizintest in Gelsenkirchen, schon am Nachmittag wurde er offiziell vorgestellt.

"Ich bin einfach nur glücklich, hier zu sein", sagte Boateng nun am Freitag, "Schalke ist mein neuer Lieblingsverein." Großes Gelächter im Saal. So schnell kann das gehen. Eine alte Sperre aus dem Jahr 2009 muss Boateng laut DFB nicht mehr absitzen. Schon am Samstag, beim Heimspiel gegen Bayer Leverkusen, soll er auflaufen.

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Es ist wohl der spektakulärste Transfer des Bundesliga-Spätsommers: Wie Schalke 04 bekannt gibt, weilt der ghanaische Nationalspieler Kevin-Prince Boateng bereits zur medizinischen Untersuchung in Gelsenkirchen. Er soll zwölf Millionen Euro Ablöse kosten.

Es gibt mehrere Ebenen, auf denen dieser Wechsel verwundert. Da ist zunächst die Ablösesumme. Geld tragen die Gelsenkirchener bekanntlich nicht gerade in großen, goldrandverzierten Geldkoffern mit sich herum. Trotzdem sind zwöf Millionen Euro Ablöse für einen Mann wie Boateng eigentlich ein Schnäppchen. Gerade Offensivkräften wurden in diesem Transfersommer zahlreiche Offerten gemacht, da mehrere Topklubs auf der Suche nach stürmendem Personal waren. "Das Leichteste war, Kevin zu überzeugen", erklärte Sportvorstand Horst Held, "das Schwerste war, den AC Mailand zu überzeugen." Schalke ist ein Coup gelungen.

Dann ist da das Verhältnis zum deutschen Fußballfan, der Boateng vor dreieinhalb Jahren ganz weit weg, mindestens auf den Mond wünschte. Es war im Frühjahr 2010, als Boateng kurz vor der Weltmeisterschaft in Südafrika den deutschen Kapitän Michael Ballack in England rüde vom Feld trat und Ballack daraufhin die WM verpasste. Boateng wurde sogar Absicht unterstellt, weil sich Boateng vorher mit Ballack verbal angegiftet hatte auf dem Platz.

Der in Berlin geborene Boateng spielte anschließend für Ghana, das Land seines Vaters, eine sehr gute WM, verlor aber in der Vorrunde das entscheidende Spiel gegen Deutschland 0:1. Bastian Schweinsteiger wurde der neue Chef im Mittelfeld, Boateng hat den Umbruch in der DFB-Elf mit seinem Foul sogar beschleunigt. Sein Image war trotzdem dahin. "Brutalo-Treter", taufte ihn eine große, laute Boulevardzeitung. Der Junge aus der Jugendakademie von Hertha BSC und Bruder von Bayern-Spieler Jérôme Boateng galt als schwer vermittelbar, mindestens.

Auch überrascht auf den ersten Blick, dass Schalke keinen echten Mittelstürmer verpflichtet, sondern einen offensiven Mittelfeldmann. Schließlich ist Torjäger Klaas-Jan Huntelaar länger verletzt, der Finne Teemu Pukki verkauft und als kürzlich Adam Szalai wegen einer Blessur am Arm auszufallen drohte, hätte Trainer Jens Keller auf eine Null-Stürmer-Taktik umstellen müssen. Doch Szalai spielte trotz Schmerzen.

Boateng ist eher Mittelfeldspieler, kann dort verschiedenste Rollen ausfüllen. Nach dem Weggang von Michel Bastos ist auch hier eine Planstelle frei in Schalke. Und Boateng dürfte in guter Form nahezu jedem Team helfen: Er ist technisch stark, kann dem Schalker Spiel Power und Beschleunigung verschaffen. Auch in dieser Disziplin überzeugte Schalke zuletzt kaum. "Er ist genau die Verstärkung, die wir brauchen und die wir uns gewünscht haben", sagt Aufsichtsratschef Clemens Tönnies.

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Bleibt die Frage, warum Boateng den AC Mailand verlässt, wo er lange Zeit ein gefeierter Spieler war? Der Klub hat sich soeben für die Gruppenphase der Champions League qualifiziert (ebenso wie Schalke), mit Gegnern wie dem FC Barcelona, Ajax Amsterdam und Celtic Glasgow eine attraktive Auslosung erwischt. Er dürfte demnächst auch in Ghanas Nationalmannschaft zurückkehren, zuvor hatte er nach Differenzen mit dem Verband erklärt, für Länderspiele vorerst nicht zur Verfügung zu stehen. Dieser Konflikt soll nun beigelegt sein.

In Mailand wurde sein Zusammenwirken mit Mario Balotelli zwar als menschlich schwieriges, jedoch sportlich überragendes Duo gefeiert. Beim Champions-League-Playoff-Rückspiel gegen Eindhoven schoss Boateng zwei Tore. "Wenn er so weitermacht, wird es für Milans Rivalen wirklich gefährlich", kommentierte prompt die Gazzetta dello Sport.

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Doch Boatengs Liebe zu Italien wurde zuletzt auf harte Proben gestellt. Immer wieder beklagte er sich über rassistische Äußerungen in Italiens Eliteliga, in einem Testspiel gegen Viertligist Pro Patria verließ er aus Protest den Platz. Vielleicht ist dies ein Grund für seinen plötzlichen Abschied aus Italien. Dann doch lieber ein paar Schalke-Fans, die sich verwundert die Augen reiben, wie ihrem Klub dieser Coup gelingen konnte.

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